Roboter rollen durchs Restaurant

„Wilde Mathilde“ und „Bella“ helfen Servicekräften bei der Arbeit

Roboter rollen durchs Restaurant

„Wir laden uns’re Batterie. Jetzt sind wir voller Energie“ heißt es im Lied „Die Roboter“ der Gruppe Kraftwerk. Und weiter: „Wir sind auch alle programmiert. Und was du willst wird ausgeführt“. Veröffentlicht wurde der Titel der aus Düsseldorf stammenden Gruppe, die zu den Vorreitern der elektronischen Musik in Deutschland zählt, bereits im Jahr 1978. Damals war noch nicht daran zu denken, dass Roboter in Hotels und Gaststätten Kellnertätigkeiten übernehmen werden. Doch 45 Jahre später ist dies Realität, selbst in der beschaulichen Heideregion. In einigen Betrieben im Heidekreis erleichtern inzwischen mobile Maschinen ihren menschlichen Kolleginnen und Kollegen die Arbeit. So zum Beispiel im Tafelhuus in Bispingen, in dem gleich zwei „Kellnerinnen“ unter Strom stehen, nämlich die „Wilde Mathilde“ und „Bella“.

Optisch erinnern die beiden „Damen“ zwar nur entfernt an den knuffigen R2-D2 aus den Star-Wars-Filmen, in Sachen Fortbewegung gibt es allerdings Gemeinsamkeiten, denn die beiden Service-Roboter sind ähnlich gemächlich unterwegs. Ihre Mission: Essen und Getränke aus der Küche an die Tische zu bringen. Das Personal ist begeistert, muss es doch weitaus weniger „Meter machen“, zudem wird den Bedienungen das Schleppen schwerer Tabletts und Teller abgenommen.

Servicepersonal ist in diesen Tagen schwer zu finden. Das weiß auch Peter Reibold, der Manager des Heidehotels Rieckmann in Bispingen und des dazugehörigen Restaurants Tafelhuus. Er kann sich zwar auf eine zuverlässige und eingespielte Mannschaft verlassen, rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Mir war aber klar, dass es schwer wird, Ersatz zu finden, wenn mal jemand bei uns ausfällt, zum Beispiel krankheitsbedingt oder nach einem Unfall“, berichtet der 56-Jährige Heidjer, der über rund 20 Jahre Berufserfahrung im Hotel- und Gaststättengewerbe verfügt. Auf einer Messe sah er erstmals Service-Roboter in Aktion und war sogleich elektrisiert. Er machte sich schlau, wie das Ganze funktioniert und besuchte verschiedene Gastronomiebetriebe, in denen bereits computergesteuerte Servicekräfte die Teams ergänzen. „Ich habe mit den Inhabern und Mitarbeitern gesprochen und es gab durchweg positives Feedback“, so Reibold. Deshalb nahm er Kontakt mit einem deutschen Hersteller mit Sitz in München auf und stellte seinem Team dann im Sommer vergangenen Jahres die neueste Errungenschaft vor. „Unsere Leute haben hier gelernt und fühlen sich hier wohl“, berichtet Reibold. Er wolle freilich, dass dies so bleibe – und freue sich daher, dass die Mannschaft die „Neue“ nach anfänglicher Skepsis dann doch mit Begeisterung aufgenommen habe.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ihre neue „Kollegin“ damals „Wilde Mathilde“ getauft, die ihrem Namen zu Beginn auch alle Ehre machte, zumal sie sich zunächst nicht „auf Spur“ bringen lassen wollte. „Wir waren der erste Kunde in Europa, der diesen Prototypen im Einsatz hatte“, erklärt der Hotelmanager: „Die Software war für unseren Betrieb anfangs noch nicht ausgereift und wurde deshalb in Zusammenarbeit mit uns angepasst und optimiert.“ Drei Software-Updates später war der Roboter dann aber „auf Linie“ und „funktionierte“, so Reibold, „perfekt.“

In den Star-Wars-Filmen bilden R2-D2 und sein unablässig schwadronierender Kompagnon C-3PO ein dynamisches Duo, in Bispingen blieb auch die „Wilde Mathilde“ nicht lang allein. Weil sie sich im Betrieb bewährt hatte, wurde ihr schließlich „Bella“ zur Seite gestellt. Während Erstere sechs Gerichte an Bord nehmen kann und das Essen mit geschlossenen Türen zu den Tischen bringt, ist „Bella“, die Platz für acht Gerichte hat, sozusagen die „Cabrio-Version“, fährt sie doch „halboffen“. Damit sich die beiden bei der Arbeit nicht ins Gehege kommen, kommunizieren sie miteinander. Ist die eine gerade in der Küche, um mit Speisen bestückt zu werden, wartet die andere „Kollegin“, bis der Weg frei ist. So sind keine „Blechschäden“ zu befürchten. Für Gäste ist es jedes Mal aufs Neue ein kleines Schauspiel, wie sich die beiden im Dienst aus dem Weg gehen.

Und wie orientieren sich die beiden Service-Roboter in den Räumlichkeiten? Reibold vergleicht das Prozedere mit einem selbstfahrenden Auto. Die Anordnung der Tische im Restaurant sei sozusagen als Landkarte programmiert, jede Tischnummer ein Haltepunkt. „Der jeweilige Roboter hält eineinhalb Meter vor dem entsprechenden Tisch, so dass die Servicekraft die Speisen dort entnehmen und dem Gast das Essen servieren kann“, erläutert der Hotelmanager. Dabei zeige das Display an der Maschine an, welchen Platz er gerade ansteuere, zugleich erhalte die Servicekraft auf dem Handy einen Hinweis, an welcher Tischnummer der Helfer halten werde. Die Roboter könnten dabei auch über das Handy gesteuert werden.

