Rund 200 Hände schüttelten Munsters Bürgermeister Ulf-Marcus Grube und Brigadegeneral Björn F. Schulz am vergangenen Mittwochvormittag am Eingang zum Saal des Soldatenheims „Oase Zum Oertzetal“ in Munster. Traditionsgemäß hatten das Stadtoberhaupt und der Standortälteste zur sicherheitspolitischen Informationsveranstaltung eingeladen - und das Interesse war, wie in jedem Jahr, groß. Landrat Jens Grote, Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr, der Politik, der Wirtschaft, der Verwaltung, der Polizei, der Feuerwehr, der Kirchengemeinden und der verschiedensten Einrichtungen und Organisationen nutzten die Veranstaltung, um sich vor Ort über aktuelle Entwicklungen in der Bundeswehr und am Standort Munster zu informieren, aber auch, um sich in angeregten Gesprächen auf dem „kurzen Dienstweg“ auszutauschen. Vorherrschendes Thema war dabei aus Soldatensicht der russische Angriff auf die Ukraine. Bürgermeister Grube ging insbesondere auf die daraus resultierenden Folgen und Herausforderungen in der Örtzestadt ein.
In seiner Begrüßung hob Brigadegeneral Schulz einmal mehr das hervorragende zivil-militärische Miteinander in der Örtzestadt hervor. Die Übernahme seiner Aufgaben in Munster sei ihm daher leichtgefallen. „Es macht einen Riesenspaß in einer Traditionsstadt wie Munster. Hier muss man keine Türen aufstoßen, hier muss man keine Probleme wälzen“, berichtete der Standortälteste von seinen ersten Erfahrungen, die er in neuer Verwendung am größten Heeres-standort Deutschlands gemacht habe. Kurz nachdem er am 18. Februar vergangenen Jahres die Führung der Panzertruppenschule Munster übernommen habe, hätten die russischen Streitkräfte damit begonnen, ihren Angriffskrieg in der Ukraine fortzusetzen.
„Es wurde von einer Rückkehr des Krieges nach Europa gesprochen“, so Schulz, jedoch sei die Bundesrepublik auch schon zuvor, beim Auseinanderbrechen Jugoslawiens, in eine kriegerische Auseinandersetzung involviert gewesen. „Deutschland hat damals einen Luftkrieg geführt und ist mit einer gepanzerten Brigade in das Kosovo einmarschiert. Das war der erste Weckruf, den die Bundeswehr erlebt hat“, so der Brigadegeneral. Was den Krieg in der Ukraine angehe, so hätten die Ukrainer nach dem Angriff der russischen Föderation auf die Halbinsel Krim im Frühjahr 2014 umgehend damit begonnen, „ihre Wehrhaftigkeit zu verbessern. Sie haben sich militärisch neu aufgestellt. Jetzt führen sie eine Verteidigungsschlacht gegen einen zahlenmäßig bei weitem überlegenen Gegner.“
Doch was bedeutet das für die Bundeswehr, gerade vor dem Hintergrund der jüngst beschlossenen Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an das sich verteidigende Land? Schulz machte deutlich, dass die Lieferungen von Waffensystemen und schwerem Gerät an die Ukraine mit Augenmaß erfolgen müssten, damit die Bundeswehr handlungsfähig bleibe. Auch er sehe es so, dass die Ukraine „in der Tiefe des Raumes die Freiheit Europas“ verteidige. „Aber als Soldat habe ich ein großes Interesse daran, zu wissen, was wir abgeben können, was wir uns leisten können, ohne die eigene Verteidigungsfähigkeit zu verlieren. Es geht ja hier nicht nur um einzelne Panzer, sondern um umfassende Ersatzteilpakete und große Mengen Munition, die uns letztlich fehlen“, so der Standortälteste.
