Sie gelten als Botschafter des Sommers, Glücksbringer und Wetterpropheten und gehören ebenso zum Landleben wie der sprichwörtliche Spatz auf dem Dach: Rauchschwalben, die in rasanten Flugmanövern durch offene Stall- und Scheunentüren flitzen, und Mehlschwalben, die knapp über der Wasseroberfläche Insekten jagen oder zwitschernd auf Telefondrähten und Antennen sitzen. Doch was vor einem halben Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit war, hat heute schon beinahe Seltenheitswert und ist dem NABU daher eine Auszeichnung Wert: Schwalbenfreundliche Menschen, die die eleganten Flugakrobaten alljährlich im April willkommen heißen, Haus und Hof für einige Monate mit ihnen teilen und die gefiederten Mitbewohner vielleicht sogar durch gezielte Maßnahmen wie das Anbringen künstlicher Nisthilfen oder das Anlegen von Lehmpfützen unterstützen.
Zu dieser Sorte Mensch gehören Renate und Hans-Günther Reinsch, deren idyllisch am Ortsrand von Bispingen gelegener Hof jüngst mit der Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ ausgezeichnet wurde. „Für mich gehören Schwalben einfach zum Hofleben dazu“, betont der rührige Nebenerwerbslandwirt, als ihm Ingrid Häusler von der örtlichen NABU-Gruppe die beliebte Plakette samt dazugehöriger Urkunde überreicht. Gemeinsam mit seiner Frau Renate bewirtschaftet der Mittfünfziger den von Feuchtwiesen umgebenen Hof in fünfter Generation und hofft voller Zuversicht darauf, daß eines der drei Kinder in die elterlichen Fußstapfen treten und nicht nur Tiere halten, sondern auch eine große Vielfalt an Gemüsesorten wie Möhren, Zwiebeln, Gurken, Tomaten, Sellerie, Kürbis, Zucchini, Rote Beete, Kartoffeln und verschiedene Kohlsorten anbauen wird.
Angesichts der unzähligen Schwalben, die bei ihrem Besuch um das Haus fliegen, können der Vorsitzende Klaus Todtenhausen und Ingrid Häusler kaum glauben, was sie von den Eheleuten erfahren: In den 90er Jahren hatte es eine Zeit gegeben, in der die Familie in jedem Frühjahr vergeblich auf die Rückkehr der zwitschernden Glücksbringer wartete. 2002 war es dann endlich soweit: Im Schweinestall baute das erste Paar Rauschwalben sein Nest und seither zeugt eine stetig wachsende Anzahl an Brutpaaren von den idealen Bedingungen, die die Flugakrobaten auf der Hofstelle vorfinden. Inzwischen haben rund 20 Rauch- und neun Mehlschwalbenpaare den Schweine- oder den Hühnerstall, den Dachboden oder die Scheune als ihren persönlichen Lieblingsbrutplatz auserkoren und ihre kunstvoll, aus feuchtem Lehm und Halmen gefertigten Nester auf Balken und Pfosten gesetzt oder an Wände und Vorsprünge geklebt. Daß der Boden unter den kugelförmigen Nestern mit Kot und Nistmaterialien übersät ist, stört hier niemanden - die Kleckerei läßt sich im Herbst schnell mit dem Gartenschlauch beseitigen, so daß die Heimkehrer im nächsten Jahr einen sauberen Brutplatz vorfinden.
Auch an Nahrung mangelt es den Schwalben nicht: Sie gehen auf den angrenzenden Weiden auf Insektenjagd, kurven blitzschnell zwischen den grasenden Dexter-Rindern, einer kleinwüchsigen, robusten Rinderrasse, die den Namen Hornvieh noch zu recht trägt. In das Zwitschern der Schwalben mischt sich das Gackern der Vorwerk- und Jersey-Hühner, die im den geräumigen Freigehege im Boden nach Futter scharren oder ein ausgiebiges Sandbad nehmen.
In wenigen Wochen endet das Schwalbenjahr auf dem Hof Reinsch. Dann werden sich die Rauch- und Mehlschwalben zu großen Trupps zusammenschließen und auf die lange Reise in ihre Winterquartiere südlich der Sahara machen. Wenn sie im nächsten Frühjahr in ihre Brutgebiete zurückkehren, werden sie wieder eine Bleibe auf dem Hof an der Luhe finden und dann heißt es wieder: „Wenn die Schwalben ums Haus fliegen, zieht das Glück ein.“