„Unser Anliegen ist es, stabil zu fahren“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

„Start“ schneidet in LNVG-Qualitätsmonitor schlecht ab und will reagieren

„Unser Anliegen ist es, stabil zu fahren“

Schelte gab es für den hiesigen Bahnbetreiber auf dem sogenannten „Heidekreuz“ in den vergangenen Monaten reichlich: Zugausfälle, Verspätungen, Ersatzverkehr – und am vergangenen Dienstag ein Totalausfall durch den GDL-Streik. Letzteres ist allerdings die Ausnahme und hat nichts mit den sonstigen Schwierigkeiten zu tun, mit denen „Start Niedersachsen Mitte“ – kurz: „Start“ – seit langem zu kämpfen hat. „Ein großer Teil der Probleme ist tatsächlich auf die Fahrzeuge zurückzuführen“, erklärt Mathias Hoff. In vielen Fällen, so der „Start“-Leiter weiter, treffe das Unternehmen allerdings keine direkte Schuld: „Das kann der Güterzug sein, der noch ‚dazwischen‘ fährt, das kann ein Defekt an der Stellwerktechnik sein oder eine Baustellensituation in Hannover am Hauptbahnhof, sodass wir dort nicht pünktlich den Bahnsteig anfahren können. Es gibt viele Einflussfaktoren.“ Hoff hat jedoch volles Verständnis dafür, dass dem Fahrgast die Schuldfrage weitgehend egal sei, wenn dieser vergeblich am Gleis auf den Zug wartet oder verspätet am Ziel ankommt: „Das fällt dann meist auf uns zurück.“ Nun hat außerdem die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) erstmals einen Qualitätsmonitor veröffentlicht, in dem „Start“ gleich in mehreren Punkten schlecht abschneidet. Hoff geht auf die Kritik ein und erklärt, welche Maßnahmen der Bahnbetreiber ergreift und ab wann es besser werden soll.

„Die Nahverkehrszüge in Niedersachsen sind zuverlässiger als der bundesweite Fernverkehr – und die Pünktlichkeit hat sich in Niedersachsen 2023 leicht verbessert“, soweit die gute Nachricht der LNVG. Die schlechte: „Aber wegen Personalmangels bei Bahnunternehmen fallen viele Züge aus.“ Die Daten zu Verspätungen, Zugausfällen und fehlenden Waggons hat die Landesnahverkehrsgesellschaft jetzt für jede Linie im Bundesland in einem Bericht zusammengefasst, der auf der Webseite www.lnvg.de/qualitaetsmonitor einsehbar ist.

Die Auswertung habe ergeben, dass im vergangenen Jahr rund 86 Prozent der Nahverkehrszüge in Niedersachsen pünktlich gewesen seien: „Wir sind mit diesem Wert nicht zufrieden, er sollte über 90 Prozent liegen“, so Carmen Schwabl, Sprecherin der LNVG-Geschäftsführung. Als pünktlich gilt dabei ein Zug, der bis zu fünf Minuten Verspätung hat. Interessant für die Fahrgäste ist laut Schwabl auch ein Blick auf den Fernverkehr: „Die Deutsche Bahn (DB) hatte kürzlich für ICEs und ICs deutschlandweit einen Pünktlichkeitswert von 64 Prozent angegeben, als pünktlich wertet die DB Fernzüge, die nicht mehr als sechs Minuten verspätet sind.“ Noch unangenehmer als Verspätungen seien für Fahrgäste jedoch plötzlich ausfallende Züge: „Der Wert liegt in 2022 und 2023 bei rund vier Prozent.“

Im neuen Qualitätsmonitor stellt die LNVG die Kennzahlen „Pünktlichkeit“, „Zuverlässigkeit“ und „Zugbildung“ für alle zum Gebiet der Verkehrsgesellschaft gehörenden Linien dar. Die LNVG ist für knapp 85 Prozent der Fläche Niedersachsens für den Nahverkehr auf der Schiene zuständig, das restliche Gebiet ist dem Regionalverband Großraum Braunschweig und der Region Hannover zugeordnet.

