Für viele, die ihren Abfall in die Mülltonne werfen, ist die Sache damit erledigt. Doch dann beginnt erst ein komplexer Prozeß, der zumeist auf der Deponie endet. Und selbst dann ist noch nicht Schluß, denn darauf folgt die Nachsorge - wie auf der Mülldeponie Hillern des Landkreises Heidekreis, für die die Abfallwirtschaft Heidekreis (AHK) zuständig ist. Die Deponie wird nur noch auf absehbare Zeit mit organischen Abfällen versorgt und geht danach in eine Rekultivierungsphase, die 30 und mehr Jahre dauern könnte. Doch der Landkreis und die Abfallwirtschaft Heidekreis setzen auf ein Verfahren, das diesen Zeitraum drastisch auf rund zehn Jahre reduzieren könnte. Niederdruckbelüftung heißt hier das Zauberwort - ein Verfahren, für das am vergangenen Donnerstag der Startschuß fiel. Es soll dafür sorgen, daß umweltschädliches Methan im Inneren der Deponie am besten gar nicht erst entsteht.
Fachleute und Kreispolitiker, Landrat Manfred Ostermann sowie Schneverdingens Bürgermeisterin Meike-Moog-Steffens und natürlich auch AHK-Vorstand Helmut Schäfer hatten es sich nicht nehmen lassen, aus diesem Anlaß auf der Deponie vorbeizuschauen und sich von Dr. Ing. Karsten Hupe Näheres erläutern zu lassen. Hupe ist Mitarbeiter des Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft, Hamburg (IFAS), das das Projekt betreut. Seit 1983 ist die Deponie, die eine Oberfläche von 13 Hektar und ein Volumen von rund zwei Millionen Kubikmetern umfaßt, in Betrieb, bis 2005 wurden dort die Abfälle einfach abgeladen. Seitdem allerdings wird der Hausmüll vorbehandelt. Heute geht er dafür zunächst nach Bassum, kommt dann zurück, um hier gelagert zu werden. Das geschieht in vier Baubschnitten, wobei die Bauabschnitte 1 und 2 bereits geschlossen sind und auch die Abschnitte 3 und 4 in den kommenden Monaten verfüllt sein werden: „Nur noch bis Ende 2019, Anfang 2020 wird hier Hausmüll deponiert. Danach soll es nur noch einen Bauabschnitt 5 geben, der aber ausschließlich zur Entsorgung mineralischen Abfalls dienen wird, und zwar etwa bis 2035“, erläutert Schäfer. Dann wird die Deponie komplett dichtgemacht.
Was schon bisher und auch noch in Zukunft die AHK beschäftigt, ist das, was im Inneren der Deponie aus den organischen Abfällen entsteht - umweltschädliches Methan. Das wurde seit 1996 im wesentlichen in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt und teilweise auch abgefackelt. Bereits vor einem Jahr - im Mai 2018 - wurde das BHKW abgeschaltet und abgebaut: Wegen mangelnder Methanausbeute war der Betrieb unwirtschaftlich geworden. Gleichwohl gibt die Deponie noch auf Jahre Methan ab, auch wenn sie längst nicht mehr als Deponie genutzt wird. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben muß sich die AHK darum kümmern: Nach den bisherigen Vorstellungen hieße das, vereinfacht gesagt, daß die Nachsorge 30 und mehr Jahre dauern würde - eben so lange, bis so gut wie kein Methan mehr enstünde, das abgefackelt werden könnte, mit der Gefahr, daß Methan in den Jahrzehnten auch über die Deponieoberfläche nach außen dringt.
Mit dem neuen Verfahren der Niederdruckbelüftung, so der Landrat, „wollen wir mit der Nachsorge und den Risiken schneller fertig werden. Das ist ein erheblicher Klimaschutzbeitrag der AHK.“ Tatsächlich dreht es sich bei diesem Verfahren nicht nur um die Methanentsorgung, sondern auch um die Verringung der Methanemission. Letztere, so Hupe, werde mit herkömmlichen Methoden um rund 25, mit der Niederdruckbelüftung aber um bis zu 85 Prozent reduziert.
Das alles funktioniert mit Luft: Die schon bestehenden Gasbrunnen auf der Deponie wurden auf 60 erweitert. Sie dienen jetzt dazu, Luft hineinzublasen oder abzusaugen. Dadurch wird zum einen das entstandene Methan nach außen befördert. Zum anderen wird aber auch dafür gesorgt, daß es gar nicht erst entsteht, „denn dieses Gas bildet sich beim Faulen organischer Stoffe, wenn kein Sauerstoff vorhanden ist“, erläutert Hupe. Durch das Einblasen von Luft soll das möglichst verhindert werden. Zur Anlage gehören aber auch horizontale Leitungen, über die aus dem Deponiegas kondensierernde Feuchtigkeit abgeführt wird. Das nach außen beförderte Gas wird in einer Schwachgasfackel (großer Ofen) verbrannt und die daraus gewonnene Energie ins eigene Nahwärmesystem eingespeist.
Nach ersten Entscheidungen 2016 läuft die Anlage also seit vergangenem Donnerstag. Das Investitionsvolumen lag bei knapp 1,6 Millionen Euro, davon 450.000 Euro aus Fördermitteln. Der jährliche Betrieb der Anlage werde sich auf 60.000 bis 70.000 Euro belaufen, meint Hupe. Landkreis und AHK hoffen jetzt darauf, daß sich die auf mehr als 30 Jahre angelegt Maßnahme durch das neue Verfahren auf rund zehn Jahre reduzieren läßt. Sollte dem so sein, könnten danach auf der Deponie die Rekultivierungsmaßnahmen beginnen. Insgesamt 13 Millionen hat der Landkreis dafür zurückgestellt. „Wir haben die Hoffnung und Erwartung, daß die Rekultivierungskosten günstiger sind als beim herkömmlichen Verfahren“, so Schäfer. Zuversichtlich stimmten hier die Erfahrungen mit einer Deponie im Landkreis Rotenburg/Wümme, so Hupe: „Nach sieben Jahren ist dort das Ende erreicht, und zwar deutlich günstiger als geplant.“