„Genug ist genug in Spanien“ steht in schwarzen Lettern auf dem roten T-Shirt, darunter ist ein erschütterndes Foto eines Jagdhundes, der beim perverserweise als „Klavierspielen“ bezeichneten „Ritual“ getötet worden ist, zu sehen. Uwe Kantwerk präsentierte das für Beklemmung sorgende Bekleidungsstück am vergangenen Freitag in seiner Küche in Heber, einen Tag bevor er mit seinen Hunden zum „1. Galgomarsch“ nach Bremen fuhr. Mit dem aufrüttelnden Motiv will er zeigen, was viele nicht sehen. In der Hansestadt ging er gemeinsam mit zahlreichen Tierfreunden auf die Straße. Anlass war das Ende der Jagdsaison in Spanien, das dort alljährlich am 1. Februar auf dem Plan steht. Diesen Tag haben Tierschützer zum „Dia del Galgo“, also zum „Welt-Galgo-Tag“, ernannt. Damit soll auf die miserablen Haltungsumstände vieler spanischer Jagdhunde wie zum Beispiel Galgos aufmerksam gemacht werden. Das Augenmerk wird dabei vor allem auf das grauenvolle „Aussortieren“ und Töten von Jagdhunden nach Beendigung der Saison gerichtet. Hundefreund Kantwerk setzt sich auf vielfältige Weise für die Rettung der in Spanien gequälten Vierbeiner ein.
Der Galgo Español ist ein eleganter, hochbeiniger und extrem schneller Windhund, im Land auf der Iberischen Halbinsel einerseits populär, andererseits aber auch ein „Wegwerfprodukt“: Mindestens 50.000 Galgos werden Jahr für Jahr auf grausamste Art und Weise gequält und getötet, wobei Tierschützer davon ausgehen, dass die Dunkelziffer um einiges höher liegt. Hundefreund Kantwerk hat einen der gepeinigten Vierbeiner gerettet und bei sich aufgenommen: die circa sieben Jahre alte „Linet“, die sich mit seinem aus Malta stammenden Ratonero Bodeguero namens „Matti“ nach einer Eingewöhnungszeit gut versteht. Nach dem anstrengenden und aufregenden Tag in Bremen kuschelten die beiden, zurück in Heber, auf dem Sofa.
Kantwerk ist als Kind in einer Familie aufgewachsen, die einen deutschen Schäferhund hatte - und hat daher von Kindesbeinen an ein Herz für Hunde. Der 68-Jährige stammt aus Sachsen und lebt seit 2010 in der Lüneburger Heide. Er ist gelernter Buchdrucker, inzwischen Rentner und wohnt zusammen mit seiner Partnerin in Heber. In früheren Jahren war er unter anderem auch als Naturpark-Ranger tätig und ist nach wie vor gern draußen. So hilft er älteren Heidjerinnen und Heidjern, oft Hundebesitzern, in Teilzeit gern im Garten, mäht Rasen, schneidet Hecken. In der Schneverdinger Ortschaft steht ihm und seiner Lebensgefährtin selbst ein großer Garten zur Verfügung, in dem sich „Matti“ und „Linet“ ordentlich austoben können und sich sichtlich wohlfühlen.
Dass die Hündin aus Spanien in ihrer früheren Heimat traumatische Erfahrungen hatte machen müssen, war beim Termin beim Hundefreund in Heber nicht zu übersehen. Obwohl sie schon seit rund drei Jahren ein tierliebes „Herrchen“ hat, ist sie Fremden gegenüber äußerst misstrauisch, ja sogar ängstlich. Erst nach ein paar Streicheleinheiten und netten Worten hörte sie, den Schwanz zunächst noch zwischen den Hinterbeinen eingeklemmt, auf zu zittern.
