Antibiotikaminimierung - fünf Landkreise kooperieren | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Landrat Jens Grote: „Wichtige Aufgabe in der eigenen Hand behalten“

Antibiotikaminimierung - fünf Landkreise kooperieren

Im Zuge einer Kooperation mit vier Nachbarlandkreisen wird das Veterinäramt des Landkreises Heidekreis im Rahmen der Antibiotikaminimierung in Nutztierhaltungen zusammenarbeiten und so die im Januar 2022 übernommene Überwachung des Medikamenteneinsatzes fortsetzen. Eine entsprechende Zweckvereinbarung unterzeichneten jüngst die Landräte der Landkreise Cuxhaven, Verden, Osterholz sowie Rotenburg (Wümme) und des Heidekreises.

„Wir haben uns gemeinsam mit den vier übrigen Landkreisen entschlossen, die wichtige Aufgabe der Antibiotikaminimierung weiterhin in der eigenen Hand zu behalten und nicht an das Land Niedersachsen beziehungsweise das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) abzugeben“, teilt Landrat Jens Grote mit. Synergieeffekte und eine höhere Verwaltungseffizienz seien auf den kommunalen Ebenen „im größeren Stil möglich.“

„Die Tierärztinnen und Tierärzte der Kreisveterinärämter sind regelmäßig vor Ort in den Betrieben. Dadurch können sie bei Kontrollbesuchen zur Antibiotikaminimierung gleichzeitig auch Fragen der Tiergesundheit und des Tierschutzes überwachen und gegebenenfalls direkt eingreifen“, unterstreicht Dr. Thomas Krull, Leiter des Veterinäramtes des Heidekreises. Die Amtstierärztinnen und -tierärzte hätten den Blick auf den Gesamtbetrieb, egal ob es beispielsweise um gesetzliche Vorgaben zu den Biosicherheitsanforderungen, um die Risikominimierung eines Seucheneintrages oder um tierschutzrechtliche Anforderungen gehe. Separate Kontrollbesuche durch das Landesamt böten diesen Doppelnutzen nicht, so Krull.

Vor diesem Hintergrund hatten sich die kommunalen Spitzenverbände und das Landwirtschaftsministerium auf eine Ausnahmeregelung verständigt. Danach können Landkreise mit mehr als 1.000 Tierhaltungen weiterhin diese Überwachungsaufgabe übernehmen. Dies gilt auch für Zusammenschlüsse mehrerer Landkreise, wenn sie dadurch die geforderte Mindestzahl an Tierhaltungen erreichen.

Die fünf Landkreise, die die Zweckvereinbarung jetzt unterzeichneten, überwachen zusammen rund 2.650 Tierhaltungen. Ziel des Ganzen ist es, den Antibiotikaeinsatz in Tierhaltungen bundesweit auf das therapeutisch notwendige Minimum zu reduzieren. Dazu müssen seitens der Tierhalter sämtliche Antibiotikaanwendungen, einschließlich der Anzahl behandelter und gehaltener Tiere, in einer Datenbank erfasst und Maßnahmenpläne vorgehalten werden. Dieses seit 2014 bestehende Antibiotikaminimierungskonzept wird aktuell von den Veterinärämtern überwacht.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert seit langem generell, dass eine zu hohe Zahl von Nutztieren auf zu wenig Raum gehalten werde, um „Billigfleisch zu produzieren.“ Und das wiederum sei nur möglich, „weil große Mengen Antibiotika eingesetzt werden.“ Damit steige das Risiko, dass sich resistente Bakterien bilden könnten. „Antibiotika sollten nur sparsam und zielgerichtet eingesetzt werden, um die Wirksamkeit möglichst lange zu erhalten. Die häufigen Antibiotika­gaben erhöhen das Risiko, dass sich resistente Bakterien bilden. In der industriellen Tierhaltung sind die Umstände dafür ideal. Durch die Enge, in der die Tiere nebeneinander stehen, können sich Keime in rasanter Ge­schwindigkeit verbreiten“, bemängelt die nichtstaatliche Umwelt- und Naturschutzorganisation mit Sitz in Berlin.

