Einen Antrag hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag zur Beratung und Beschlussfassung im Fachausschuss und im Gremium selbst gestellt. Die Fraktion der Grünen will damit erreichen, dass eine Kennzeichnung aller sich im Landkreis befindenden Ausgleichsflächen erfolgt. Eine kleine Tafel solle jeweils vor Ort darüber aufklären, so heißt es im Antrag, „welches Ziel mit der Ausgleichsmaßnahme verfolgt wird, für welche Maßnahme der Ausgleich stattgefunden hat, in welchem Zeitraum das Ziel erreicht werden soll sowie darüber, wie lange der entsprechende Bereich diesen Schutz genießt.“
„Wir sehen zwei Linien, die uns beunruhigen. Die eine geht steil nach oben und beschreibt die steigenden Temperaturen durch den Klimawandel, die andere fällt steil ab und macht das Ausmaß des Artenschwundes deutlich. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Insekten. Seit Anfang der 90er Jahre ist die Biomasse der Insekten um mehr als 75 Prozent zurückgegangen und trotz verschiedener Aktionsprogramme ist auch nach neueren Untersuchungen keine Besserung in Sicht“, so Ellen Gause, stellvertretende Sprecherin der Kreistagsfraktion der Grünen. Das sei besonders besorgniserregend, denn die Vielzahl und Vielfalt der Insekten sei eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren der Ökosysteme. Insekten sicherten durch ihre Bestäubungsleistung den Fortbestand von mehr als 85 Prozent der Pflanzenarten. „Ohne diese Bestäubung würden wir einen Einbruch der Nahrungsmittelproduktion von ungefähr 90 Prozent erleben“, unterstreicht Gause.
Insekten sind außerdem Nahrungsgrundlage für sehr viele Tiere, so zum Beispiel Vögel, Igel, Frösche, Kröten, Eidechsen, Fledermäuse, Spitzmäuse und Spinnen. Damit bilden sie die Basis der Nahrungspyramide. Verschwinden die Insekten, verschwindet auch ein Großteil der Tier- und Pflanzenarten. „Das ist besonders in Zeiten des Klimawandels ein großes Problem, denn je weniger Arten, desto schlechter die Möglichkeit der Anpassung. Ohne Insekten läuft in Land- und Forstwirtschaft nichts. Es geht also um unsere Lebensgrundlage“, betont Gause.
Um dem Artensterben entgegenzuwirken, sind die Kommunen und Landkreise verpflichtet, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchzuführen, wenn durch Bautätigkeiten oder andere Eingriffe in die Natur Lebensraum vernichtet wird. „Flächenverbrauch führt jedoch zwangsläufig zu einem Verlust an Wohn-, Wander-, Nahrungs- und Fortpflanzungsstätten, der grundsätzlich nicht ersetzt werden kann“, unterstreicht Fraktionsmitglied Dr. Antje Oldenburg: „Wir können Fläche nicht vermehren, nur an anderer Stelle anders nutzen.“ Umso wichtiger sei die vollständige, fachgerechte Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, die im Biotopverbund wichtige Lebensräume darstellten und die Beeinträchtigungen in der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes abfedern könnten.
„Hier kommt unser Antrag ins Spiel“, erklärt Carsten Gevers, Sprecher der Fraktion im Kreistag Heidekreis: „Wir beantragen eine Kennzeichnung aller im Landkreis befindlichen Ausgleichsflächen. Eine kleine Tafel soll darüber aufklären, welches Ziel mit der Ausgleichsmaßnahme verfolgt wird, für welche Maßnahme der Ausgleich stattgefunden hat, in welchem Zeitraum das Ziel erreicht werden soll sowie darüber, wie lange der entsprechende Bereich diesen Schutz genießt.“
Seit 2009 seien die Landkreise verpflichtet, ein öffentlich einsehbares Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenkataster zu führen. Der Heidekreis habe ein solches bis heute nicht. Daher sei „eine Überprüfung und Nachvollziehbarkeit sehr schwierig“. Gevers weiter: „Unser Antrag soll auch dazu dienen, die Maßnahmen für die Bevölkerung sichtbar zu machen.“ Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die selbst etwas zum Erhalt heimischer Arten beitragen wollten, könnten wertvolle Anregungen erhalten. „Immerhin machen unsere Gärten fast fünf Prozent der Landesfläche aus und könnten zumindest ein Baustein für den Artenschutz sein“, ergänzt Oldenburg.
Allerdings seien sowohl in Privatgärten als auch in Parks und Grünanlagen, an Straßenrändern und Wegrainen und auf Ausgleichsflächen „immer wieder katastrophal falsche Pflegemaßnahmen“ festzustellen. Was für das menschliche Auge „ordentlich“ sei, bedeute für Tier- und Pflanzenarten das Aus.
Wie die Kreisgrünen monieren, sei der in den vergangenen Jahren immer mehr in Mode gekommene Einsatz von Mulchmähern nicht nur auf Ausgleichsflächen ein Problem. Unter dem Titel „Der tausendfache Tod im Mulchmäher“ sei schon 2022 im Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ darauf hingewiesen worden, dass dieses Gerät alles zerhacke, was in seine Messer gerate. Auch Müll „verschwinde“ dadurch im natürlichen Kreislauf. Eine Fläche, die mit Mulchmähern gemäht wurde, gleiche „einem Friedhof“, so Gause: „Wo eben noch Grillen zirpten und Insekten über Blüten schwirrten, herrscht anschließend Grabesstille.“
Besonders schlimm sei das Mulchmähen auf Blühstreifen und Ausgleichsflächen. Sie seien gezielt für den Artenschutz angelegt worden und stellten häufig ein Refugium in einer eher lebensfeindlichen Umgebung dar, in dem sich zunächst sämtliche Insekten und in der Folge auch Frösche, Kröten, Igel und Vögel einfänden, um dann allesamt dem Mäher zum Opfer zu fallen. Diese Praxis ist nach Aussage der drei Kreistagsmitglieder immer wieder zu beobachten: „Das hat uns alarmiert und dazu bewegt dieses Thema anzugehen und verstärkt in die Öffentlichkeit zu bringen.“ Es müsse „endlich deutlicher werden, dass viele gut gemeinte Maßnahmen eben nicht eine Verbesserung im Sinne der Artenvielfalt darstellen, sondern das Problem vergrößern. Die Gesetze zur Verbesserung von natürlichen Lebensräumen sind da, aber es fehlen Kontrollen und Aufklärung.“