Wer in einer Demokratie etwas gegen Missstände unternehmen möchte, hat in der „Volksherrschaft“ glücklicherweise viele Möglichkeiten. Man kann auf die Straße gehen, um Unrecht anzuprangern, man kann sich an Politiker wenden und seine Meinung auch auf digitalem Weg verbreiten, um zu versuchen, Probleme friedlich aus der Welt zu schaffen. Uwe Kantwerk aus Heber nutzt alle Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen. Der 70-Jährige setzt sich mit viel Herzblut für spanische Jagdhunde ein, die in ihrer Heimat, wenn sie die Erwartungen ihrer Besitzer nicht erfüllen, nur ein kurzes Leben haben und auf barbarische Art und Weise getötet werden. Es handelt sich um Tiere der Hunderasse Galgo Español, auch „Spanischer Windhund“ genannt.
„Genug ist genug in Spanien“ steht auf dem roten T-Shirt des Heberaners. Darüber ist ein Schwarz-Weiß-Foto eines erhängten Jagdhundes zu sehen, das das Bekleidungsstück zum „Weggucker“ macht. Der 70-Jährige indes will erreichen, das niemand die Augen verschließt vor dem Leid der Tiere. Bei einer Tasse Kaffee berichtet er in seinem Wohnzimmer über sein Engagement, während sein etwa 13 Jahre alter Hund „Matti“, der aus Malta stammt, und die um die neun Jahre alte in Spanien gerettete Hündin „Linet“ tiefenentspannt auf dem Sofa liegen. Vor kurzem erst war das Trio auf den Beinen, beteiligte es sich doch am 1. Februar am ersten Galgomarsch in Osnabrück. Dort gingen laut Schätzung der Polizei rund 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit insgesamt etwa 1.200 Hündinnen und Hunden auf die Straße, um den gequälten Jagdhunden in Spanien eine Stimme zu geben. Mittendrin die kleine „Delegation“ aus der Lüneburger Heide.
„Der Osnabrücker Galgomarsch ist ein Zeichen der Solidarität mit den spanischen Tierschützern und Teil der Protestmärsche, die in Deutschland und Europa stattfinden. Wir machen auf die Missstände in Spanien aufmerksam und stellen uns klar gegen die Ausbeutung, Aussetzung und Tötung dieser sensiblen Jagdhunde“, hieß es im Aufruf zur Protestveranstaltung. Für Kantwerk und seine Vierbeiner war die Teilnahme an einer solchen Demonstration nichts Neues. In den Vorjahren hatten sie bereits beim alljährlichen Galgomarsch in Bremen Flagge gezeigt.
Der Galgo Español ist ein eleganter, hochbeiniger und extrem schneller Windhund, im Land auf der Iberischen Halbinsel einerseits populär, andererseits aber auch ein „Wegwerfprodukt“. „Am 1. Februar wird der Día del Galgo gefeiert, der weltweite Tag der Galgos, der das Ende der Jagdsaison markiert und auf das leidvolle Schicksal der Jagdhunde in Spanien aufmerksam macht. Galgos, Podencos und andere Jagdhunde werden bei der Jagd vor allem fürs Stöbern und Hetzen genutzt. Während der Jagdsaison von Oktober bis Januar leben viele dieser Hunde in überfüllten, dunklen Verschlägen, aus denen sie nur am Wochenende herausgelassen werden, wenn sie für die Jagd gebraucht werden. Die meiste Zeit verbringen sie eingesperrt und werden vernachlässigt“, kritisiert der Tierschutzverein Europa. Das „Training“ der Hunde erfolge, so ein Sprecher des eingetragenen Vereins, „unter extremen Bedingungen, etwa indem man sie an Autos, Lastwagen oder Motorräder bindet, hinter denen sie bei hoher Geschwindigkeit herlaufen müssen. Um die Pfoten zu härten, taucht man sie in Essigwasser, was für die Tiere eine enorme Qual darstellt, da die Säure in die oft rissige Ballenhaut dringt. Manche Jäger setzen ihre Hunde auch absichtlich Hunger aus, um deren Jagdinstinkt zu steigern.“
Am Ende der Jagdsaison werden laut Tierschutzverein Europa „viele Galgos von den sogenannten Galgueros – den Jägern – auf grausamste Weise ‚entsorgt‘. Jedes Jahr werden schätzungsweise 50.000 bis 100.000 Jagdhunde getötet oder einfach ausgesetzt, ihrem Schicksal überlassen.“ Dagegen laufen Tierfreunde weltweit Sturm. Sie kritisieren massiv, dass zwar am 29. September 2023 in Spanien ein verschärftes Haustierschutzgesetz in Kraft getreten sei, die Regierung jedoch unter dem scheinbar übermächtigen Druck der Jagdlobby eingeknickt sei und Jagd- und Gebrauchshunde als Nutztiere eingestuft habe, sodass sie der Willkür der Jäger schutzlos ausgeliefert seien. „Die unkontrollierte Vermehrung der Galgos und ihre anschließende massenhafte ‚Entsorgung‘ führt zu einer großen Zahl von hungrigen und kranken Hunden. Bei den Galgomärschen, die weltweit zum Ende der Jagdsaison stattfinden, wird auf dieses unfassbare Leid aufmerksam gemacht“, erklärt Kantwerk: „Tierschützer in Spanien erhalten Unterstützung aus ganz Europa, was die Hoffnung weckt, den Druck auf die spanische Regierung zu erhöhen und eine bessere Zukunft für die Tiere zu sichern.“ In Spanien setzten sich zahlreiche Tierschutzvereine dafür ein, „so viele Galgos und Podencos wie möglich zu retten und sie in ein neues Zuhause zu vermitteln. „Jagd- und Windhunde sind wunderbare Tiere. Obwohl sie von den Jägern nicht als Haustier oder Familienmitglied betrachtet werden, sind sie treue und liebevolle Begleiter. Zu Hause sind sie ruhig und verschmust, während sie draußen mit ihrer sportlichen Ader und ausgezeichneten Nase beeindrucken“, betont der 70-Jährige: „Wer schon einmal einen glücklichen Galgo beim Spielen und Laufen erlebt hat, weiß, wie ansteckend das Glück dieser Tiere ist.“