Zur Behauptung, dass Landwirte ihren Tieren Antibiotika en masse ins Futter mischten, was zu Resistenzen bei Menschen führe, nimmt der Deutsche Bauernverband auf seiner Internetseite Stellung. „Tatsache ist, dass Landwirte verantwortungsbewusst mit dem Einsatz von Antibiotika umgehen und sich der Folgen bewusst sind. Für die Bildung von Antibiotika-Resistenzen muss der Einsatz bei Menschen, Nutztieren aber auch Haustieren bewertet werden“, heißt es auf der Homepage. Und weiter: „Antibiotika werden in der Nutztierhaltung nicht prophylaktisch eingesetzt, sondern nur, wenn der Tierarzt sie aufgrund einer Diagnose verordnet. Kranke Tiere müssen mit Blick auf den Tierschutz medizinisch behandelt werden, ein vollständiger Verzicht auf Antibiotika in der Nutztierhaltung ist deshalb nicht möglich.“ Wer Antibiotika in der Nutztierhaltung einsetze, so heißt es vonseiten des Verbandes, müsse dies dokumentieren: „Landwirte und Tierärzte führten ein Stallbuch. Als Halter von Tieren, die Lebensmittel erzeugen, unterstehen die Landwirte zudem der ständigen Kontrolle der zuständigen Behörden in den Ländern.“

Bereits im Jahr 2014 hat die Bundesregierung mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes ein Antibiotikaminimierungskonzept in der Nutztierhaltung gesetzlich verankert. Dazu wurden neue Paragrafen in das Arzneimittelgesetz aufgenommen, die am 1. April 2014 in Kraft getreten sind. Das Grundprinzip des Antibiotikaminimierungskonzeptes ist ein sogenanntes Benchmarkingsystem, bei dem tierhaltende Betriebe mit bestimmten Nutzungsarten wie Masthühnern, -puten, -schweinen und -ferkeln sowie Mastrindern und -kälbern ab einer bestimmten Betriebsgröße in halbjährlichem Rhythmus bezüglich ihres Antibiotikaeinsatzes miteinander verglichen werden. Bei der Überschreitung bestimmter statistischer Kennzahlen können seitdem unter anderem behördlich überwachte betriebliche Maßnahmen zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in der individuellen Tierhaltung erforderlich werden. Das Antibiotikaminimierungskonzept wurde mehrfach angepasst und erweitert. Im Jahr 2021 wurde es schließlich in die Paragrafen 54 bis 57 des neugeschaffenen Tierarzneimittelgesetzes überführt, das am 28. Januar 2022 in Kraft getreten ist.

Laut „Lagebild zur Antibiotikaresistenz im Bereich Tierhaltung und Lebensmittelkette“ der Arbeitsgruppe Antibiotikaresistenz des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) wurden die Abgabemengen antibakteriell wirksamer Tierarzneimittel seit der Einführung der Erfassung im Jahr 2011 bis zum Jahr 2022 um insgesamt 68,4 Prozent (1.165,8 Tonnen) reduziert. Während in der Regel in jedem Jahr eine Reduktion gegenüber dem Vorjahr beobachtet worden sei, habe es im Jahr 2020 erstmals seit Beginn der Erfassung einen Anstieg der Abgabemengen um 4,6 Prozent (30,4 Tonnen) gegenüber dem Vorjahr gegeben. In den darauffolgenden Jahren 2021 und 2022 sei dann wieder „eine deutliche Reduktion der Abgabemengen“ ermittelt worden. Diese habe von 2020 zu 2021 100,1 Tonnen (14,3 Prozent) und von 2021 zu 2022 60,7 Tonnen (10,1 Prozent) betragen.