Wer an Probleme beim Schienenverkehr auf dem sogenannten „Heidekreuz“ denkt, dem kommen aktuell vermutlich eher Zugausfälle, Verspätungen und Bauarbeiten in den Sinn als Sorgen um die Umwelt. Dennoch: Die Diesel sollen weichen und ab 2029 elektrische Triebwagen über die Gleise rollen. Das plant jetzt das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung. Und es sollen ganz besondere Schienenfahrzeuge zum Einsatz kommen, wie der Mitteilung des Ministeriums zu entnehmen ist: Geplant seien gut 100 neue Akku-Triebzüge für Niedersachsen, die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) bereite die Ausschreibung noch für 2023 vor. Die Linien des „Heidekreuzes“, also die Regionalbahnen RB 37 (Bremen – Soltau – Uelzen) und RB 38 (Hamburg-Harburg – Buchholz in der Nordheide – Soltau – Hannover), die aktuell vom Unternehmen „Start Niedersachsen Mitte“ betrieben werden, sollen als erstes die neuen Akku-Züge bekommen.
Ab dem Jahr 2037 sollen zwischen Ems und Elbe nur noch Züge fahren, die kein Kohlendioxid ausstoßen: „Wir werden ab dem Jahr 2029 sukzessive 102 neue Triebzüge mit Akku-Technik einsetzen, die abgasfrei unterwegs sind – und damit bisherige Dieselflotten ausmustern“, so Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies. „Das ist eine wichtige Entscheidung für die Mobilitätswende. Die neuen Züge bieten mehr Platz als die aktuell eingesetzten Fahrzeuge. Damit schaffen wir die Voraussetzung für steigende Fahrgastzahlen.“ Die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) bereitet die Vergabe vor, um die Fahrzeuge noch in diesem Jahr auszuschreiben. Lies rechnet für alle Fahrzeuge mit einer Investition im hohen dreistelligen Millionenbereich.
Akku-Fahrzeuge können auf Strecken mit Oberleitung fahren und auf dieser mit einem Stromabnehmer laden. Zusätzlich oder alternativ lassen sie sich an „Ladeinseln“ aufladen. So oder so: „Fahrdraht ist nicht auf der gesamten Strecke nötig. Grundlage für den Kauf der neuen Akku-Fahrzeuge ist eine Markterkundung zu alternativen Antrieben, die die LNVG durchgeführt hat. Dabei wurden insbesondere Züge mit Wasserstoff-Antrieb und Akku betrachtet. Ergebnis: Akku-Züge sind im Betrieb günstiger“, so die Mitteilung des Ministeriums. In der nennt Carmen Schwabl, Sprecherin der LNVG-Geschäftsführung, weitere Details zu den neuen Zügen: „Wir werden erstmals Triebwagen einsetzen, die Türen für zwei verschiedene Bahnsteighöhen haben. So können auch mobilitätseingeschränkte Fahrgäste überall selbstständig ein- und aussteigen.“ Außerdem sei mehr Platz für Fahrräder geplant.
Das erste Netz, in dem Dieselzüge ersetzt werden, ist ab 2029 das „Heidekreuz“: „In den anderen Netzen sollen mit dem Ausbau der Infrastruktur bis 2037 die letzten Dieselfahrzeuge von der Strecke gehen. Grundsätzlich gilt: Zunächst rollen alte Züge am Ende ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer aufs Abstellgleis. Fahrzeuge, die die übliche Einsatzdauer von 30 Jahren noch nicht erreicht haben, werden für den Diesel-Betrieb in Netzen genutzt, die noch nicht elektrifiziert sind“, so die Mitteilung, in der Schwabl betont: „Diese jüngeren Dieselfahrzeuge haben eine bessere Umweltbilanz und erhalten die geplanten Komplett-Modernisierungen. Auch die Übergangslösungen bringen also schon Verbesserungen für Fahrgäste und Umwelt.“
Niedersachsen bereite den Abschied vom Diesel im Schienennahverkehr übrigens schon länger vor, liefert das Ministerium weitere Hintergrundinformationen zu dem Thema: „Die LNVG hatte bereits 2020 entschieden, keine neuen Dieselfahrzeuge mehr zu kaufen. Die Gesellschaft im Landesbesitz hat damit die Entwicklung alternativer Antriebe für den SPNV beschleunigt und insbesondere die der ersten Wasserstoffzüge der Welt angestoßen. Sie rollen heute bei den Eisenbahnen und Verkehrsbetrieben Elbe-Weser (evb) zwischen Bremerhaven, Cuxhaven und Buxtehude.“