Das kurze Leben für enorm viele Jagdhunde ende nach der Aussortierung durch die Galgueros in Spanien in barbarischen Tötungsritualen. „Sie nennen es Tradition. Die Ehre des Galgueros ist verletzt, wenn der Jagdhund versagt. Das Töten auf brutalste Art und Weise muss aufhören, dafür kämpfen wir mit Herzblut“, betont Kantwerk. Und weiter: „Ein Galguero füttert keinen Jagdhund durch bis zur nächsten Saison, denn es gibt ja gezüchteten Nachwuchs in ungeahnten Dimensionen.“ Das Leid der Tiere mache ihn fassungslos. „Sie werden entsorgt, lebendig in Brunnen geschmissen, mit Benzin übergossen und angezündet, mit Säure übergossen, an Bäumen aufgehängt. Die Galgueros nennen letzteres Klavierspielen. Die Hinterläufe der Tiere berühren ganz knapp den Boden und sie erdrosseln sich selbst. Diese Grausamkeit kann sich über Stunden hinziehen. Viele Galgueros bringen die Hunde in einsame Gebiete und brechen den Jagdhunden zuvor die Beine, damit sie nicht mehr zurücklaufen können.
„Diesen nicht zu überbietenden Grausamkeiten müssen wir entschiedenen ein Ende setzen und nehmen auch die EU-Abgeordneten aller Parteien und europäischen Länder mit in die Verantwortung. Das spanische Tierschutzgesetz muss sofort novelliert werden in Bezug auf die Gebrauchshunde, die vom Gesetz ausgeschlossen sind“, betont Kantwerk. Und weiter: „Anscheinend ist den Abgeordneten im EU-Parlament wichtiger, wie krumm eine Salatgurke sein darf. Es gibt nicht einmal eine Protestnote an das spanische Parlament. Die Lobbyisten in der EU möchten sich offenbar nicht mit den Lobbyisten in Spanien auseinandersetzen. Dazu gehören auch Rechtsanwälte, Ärzte und Abgeordnete, die selbst zur Jagd gehen. Das ist absolut beschämend“, konstatiert der Heidjer. Er verweist auf Zahlen des eingetragenen Vereins Windhund-Netzwerk. Demnach werden mit der Jagd in Spanien jährlich rund 6,4 Milliarden Euro umgesetzt. 614 Millionen Euro flössen in die Staatskasse.
„In Spanien gibt es Millionen Jäger, die jährlich rund 30 Millionen Wildtiere im Land erlegen. Der Jagdverband UNAC gibt in einem Bericht von 2018 zu, dass vier bis sechs Millionen gezüchtete Tiere pro Jahr freigelassen werden, um diese aus puren Vergnügen zu töten. Wir sprechen hier beispielsweise von 309 spanischen Betrieben für die Zucht von Wildkaninchen, in denen zwei Millionen Kaninchen für die Jagd gezüchtet werden“, so Kantwerk. Der königlich spanische Jagdverband RFEC sei die oberste Interessenvertretung der Verbandsjäger und der drittgrößte Verband mit den meisten Lizenzen in Spanien. Wohlhabende Halter der Jagdverbände hätten jeweils 70 bis 120 Galgos.
Kantwerk, der sich auch gegen die Veranstaltung von Windhund-Rennen stark macht, will erreichen, dass sich endlich etwas ändert. Er geht nicht nur „auf die Straße“, um zu protestieren, sondern engagiert sich in verschiedenen Vereinen und Organisationen, die europaweit vernetzt sind. Zudem berät und begleitet er deutsche Familien, die in Spanien gerettete Hunde aufgenommen haben. Außerdem sucht Kantwerk den Kontakt mit EU-Politikern, was freilich kein leichtes Unterfangen sei. Offene Ohren habe indes Sebastian Everding von der Tierschutzpartei im EU-Parlament. Dieser habe ihm auch schriftlich versprochen, in Sachen Galgos am Ball zu bleiben, berichtet der Heberaner.
Ganz wohl fühlt sich Kantwerk nicht beim Gang an die Öffentlichkeit. „Ich möchte mich nicht so gern in den Vordergrund drängen. Es gibt so viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel bei den Tafeln oder in der Feuerwehr. Aber die Galgos sind für mich eben eine Herzensangelegenheit“, so der Tierfreund. Einmal im Jahr richtet er auf seinem Privatgrundstück ein Treffen für gleichgesinnte Hundefreunde aus, bei denen stets Geld für verschiedene Organisationen gesammelt wird. Im vergangenen Jahr kamen so 1.600 Euro zusammen, die an Tierschutzorganisationen in Spanien gegangen sind. Damit wurden unter anderem Pavillons beschafft, um Galgos in Spanien, denen keine Schattenplätze zur Verfügung stehen, vor der brütenden Sonne zu schützen.
„Wer sich für unser Anliegen oder vielleicht auch eine Galgo-Patenschaft interessiert, kann sich gern bei mir melden“, so Kantwerk. Zu erreichen ist er per E-Mail an die Adresse uwe-kante@web.de.