„Überwiegend kooperativ und ruhig“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Bauernprotest im Heidekreis: Am vergangenen Montag insgesamt 21 Versammlungen mit etwa 900 Fahrzeugen

„Überwiegend kooperativ und ruhig“

„Wir machen Euch satt“, „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“, „Wer von der Natur leben will, muss für die Natur leben. Wir Landwirte machen dies seit Generationen!“ – Sprüche wie diese zierten die Plakate und Schilder an den Traktoren, die am vergangenen Montag in einer schier endlosen Schlange hupend durch den Heidekreis rollten, unter anderem auch mitten durch Soltau. Der eine oder andere etwas ältere Filmfreund dürfte sich angesichts der Masse an Fahrzeugen unweigerlich an den US-amerikanischen Film „Convoy“ aus dem Jahr 1978 erinnert haben, in dem Trucker Martin Penwald, CB-Rufname „Rubber Duck“, nach einigen Zwischenfällen mit korrupten Beamten einen Konvoi anführt, dem sich immer mehr Fernfahrer anschließen, sodass nach und nach ein beeindruckender Protestzug gegen Behördenwillkür und die Arbeitsbedingungen der Fernfahrer entsteht.

Bei den Protesten, die seit vergangenem Montag in ganz Deutschland Schlagzeilen machten, hatten sich zwar auch zahlreiche Lkw-Fahrer mit ihren Sattelschleppern und Aufliegern eingereiht, das Bild prägten aber insbesondere die Traktoren der Landwirte. Sie protestierten und protestieren bundesweit gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Obwohl die Ampel Teile der Kürzungen beim Agrardiesel nach Protesten bereits wieder zurückgenommen hatte, kam es in zahlreichen Städten und Gemeinden in der Bundesrepublik zu Aktionen mit Kundgebungen, Blockaden und Kolonnen, die zum Teil erhebliche Verkehrsbehinderungen zur Folge hatten. Davon war der eine oder andere, der es mit dem Pkw nicht oder viel zu spät zur Arbeit schaffte, womöglich weniger angetan. Und auch aus anderen Gründen gab es immer wieder auch Kritik am Vorgehen der Landwirte. Das „Verbrennen von Diesel“ stehe im klaren Gegensatz zum Anlass der Protestaktion war zum Beispiel ein häufiger im Internet zu lesender Vorwurf. Andere gaben zu bedenken, dass Landwirte von zahlreichen anderen Subventionen profitierten. Dabei geht es den Bauern nicht nur um Subventionskürzungen, vielmehr kritisieren sie fehlende Planungssicherheit, ausufernde Bürokratie und immer strengere Auflagen.

Und so war auch im Heidekreis große Zustimmung spür- und sichtbar, wie die Reaktionen von Passanten an den Straßenrändern zeigten. Laut Blitz-Umfrage des Institutes Forsa für das Magazin „stern“ haben 81 Prozent der Deutschen Verständnis für die Bauern. „Ich bin begeistert von dieser positiven Resonanz der Bürger. Daumen hoch, Klatschen, Winken, Tänzchen, strahlende Kinderaugen und unzählige lächelnde Gesichter wurden uns entgegengebracht. Auch ein Stinkefinger und ‚Daumen runter‘ waren zwar dabei, dieser älteren Dame haben wir ein Küsschen gesendet. Danke Soltau für diese tolle Fahrt“, schreibt eine Facebook-Nutzerin, die sich in den Protestzug im Heidekreis eingereiht hatte, in den sozialen Medien.

Dabei waren beim langen „Treck“ durch die hiesige Region nicht nur Traktoren unterwegs, denn auch Lastwagen, Fahrzeuge mit Pferdeanhängern sowie Kleintransporter waren Bestandteil der „mobilen Demo“. Zudem signalisierten Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer mit rot-weißem Flatterband an den Außenspiegeln ihre Solidarität mit den Protestlern.

Laut Polizeidirektion (PD) Lüneburg waren in ihrem gesamten Bereich am Montag insgesamt ungefähr 4.200 Traktoren und andere Fahrzeuge in Sachen Protest unterwegs. In allen betroffenen Landkreisen sei es „zu erheblichen Verkehrsbehinderungen und Einschränkungen im öffentlichen Bereich gekommen“, teilte die PD Lüneburg mit.

„Im Bereich der Polizeiinspektion Heidekreis verhielten sich die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie die Verkehrsteilnehmer überwiegend kooperativ und ruhig. Hier konnten über den Tag insgesamt 21 Versammlungen mit etwa 900 Fahrzeugen, vorrangig landwirtschaftliche, festgestellt werden“, berichtet Tarek Gibbah, Sprecher der Polizeiinspektion Heidekreis.

Rund 200 Traktoren seien am Montagmorgen von Dorfmark über Bad Fallingbostel nach Walsrode gefahren. Aus Bergen kommend habe sich ein aus etwa 300 Treckern und anderen Fahrzeugen bestehender Konvoi über Soltau und Munster auf den Straßen bewegt, „ehe dieser am Nachmittag wieder die Landkreisgrenze in Richtung Faßberg passierte.“

Alle weiteren Versammlungen hätten sich jeweils auf einen Teilnehmerkreis von maximal 30 bis 50 Fahrzeugen beschränkt. Im Bereich Munster sei es zu einer Straßenverkehrsgefährdung gekommen. Gibbah: „Ein Traktor überfuhr eine rote Ampel, sodass ein Fußgänger, der zeitgleich die Fahrbahn queren wollte, zurückweichen musste.“

Unmittelbar neben der Autobahn 27 seien am späten Nachmittag im Bereich Düshorn und Krelingen vier Strohballen in Brand gesetzt worden. „Hierdurch kam es jedoch zu keiner Beeinträchtigung des Autobahnverkehrs. Entsprechende Strafverfahren aufgrund des Verdachts der Brandstiftung wurden gegen Unbekannt eingeleitet. Zu weiteren besonderen Vorfällen ist es nicht gekommen“, so der Polizeisprecher.

Nachdem die Landwirte und ihre Unterstützer bei ihrem Protest am vergangenen Dienstag zunächst einen Gang zurückgeschaltet hatten, war für die folgende Tage wieder eine Intensivierung der Aktionen abgekündigt. Heute morgen waren schon wieder Trecker-Konvois im Heidekreis unterwegs.