„Uns geht es nicht darum, hier Arbeitsplätze wegzurationalisieren. Vielmehr wollen wir unser Personal entlasten. Es spart sich den Gang in die Küche und muss die schweren Tabletts und Teller nicht mehr bis zu den Tischen tragen. Außerdem können die Roboter abgeräumtes Geschirr auf dem Rückweg wieder mit in die Küche nehmen. Es sind sonst ja schon einige Kilometer, die Kellnerinnen und Kellner zu laufen haben. Das ist das Tolle: Es bleibt mehr Zeit für die Betreuung der Gäste und für nette Gespräche“, sagt Reibold.

Die Bedienung der zuverlässigen Unterstützer ist ein Kinderspiel für die Bedienungen. Hinter den freundlichen Gesichtern der beiden Roboter verbergen sich Touch-Displays. Das Küchenpersonal tippt auf die Tischnummer - und schon rollen die „Robos“ los. Wenn der Hunger und Durst aller Gäste gestillt ist und die Lichter im Hause gelöscht werden, machen auch die computergesteuerten Helfer Feierabend, müssen doch auch sie ihre Akkus aufladen. „Geschlafen“ wird allerdings nicht lange, denn sowohl „Bella“ als auch „Mathilde“ sind Frühaufsteher. „Sie leisten auch beim Frühstücksdienst wertvolle Hilfe, denn sie fahren mit dem benutzten Geschirr direkt in die Küche zur Spülmaschine“, berichtet Reibold. Apropos direkt: Die beiden Roboter sind mit ihrer „Basis“ in Kontakt. Ein Serviceteam kümmert sich um die Programmierung, zum Beispiel wenn aufgrund neuer Tischanordnung im Restaurant Änderungen vorzunehmen sind. Und wenn die bei Computern obligatorischen Updates anstehen, dann wird dies vom Serviceteam über die Datenautobahn per Fernwartung vorgenommen. „Eine optimale Betreuung“, lobt Reibold.

Er betont, dass die Digitalisierung auch im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht aufzuhalten sei. Bereits vor drei Jahren hat sein Sohn Nils, Informatiker, digitale Gästemappen erstellt, die alle wichtigen Infos für die Gäste bereithalten und die, wie Reibold betont, „sehr gut angekommen sind.“ Ein mobiles Kassensystem mit „Orderman“-Geräten ist ebenfalls schon seit längerem im Einsatz, die Roboter sind nun der nächste Schritt. Auch wenn die beiden „rollenden Computer“ nicht mit Extremitäten aufwarten können, so arbeiten sie mit den Kolleginnen und Kollegen aus Fleisch und Blut doch Hand in Hand. „Die Resonanz des Teams ist top. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich das schon gar nicht mehr anders vorstellen. Wir sind rundum zufrieden. Im Sommer sollen die Roboter auch bis auf die Terrasse fahren. Je länger die Wege und je größer die Tische, desto besser ist das“, unterstreicht der Hotelmanager.

Zudem hätten die per Akku betriebenen Hilfen inzwischen zahlreiche Fans unter den Gästen, besonders unter den jüngeren. „Das ist immer wieder eine Show“, lacht Reibold: „Die Roboter werden fotografiert und gefilmt und die Bilder in den sozialen Netzwerken gepostet. Deshalb haben wir inzwischen kleine Hinweise an den Tischen angebracht, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gäste weder fotografiert noch gefilmt werden möchten“, so Reibold. Nichtsdestotrotz sorgten die „Auftritte“ von „Mathilde“ und „Bella“ für Event-Charakter, fröhliche Gesichter und eine verstärke Kommunikation der Gäste untereinander. Das habe nicht zuletzt auch dazu beigetragen, zahlreiche neue Stammgäste zu gewinnen.

Andere Hotels und Gaststätten, die solche Tablett-Transporter nutzen, dürften ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Reibold nennt einige aus dem Heidekreis, die diese Maschinen ebenfalls einsetzen. „Soweit ich weiß, gibt es Service-Roboter auch im Hotel Bockelmann in Bispingen, im Tagungshotel Anders in Walsrode und bei Miss Pepper in Soltau.“

War er früher unterwegs, um sich bei anderen Hoteliers und Gastronomen über die Service-Roboter zu informieren, so ist er inzwischen mit seiner Erfahrung in diesem Bereich selbst gefragter Gesprächspartner: „Uns haben schon etliche Kollegen aus der Branche besucht, um sich das Ganze mal anzuschauen.“ Interessierten stehe er gern zum Fachsimpeln zur Verfügung.

Klar ist, dass das Team des Heidehotels Rieckmann und des Tafelhuuses auch künftig auf die Unterstützung der „Wilden Mathilde“ und von „Bella“ zählen kann. Und diese wiederum werden weiterhin regelmäßig ihre Batterien laden und unter Beweis stellen, dass sie „voller Energie“ sind – fast fünf Jahrzehnte nach der Veröffentlichung des Kraftwerk-Klassikers „Die Roboter“.

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