Auch wenn die staatlichen Vorgaben immer stärker die Landwirtschaft reglementieren - den größten Einfluss auf die Ernte nimmt nach wie vor das Wetter. Da die Niederschläge im Januar und Februar jeweils über dem langjährigen Mittel lagen, konnten Äcker und Grünland mit einem guten Wasservorrat in die Vegetation starten. Wie wichtig dieser Vorrat war, wurde in den Folgemonaten deutlich, denn erneut zehrte eine Frühsommertrockenheit an den Ertragsaussichten. „Wenn jetzt der Regen käme, würden wir mit einem blauen Auge davonkommen“, sagte Jochen Oestmann, Vorsitzender des Landvolks Lüneburger Heide, kürzlich bei einem Vorerntegespräch.
Dabei sind die verschiedenen Kulturen unterschiedlich zu bewerten. „Wintergerste und Raps sind durch“, hieß es, was bedeutet: Die Kornfüllung ist abgeschlossen und jetzt geht es in die Abreife, sodass Niederschläge keinen Einfluss auf den Ertrag mehr nehmen. Mais und Rüben sind noch jung, haben dem Boden bisher wenig Feuchtigkeit entzogen und leiden keine Not. Jetzt könnte es aber zum Kipppunkt kommen, an dem auch Sommergetreide, Roggen, Weizen und Kartoffeln mit Ertragseinbußen reagieren. „Wir verzeichnen täglich Verdunstungsraten von fünf bis sieben Millimeter“, berichtete Landvolk-Geschäftsführer Henning Jensen. Das führte dazu, dass seit dem 1. März die klimatische Wasserbilanz (Niederschlag minus Verdunstung) einen Negativsaldo von 163 Millimeter aufweist. Die Bilanz war in den sechs Monaten zuvor mit 310 Millimeter positiv.
Die seit gut einem Jahrzehnt immer häufiger zu beobachtende Frühsommertrockenheit macht nach Ansicht der Landvolk-Führung eine Beregnung der Früchte zunehmend notwendig. Da die Nährstoffversorgung der Pflanzen im Frühjahr angelegt wird, muss die Kultur auch in die Lage versetzt werden, den Vorrat zu verzehren. Wird das Wachstum gehemmt, drohen unverbrauchte Nährstoffe auszuwaschen. So ist Feldberegnung neben Ertrags- und Qualitätssicherung auch eine Maßnahme zum Grundwasserschutz. Mit Hinweis auf jüngste Daten der Unteren Wasserbehörde des Heidekreises belegten die Vertreter des Landvolks, dass auch bei erhöhter Entnahme von Grundwasser zur Feldberegnung keine Überbeanspruchung der Grundwasserkörper zu erwarten sind.
Da der Wert einer Ernte sich aus Menge mal Preis zusammensetzt, ging es im zweiten Teil des Pressegesprächs um Marktbewegungen. Nach derzeit herrschenden Notierungen könnten Ackerbauern im Vergleich zum Vorjahr den dreifachen Preis für ihr Getreide erzielen. Auch wenn sich Betriebsmittel für Düngung und Pflanzenschutz um den gleichen Faktor verteuerten, dürfte sich dieser Produktionszweig aus betriebswirtschaftlicher Sicht positiv entwickeln. Knappheiten auf dem Weltmarkt sind auch auf dem Milchmarkt zu beobachten. Die Notierungen erreichten hier nie dagewesene Höhen von deutlich über 50 Cent je Liter Milch.
„Dagegen müssen Schweinehalter immer öfter die Reißleine ziehen und die Produktion einstellen“, sagte Oestmann. Hohe Futterkosten, verhaltene Nachfrage und Exportbeschränkungen machen Schweinehaltung zum Minusgeschäft.
Beim Blick in die Zukunft gerät das hoffnungsvolle Motto „Klasse statt Masse“ schon wieder in Zweifel. Mit steigender Inflationsrate scheint der Verbraucher zunehmend preissensibel einzukaufen und nach dem günstigsten Angebot zu greifen. Was nicht zu den Grundnahrungsmitteln gehört, spürt die Einschränkung am meisten, etwa bei Erdbeeren und Spargel.
Gerade bei diesen Produkten schlagen sich die erhöhten Mindestlöhne am stärksten auf die Kostenstruktur nieder. Bei der nächsten Erhöhung auf zwölf Euro pro Stunde wird eine Preiserhöhung die unmittelbare Folge sein beziehungsweise die Abwanderung der Produktion hervorrufen.
Die EU-Agrarpolitik beschert der Landwirtschaft ab 2023 ein neues Fördersystem. „100 Euro je Hektar werden uns dann fehlen“, rechnet Oestmann. Der Grund: Was vorher prämiert wurde, ist morgen Standard. „Neue Förderangebote seitens der EU und des Landes sind nur unter hohen betrieblichen Leistungen erfüllbar oder passen nur zu wenigen Betrieben.“
Gute Chancen erkennt die Landwirtschaft im Bereich der Erneuerbaren Energien. Auf den Gebieten Windkraft und Sonnenenergie gelte es jetzt, Modelle zu entwickeln, die dem ländlichen Raum zu Gute kommen.