In Deutschland dauere es aufgrund der Fülle von Gesetzen und Regelungen lange, bis ein Panzer fertig vom Band rolle. In Ländern wie zum Beispiel China jedoch spielte etwa das Arbeitsrecht mit seinen Gesetzen, Verordnungen und sonstigen verbindlichen Bestimmungen keine Rolle: „Die machen einfach!“
Grundsätzlich müsse die Politik dafür Sorge tragen, die Soldatinnen und der Soldaten der Bundeswehr bestmöglich auszustatten und auszurüsten. Ein wesentlicher Aspekt sei und bleibe die Schulung, „denn der Soldatenberuf ist ein ausgesprochen schwieriges Handwerk.“
„Wir müssen viel intensiver ausbilden“, forderte der Brigadegeneral: „In den Krieg zu ziehen, das macht man nicht mal ‚nebenbei‘ nach einer dreimonatigen Schnellausbildung“, so Schulz, „denn die Bilanz wäre fürchterlich.“ Was passiere, wenn man Kräfte nach nur kurzer „Ausbildungszeit“ schlecht vorbereitet und schlecht ausgerüstet an die Front schicke, zeigten die erheblichen Verluste der russischen Streitkräfte nach der dortigen Teilmobilisierung.
„Wir müssen alles tun, um die Ukrainer zu unterstützen und trotzdem wehrhaft und abschreckungsfähig bleiben“, forderte Schulz. Das sogenannte Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Stärkung der Bundeswehr sei die eine Sache, die andere das Ziel, den Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Bundesrepublik auf zwei Prozent oder mehr zu steigern. Letzteres könne durchaus zu Einschränkungen in anderen Bereichen führen, was der Gesamtgesellschaft klar sein müsse. Problematisch sei, dass in der aktuellen Situation auch „viel Quatsch“ geredet werde. „Bei einer Fußball-Weltmeisterschaft sind alle Bundestrainer. Jetzt haben wir eine Vielzahl von ‚Experten‘, was das Thema Krieg und schweres Gerät angeht. Das ist gefährlich“, betonte der Brigadegeneral. Ob Raketenwerfer Mars, Panzerhaubitze 2000, Schützenpanzer Marder oder nun auch Kampfpanzer Leopard 2 - die Bundesrepublik unterstütze die Ukraine mit „herausragenden Rüstungsgütern“, für die die ukrainischen Führungskräfte, wie er selbst in Gesprächen mit diesen gehört habe, „äußerst dankbar sind.“
In diesem Zusammenhang brach Schulz eine Lanze für den neuen Schützenpanzer Puma, der wegen einer Häufung von Ausfällen in die Schlagzeilen geraten war. Da sei zwar „einiges schiefgelaufen“, grundsätzlich aber sei der Puma ein „ausgezeichneter Schützenpanzer“: „Alle Kommandanten, mit denen ich gesprochen habe, haben mir gesagt, dass sie nie wieder zum Marder zurückwechseln wollen. Der Puma ist fantastisch und wird uns noch wichtige Dienste leisten. Wir hoffen, dass wir ihn behalten können und auch künftig in den neuesten Generationen erhalten werden.“
„Munster ist die Bundeswehr - und die Bundeswehr ist Munster“ konstatierte Bürgermeister Grube im Zuge seines Rück- und Ausblicks. Nach seiner Amtsübernahme habe zunächst die Corona-Pandemie das gesellschaftliche Leben vor große Herausforderungen gestellt, nun seien „die durch die Decke gehenden Energiepreise“ ein Thema, dass viele Bürgerinnen und Bürger beschäftige und beunruhige. „Die Energiekrise zieht sich durch die Gesellschaft“, betonte der Bürgermeister. Weitere Herausforderungen seien Fachkräftemangel, steigende Materialkosten und Lieferengpässe, wie sich auch beim Bauprojekt Grundschule Breloh zeige. Gut gemeistert habe die Stadt die Aufnahme von rund 170 Geflüchteten aus der Ukraine, wobei Stadt und Ehrenamtliche Hand in Hand gearbeitet hätten: „Ein dankenswerter Einsatz, den man würdigen muss“, unterstrich Grube. Was er nicht für möglich gehalten habe: „Der Hunger ist zurück“, so der Bürgermeister und spielte damit auf die Hilferufe der Tafeln an, dass Lebensmittel teurer und knapper werden. In Munster habe es „große Solidarität“ mit der Tafel gegeben, private Initiativen, Banken und Wirtschaft hätten die Einrichtung und damit die Bedürftigen gemeinsam unterstützt. Um künftige Herausforderungen meistern zu können, gelte es, die Wirtschaft zu stärken, „damit die Steuereinnahmen nicht wegbrechen“, aber auch die Vereine und das Ehrenamt. Grube: „Ich bin optimistisch, dass wir in Munster eine gute Zukunft vor uns haben.“