GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geht Dentisten auf den Nerv | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Protestaktion: Viele Zahnarztpraxen bleiben am 28. März geschlossen

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geht Dentisten auf den Nerv

Sie warnt vor einer drohenden Unterversorgung und fordert die Rücknahme der Budgetierung: die Zahnärzteschaft. Aus diesem Grund steht am Gründonnerstag, dem 28. März, eine weitere Protestaktion in Niedersachsen auf dem Programm. Viele Praxen bleiben an diesem Tag geschlossen. Die Aktion wird vom Landesverband Niedersachsen des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ) initiiert. Die niedergelassenen Zahnärzte wollen mit dieser Maßnahme ein deutliches Warnsignal aussenden, informiert der FVDZ Niedersachsen. Die mit Nachdruck vertretene Forderung des Verbandes: „Keinem Berufsstand darf auf Dauer die Vergütung von bereits erbrachten Leistungen nachträglich vorenthalten werden!“

Es zeigt sich gerade erneut, dass nicht nur Zähne „einen Hals haben“, sondern auch diejenigen, die sich um deren Gesundheit und Erhalt bemühen. Die Proteste, die sich gegen die unterschiedlichen Vergütungen der gesetzlichen Krankenkassen richten, begannen bereits Ende vergangenen und Anfang dieses Jahres. „Durch die Wiedereinführung von Budgets, Regressen, durch Personalmangel und eine auf dem Niveau von 1988 eingefrorene privat-zahnärztliche Vergütung ist die Lage der Zahnarztpraxen seit Jahren angespannt“, teilt der FVDZ Niedersachsen mit.

Da scheint also etwas faul zu sein. Es sind offenbar Löcher entstanden, die nicht mal eben so mit einer kleinen Füllung zu schließen sind. Und deshalb setzen sich Zahnärzte und Zahnärztinnen vehement dafür ein, dass das aus ihrer Sicht bestehende Übel endlich an der Wurzel gepackt wird.

Das gilt auch für die Dentisten im Heidekreis, wie Zahnärztin Julia Münkemüller, die in Munster eine Praxis betreibt und im FVDZ-Landesverband engagiert ist, berichtet: „Aufgrund der Altersstruktur, der jüngste Zahnarzt in Munster ist Anfang 50, und den nachfolgenden Schließungen von drei Zahnarztpraxen innerhalb der vergangenen fünf Jahre ist Munster aus zahnärztlicher Sicht unterversorgt. Hieraus resultiert, dass Patienten länger auf Termine warten müssen oder vor Ort erst gar keinen Hauszahnarzt finden“, so Münkemüller.

Wie der Freie Verband Deutscher Zahnärzte mitteilt, verschärfe das von Gesundheitsminister Heiner Lauterbach im Oktober 2022 auf den Weg gebrachte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Situation derart, dass Zahnärzte aktuell befürchten müssten, für 2023 im zahnerhaltenden Behandlungsspektrum erbrachte Leistungen nicht erstattet zu bekommen beziehungsweise diese Leistungen nachträglich selbst zahlen zu müssen – „in Form von Rückzahlungsforderungen durch die Krankenkassen, dank der Budgetierung.“ Das Gesetz wurde im Oktober 2022 vom Deutschen Bundestag beschlossen und beinhaltet verschiedene Maßnahmen, die darauf abzielen, einerseits die Einnahmensituation der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) zu verbessern und andererseits die Ausgaben zu verringern. Von den Maßnahmen im Zuge der GKV-Finanzreform ist unter anderem auch die vertragszahnärztliche Versorgung betroffen, da seit dem 1. Januar vergangenen Jahres vertragszahnärztliche Leistungen wieder budgetiert sind.

Dr. Markus Braun aus Celle, Landesvorsitzender der FVDZ in Niedersachsen und niedergelassener Zahnarzt in Celle, richtet sich mit einer klaren Forderung an die Politik: „Um die Zahnmedizin für Patienten weiterhin flächendeckend gewährleisten zu können, braucht es eine wirtschaftliche Planungssicherheit für die jetzigen und im Besonderen für die zukünftigen zahnärztlichen Kollegen. Diesbezüglich hat die umgehende Entbudgetierung der Honorare oberste Priorität.“ Mit dem aktuellen Vergütungssystem könne „die Zahnmedizin nicht existieren“, die Zahnmedizin und der Berufsstand seien in Gefahr. Mit ihren Protesten fordern die FVDZ-Mitglieder die Bundesregierung auf, „dringend die Rahmenbedingungen und die finanzielle Ausgestaltung der Zahnarztpraxen zukunftsgerecht anzupassen und eine dauerhafte Planungssicherheit zu schaffen.“ Weitere Forderungen sind der Abbau der überbordenden Bürokratie im Praxisalltag sowie eine sichere, dem Datenschutz entsprechende Digitalisierung.

Zahnärztin Münkemüller aus Munster: „Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurden nicht nur die Zahnärzte, sondern auch die Haus- und Fachärzte stark in Mitleidenschaft gezogen. Budgetierungen sollten im Gesundheitswesen eines Sozialstaates und einer Industrienation als das angesehen werden, was sie sind: menschenverachtend, weil sie langfristig eine Einschränkung für die Gesundheit des Einzelnen hervorbringen.“

Münkemüller weiter: „Ich finde es erschreckend, wie viele Patienten trotz hoher Kassenbeiträge inzwischen zuzahlen müssen für Leistungen, die früher ganz normal waren. Es ist nicht so, dass die Ärzte den Hals nicht voll kriegen. Da geht es schon um Existenzen.“ Sie appelliert an die Politik, bei der Ausgabe vorhandener Gelder verstärkt das Bildungssystem und insbesondere das Gesundheitswesen in den Fokus zu nehmen: „Ich denke, man sollte seine Prioritäten überprüfen“, so die Zahnärztin. Sie ist sich sicher: „Wenn wir eine Entbudgetierung der Honorare erreichen, haben wir eine realistische Chance, dass Zahnmedizin für die Menschen wieder günstiger wird. Jeder zahlt viel in die Kasse. Da müsste deutlich mehr möglich sein.“

Sorgen macht sie sich um die zahnärztliche Versorgung in der ländlichen Region: „In Munster haben wir eine Überalterung der Zahnärzteschaft. Es ist extrem unsicher, ob Munster für junge Zahnärzte attraktiv genug ist, um die aktuell praktizierenden Praxen in zehn bis 15 Jahren übernehmen zu wollen. Die Folgen wären für die Bevölkerung sehr schwerwiegend.“

Die fünf Zahnarztpraxen in Munster beteiligen sich allesamt an der Protestaktion. Damit Patienten im Falle eines Notfalles nicht die Zähne zusammenbeißen müssen, wird, wie Münkemüller betont, am Gründonnerstag ein Notdienst eingerichtet. Welche anderen Zahnarztpraxen im Heidekreis sich an der Aktion beteiligen, vermag Münkemüller nicht zu sagen. Sie hofft aber, dass sich weitere den Protesten, die am 8. und 21. Mai dieses Jahres fortgesetzt werden, anschließen: „Man darf nicht alles abnicken. Und wir leben ja schließlich in einer Demokratie.“

Noch sei die Zahnmedizin hierzulande auf hohem Niveau. Das aber könne sich schnell ändern, befürchtet Münkemüller. Deshalb müsse alles dafür getan werden, eine vernünftige Versorgung sicherzustellen: „Es geht hier schließlich um das Wohl der Patienten!“