„Männer – das ging für Linet erst einmal gar nicht“, sagte Kantwerk: „Das ist erst langsam besser geworden.“ Was der Hündin in Spanien widerfahren ist, kann man nur erahnen. Im Königreich scheint die Sonne zwar öfter als hierzulande, für viele Jagdhunde sieht es dort jedoch düster aus: „Die Jagd ist in Spanien ein Volkssport und der Erwerb der Lizenz zum Töten ein leichtes Spiel. Ein ‚echter‘ spanischer Mann verbringt seine Freizeit gerne mit der Jagd. Jagdhunde aller Rassen werden in großen Rudeln unter miserabelsten Bedingungen gehalten, viele fristen ein trauriges Dasein an der Kette oder in dunklen Verschlägen. Auch der edle spanische Windhund ist für die meisten Spanier ein reines Jagdinstrument zum Benutzen und Wegwerfen“, heißt es in einer Mitteilung der Tierschutzpartei zu diesem Thema. Verantwortlich für die Misshandlung der Galgos seien die schätzungsweise 170.000 Galgueros, Besitzer von rund 490.000 Galgos. Spanien sei das einzige europäische Land, in dem es „nicht unüblich“ sei, „einen Galgo einfach an einem Baum zu erhängen.“
„Klavierspielen“ wird diese grausame Art der Beseitigung genannt, weil die Vierbeiner, gerade noch mit ihren Pfotenspitzen den Boden berührend, im Todeskampf versuchen, sich aus der Schlinge zu befreien und ihre Hinterläufe dabei auf den Boden schlagen - so wie ein Klavierspieler die schwarzen und weißen Tasten schlägt. Dieses Martyrium kann sich über Stunden oder sogar Tage hinziehen. „Ein sadistisches Ritual, das in unserer Vorstellung eher in der Zeit der Inquisition zu verorten ist, als im 21. Jahrhundert einer hoch entwickelten Industrienation der Europäischen Gemeinschaft“, kritisiert die Tierschutzpartei.
Die Hunde werden nicht nur zur Jagd eingesetzt, sondern müssen auch in Wettkämpfen im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben rennen. Vierbeiner, die nicht die erhoffte „Leistung“ bringen, werden auf brutalste Art und Weise „entsorgt“. „Sie werden aufgehängt oder in Brunnen geworfen, manchen werden die Beine gebrochen und sie werden verletzt ausgesetzt“, berichtete Kantwerk. Fast alle Jagdhunde, die Vereine und Organisationen gerettet hätten, litten unter Traumata.
Wie fast immer, wenn das Böse im Menschen zum Vorschein kommt, geht es dabei natürlich um viel Geld. „Die Lobby in Spanien ist zu groß. Wir reden hier nicht von armen Leuten. Da sind auch Ärzte und Anwälte dabei. Das geht bis in Regierungskreise. Man kann durchaus von einer Art Mafia reden“, so der Heberaner und sprach von „einer Katastrophe.“
„Um die Hunde zu trainieren, werden sie in Gattern an SUVs gehängt, die das Tempo nach und nach erhöhen. Das ist der Wahnsinn“, sagte Kantwerk und zeigte auf seinem Handy Aufnahmen, die genau solch abartige „Trainingsmethoden“ dokumentieren.
In ganz Europa machen immer mehr Menschen gegen diese perfide „Tradition“ mobil. Kantwerk beteiligte sich mit etlichen Gleichgesinnten am Galgomarsch in Bremen und engagiert sich für verschiedene Vereine und Organisationen, die dem Grauen ein Ende setzen wollen. „Es ist ein großes Netzwerk“, erklärte er. In diesem kümmert er sich unter anderem um die Vor- und Nachkontrolle bei Menschen, die gerettete Jagdhunde, die nach Deutschland gebracht worden sind, aufgenommen haben. Bei der Vorkontrolle prüft der Heberaner zum Beispiel, ob Hund und Herrchen oder Frauchen zusammenpassen. Bei der Nachkontrolle schaut er, ob alles in Ordnung ist, ob es dem Tier gut geht.
Darüber hinaus hat er bereits rund 5.000 Euro an Spendengeldern zur Rettung der Vierbeiner gesammelt und richtet einmal im Jahr im August in seinem Garten ein Ratonero-Treffen für Hundefreunde und Tierschützer aus. „Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe“, sagt er über sein Engagement und freut sich über Interessierte, die die gute Sache unterstützen möchten. Tipps, etwa in Sachen Patenschaften für Galgos, gibt er gern per E-Mail an uwe.kante@web.de.