„Die wohnortnahe und flächendeckende Patientenversorgung ist gefährdet wie nie zuvor. Die Stimmung der Zahnärzteschaft ist auf einem absoluten Tiefpunkt. Die Praxen stoßen täglich an ihre Grenzen und können die gewohnte Versorgung auf Dauer nicht mehr leisten – und die Politik schweigt“, so Dr. Markus Braun, einer der vielen aktiven Zahnärzte Niedersachsens, denen das Wohl der Patienten auf dem Land durch eine vollumfassende Versorgungssicherheit eine Herzensangelegenheit ist. Er ist Landesvorsitzender Niedersachsen des Freien Verbandes deutscher Zahnärzte (FVDZ). Um auf die „eklatanten Mängel der ambulanten Versorgung“ und „die verfehlte Gesundheitspolitik der Bundesregierung“ aufmerksam zu machen, werden am Dienstag, dem 21. Mai, wiederholt flächendeckend Zahnarztpraxen geschlossen bleiben. Der Dienstag wurde absichtlich im Anschluss an die Feiertage gewählt, „um“, wie es seitens des FVDZ heißt, „ein Bild der bedrohlichen Zukunft zu malen.“ Auch die Praxen in Munster machen wieder mit.
Wie ernst die Lage ist, zeigte die erste gemeinsame Bundespressekonferenz am 11. April dieses Jahres. Im Zuge dieser wurde die Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach scharf kritisiert. In der Bundespressekonferenz stellten die Spitzen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ihre Kritikpunkte an der Gesundheitspolitik dar. Alle vier eint die Sorge, ob die Menschen in Deutschland auch in Zukunft noch flächendeckend und wohnortnah Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheken finden werden. Ohne unmittelbare politische Weichenstellungen seien dramatische Versorgungslücken zu erwarten. Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV, unterstreicht: „Eine flächendeckende zahnärztliche Versorgung, wie es sie bislang gab, ist unter den desaströsen politischen Rahmenbedingungen kaum noch zu gewährleisten.“
„Weil Zahnärzte keine Nachfolger mehr finden und ihre Praxen einfach schließen, werden sich nicht nur die Anfahrtswege der Patienten zu ihrem Hauszahnarzt sich um viele Kilometer erhöhen, auch die Notdienstpraxen werden ein größeres Einzugsgebiet abdecken müssen. Für den Landkreis Heidekreis gilt aktuell eine Aufteilung der Notdienste auf den Nord- und den Südkreis. Falls Nord- und Südkreis zusammengelegt werden müssen, aufgrund der geringen Zahnarztdichte, werden Patienten zwischen Schneverdingen und Schwarmstedt versorgt werden müssen“, befürchtet Zahnärztin Julia Münkemüller aus Munster.
Die Örtzestadt werde es besonders hart treffen: die Altersstruktur der noch aktiven Zahnärzte liege zwischen Anfang 50 und Mitte 60. In den nächsten zehn Jahren werde sich die Zahl der fünf Praxen halbieren, sollte es keine Nachfolger geben.
„Der derzeit bestehende Zahnärztemangel in vielen ländlichen Regionen führt schon jetzt dazu, dass Patienten länger auf Termine warten müssen oder erst gar keinen Hauszahnarzt finden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Zahnarztpraxen niedersachsenweit um 700 Praxen reduziert. Und das Praxissterben wird weitergehen“, erläutert Dr. Gabriel Magnucki, Fortbildungsrefent der Zahnärztekammer Niedersachsen. „Die Zahl der Zahnarztpraxen niedersachsenweit lag 2014 bei 4039. Im Jahr 2024 gibt es in Niedersachsen nur noch 3347 Zahnarztpraxen“, so Magnucki weiter. Und Dr. Markus Braun: „In den nächsten fünf Jahren bleibt zu befürchten, dass weitere 30 Prozent der Kollegen ohne Nachfolger in den Ruhestand gehen werden.“