Der Qualitätsmonitor sei zunächst auf die Linien der Verkehrsverträge unter Federführung der LNVG beschränkt, solle aber noch um Linien anderer Aufgabenträger ergänzt werden: „Mit diesem Qualitätsmonitor möchten wir mehr Transparenz für die Fahrgäste über die Betriebsqualität schaffen. Das befürworten auch einige Bahnunternehmen, um sich mit anderen vergleichen zu können“, erläutert Schwabl.

Im Vergleich fallen laut Erhebung der Landesnahverkehrsgesellschaft zwei Netze derzeit beim Blick auf die Qualität besonders auf: So habe es zum einen viele Probleme mit den „Metronom“-Verbindungen gegeben, zum anderen steche „Start“ ins Auge: „Im Bereich der LNVG sind 2023 die meisten Züge im Netz von ‚Start Niedersachsen Mitte‘ ausgefallen. ‚Start‘ – ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn – betreibt die Strecken seit Dezember 2021.“ Von Beginn an habe Start die Fahrzeuginstandhaltung nicht in den Griff bekommen, so die LNVG. „Zeitweise hat ‚Start‘ die Verbindung Uelzen – Bremen komplett mit Bussen bedient.“ Die LNVG habe bereits einen Gutachter beauftragt, um ‚Start‘ bei der Wartung der Fahrzeuge zu unterstützen. „Außerdem müsse ‚Start‘ den Ersatzverkehr und dringend die Information für die Fahrgäste verbessern“, unterstreicht Schwabl.

Aktuelle Infos veröffentlicht der Bahnbetreiber auf seiner Internetseite unter www.start-ni-mitte.de – und zwar von Verkehrsmeldungen über Fahrpläne und Änderungen bis hin zu Baumaßnahmen: „Das machen andere Mitbewerber ganz ähnlich“, meint Hoff. Der „Start“-Chef benennt als größten Sorgenfaktor des Unternehmens die Züge selbst, deren Knappheit und nicht zuletzt ihr Alter sowie entsprechende Abnutzungserscheinungen: „Die Fahrzeuge haben natürlich einen Einfluss sowohl auf Fahrtausfälle und darauf, ob wir überhaupt mit dem entsprechenden Anteil an Wagen fahren können. Das ist natürlich auch das, was die Fahrgäste merken. Aus meiner Sicht geht es aber nicht nur um das Thema Instandhaltung, sondern wir haben Fahrzeuge, die einfach ein gewisses Alter erreicht haben, die sehr viel Zuwendung und Pflege benötigen“, erklärt Hoff, der ankündigt: „Wir werden in diesem Jahr unsere Kapazitäten hochfahren, mehr Werkstattstunden zur Verfügung stellen und dabei auch externe Unterstützung nutzen, weil wir festgestellt haben, dass die Fahrzeuge einfach dauerhaft mehr Zeit und Aufwand benötigen. So soll die Fahrzeugverfügbarkeit besser werden.“

Die Züge, Baujahr 2011, hätten in den nächsten Jahren die große Hauptuntersuchung vor sich, so Hoff: „Zur Hälfte ihrer Lebensdauer werden die Fahrzeuge einmal fast komplett auseinandergenommen und wieder zusammengebaut. Das wird ab dem Jahr 2025 passieren. Doch schon ab Mai 2024 wollen wir nach und nach bis Ende des Jahres alle Fahrzeuge einer Intensiv-Instandhaltung zuführen, bei der verschiedene Komponenten und Bauteile getauscht werden.“ Aktuell habe es oft einfach an einsatzbereiten Zügen gemangelt.

Und an diesen fehle es, so Hoff: „Von den 25 Fahrzeugen benötigen wir mindestens 17 bis 19 für den Betrieb. Doch einige fallen immer wieder außerplanmäßig durch sogenannte ‚korrektive Schäden‘, die im Betrieb entstehen, aus. Durch die Intensiv-Instandhaltung wollen wir das reduzieren.“ Zielsetzung sei es laut „Start“-Chef, nach den Sommerferien wieder ausreichend Züge zuverlässig auf der Strecke zu haben. „Denn natürlich ist es unser Anliegen, wieder stabil zu fahren.“