Sie hatten sich am vergangenen Montag auf den Weg nach Munster gemacht, um in der Panzertruppenschule in einer auswärtigen Sitzung zu tagen, Informationen aus erster Hand zu erhalten und sich in Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten auszutauschen: die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages. Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres, informierte die aus Berlin angereisten Gäste um deren Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) über personelle Strukturen und Ausstattung und insbesondere über den Weg, den die größte Teilstreitkraft der Bundeswehr im Zuge der viel zitierten „Zeitenwende“ einschlagen will. In einer statischen Waffenschau konnten sich die Politikerinnen und Politiker einen Überblick über die verschiedenen Fahrzeuge sowie Waffensysteme verschaffen und die Soldatinnen und Soldaten persönlich fragen, wo gegebenenfalls der Schuh drückt. Abschließend wurde fernab der politischen Bühne reichlich Staub aufgewirbelt, zumal die Abgeordneten mit „an Bord“ sein konnten, als Panzer- und Fahrzeugbesatzungen Fahrten durchs Gelände übten.
Am vergangenen Dienstag, also einen Tag, bevor der israelische Heeresschef in Munster erwartet wurde, folgte ein Multiplikatoren- und Pressetag in der Panzertruppenschule Munster. Vertreterinnen und Vertreter unter anderem der Presse, des Bundesrechnungshofes, des Deutschen Bundeswehrverbandes sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten erhielten wie die Politikerinnen und Politiker am Vortag einen Einblick in das Waffensystem Schützenpanzer Puma und in die neue Kategorie im Heer „Mittlere Kräfte“.
Diesmal hatte nicht der Inspekteur des Heeres den Hut auf, sondern Brigadegeneral Björn F. Schulz, Kommandeur der Panzertruppenschule Munster, der Chef der wichtigsten Ausbildungseinrichtung des Heeres für gepanzerte Kampftruppen. Schulz hatte bereits bei früheren Terminen in der Örtzestadt eine Lanze für den nach einer Reihe von Ausfällen bei einer Übung in die Schlagzeilen geratenen Schützenpanzers Puma gebrochen – und machte dies im Hörsaal erneut: „Der Puma ist mit seinen Fähigkeiten ein sensationelles Gefechtsfahrzeug und von großer Bedeutung für die Kampfkraft des deutschen Heeres“, unterstrich Schulz. Das dürfte Musik in den Ohren der mit dem Rüstungsprojekt beauftragten Industrie sein.
Apropos Musik: Schulz machte deutlich, dass ein großes Orchester nur dann gekonnt eine Sinfonie spielen könne, wenn alle Musiker da seien, jeder sein Instrument habe und der Dirigent sein Handwerk verstehe. „Wenn sich ein Streicher ständig eine Violine leihen muss, dann wird man nicht vernünftig üben können. So ist es auch im Heer“, sagte Schulz. Fahrzeuge, Material und Munition müssten in ausreichender Menge vorhanden sein. Er hob hervor, dass die Heeresführung einen klaren Plan habe, wie die Truppe im Zuge der „Zeitenwende“ aufgestellt werden müsse, aber: „Wir brauchen die Ressourcen, um unseren Auftrag erfüllen zu können.“ Und dies erfordere nach Jahren des von der Politik veranlassten Sparkurses erhebliche Investitionen – und das über das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr hinaus.
Angesichts der Fülle von zusätzlichen Aufgaben und Aufträgen stehe das Heer vor großen Herausforderungen. Schulz sprach in diesem Zusammenhang von einem „Auftragstsunami“. Obwohl der Fokus nun wieder auf die Bündnis- und Landesverteidigung gelegt werde, gebe es weiterhin die gefährlichen Einsätze im Rahmen des internationalen Krisenmanagements (IKM), so derzeit in Mali. „Dort wird geschossen, dort werden Sprengsätze gelegt“, so der Kommandeur. Hinzu komme neben der Beteiligung an der „Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) und vielen weiteren Aufgaben im Rahmen des NATO-Bündnisses aktuell insbesondere die Unterstützung der Ukraine in deren Verteidigungskrieg gegen Russland.
„Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass es ohne Landstreitkräfte nicht geht“, betonte der Brigadegeneral. Gezeigt habe sich aber auch, dass es auf dem Gefechtsfeld auf das Zusammenspiel ankomme: Soldaten, Panzer, Aufklärung, Abwehr von Luftangriffen und Drohnen, elektronische Kriegsführung, Versorgung mit Treibstoff und Munition. Logistik sei dabei das Wichtigste, „denn ohne bewegt sich nichts mehr.“ In Sachen Auftragserfüllung sei das Material „die größte Achillesferse“ und der Faktor Zeit bei der Beschaffung ein „entscheidendes Kriterium.“ Was die Unterstützung der Ukraine angehe, unterstrich Schulz, „machen wir das sehr gern und hoch motiviert. Das ist nicht die Frage.“ Allerdings seien Fahrzeuge und Ausbilder gebunden und fehlten an anderer Stelle, die Abgabe von Großgerät und Munition im großen Stil sowie von Ersatzteilen und Sonderwerkzeugsätzen reiße Lücken. Und deshalb müsse so schnell wie möglich mit der Nachbeschaffung begonnen werden. Das gelte insbesondere für das zweite Los des Schützenpanzers Puma. Gerade wegen der Abgabe von Marder-Schützenpanzern, Leopard-2-Kampfpanzern und Panzerhaubitzen 2000 an die Ukraine gewinne dieses hochmoderne Waffensystem für das Heer zunehmend an Bedeutung. Nicht zuletzt auch, weil sich auf Basis des Schützenpanzers auch andere Gefechtsfahrzeuge wie zum Beispiel Flugabwehrpanzer realisieren ließen.
Dass die Panzergrenadiere „ihre“ Raubkatze nicht mehr missen wollen, wurde in Gesprächen mit Besatzungen im Zuge der statischen Waffenschau deutlich. Ein Offizier der Panzerlehrbrigade 9 erklärte, dass „Kinderkrankheiten“ bei neu eingeführten Waffensystemen nichts Außergewöhnliches seien. Der Richtschütze einer Puma-Besatzung schwärmte von der stabilisierten Waffenanlage, die dem Schützen eine Bekämpfung von Zielen während der Fahrt ermöglicht, sowie den im Vergleich zum Marder deutlich verbesserten Optiken. Das Wort „Quantensprung“ war immer wieder zu hören.
Einen Sprung will das Heer auch in Sachen Reaktionsfähigkeit machen, nämlich mit den „Mittleren Kräften“. Mit diesen soll eine Lücke geschlossen werden zwischen den schnellen, aber wenig durchsetzungs- und durchhaltefähigen leichten Kräften und den schweren mechanisierten Kräften, die recht aufwendig zu verlegen sind. Die „Mittleren Kräfte“ sollen ausschließlich über Radpanzer und -fahrzeuge verfügen, um so gegebenenfalls möglichst schnell und aus eigener Kraft ins Einsatzgebiet gelangen können, insbesondere zur NATO-Ostflanke. Bei der Auftragserfüllung nähmen die „Mittleren Kräfte“ künftig eine Schlüsselrolle ein, berichtete Schulz.
Das A und O im Heer seien auch künftig die Soldatinnen und Soldaten. Hier müsse der Schwerpunkt in Zukunft auf „die Mobilisierung des Personals“ gelegt werden, zudem gelte es „Strukturen zu verschlanken.“ Der Brigadegeneral: „Landstreitkräfte sind Kern konventioneller Abschreckung. An ihrer Verlässlichkeit hängt die Glaubwürdigkeit des Bündnisses.“
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