Erst „wütendes Obst“, dann zu Helen Dorn und den „Pfefferkörnern“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Lil Paulin Heinecker aus Schneverdingen voller Elan auf dem Weg in die Schauspielbranche

Erst „wütendes Obst“, dann zu Helen Dorn und den „Pfefferkörnern“

„Lil Paulin Heinecker – die ersten beiden Wörter, die mir bei dir in den Sinn kommen, sind: eine Erscheinung“, sagte Schauspieler und Dozent Roberto Rigamonti am Freitag, dem 30. August, im Hamburger Schauspiel-Studio Frese. Dort überreichte er der 23-jährigen Schneverdingerin nach ihrer dreijährigen Ausbildung in der staatlich anerkannten, privaten Berufsfachschule in Hamburg, die Schauspielerinnen und Schauspieler für Theater, Film, Fernsehen und Synchronsprechen ausbildet, nach erfolgreichem Abschluss das begehrte Diplom. Das Studio gilt mit mehr als 62 Jahren Lehrerfahrung als älteste Schauspielschule der Hansestadt – und Roberto Rigamonti ist dort für die Sprecherziehung zuständig. Der Dozent outete sich bei der Abschlussgala als Fan der Heidjerin. Die frischgebackene Schauspielerin habe „Rhythmus im Blut, unfassbar viel Talent“ und „einen Optimismus und eine Leichtigkeit, die bewundernswert sind.“ Inzwischen hat Heinecker schon einige „Drehs“ hinter sich und für sie wertvolle Erfahrungen in der Branche gesammelt, traf bekannte Darstellerinnen und Darsteller wie Anna Loos, Heino Ferch und Andrea Sawatzki. Was sind die Ziele und Träume einer jungen Schauspielerin aus dem Heidekreis?

Bestens gelaunt begrüßt die junge Schneverdingerin den Vertreter des Heide-Kuriers im Heidecafé in Schneverdingen, das ihre Mutter Silvia Karolin Heinecker dort bereits seit 1998 erfolgreich betreibt. Die Tochter kennt sich bestens aus, hilft sie doch immer wieder gern, wenn „die Hütte voll“ ist. Der nett angebotene Cappucino wird routiniert und mit einem freundlichen Lächeln auf den Tisch gestellt, dann kann es auch schon losgehen mit dem Interview.

Ihre Begeisterung für Musik, Tanz und öffentliche Auftritte spürte Lil Paulin Heinecker schon im zarten Alter von drei Jahren, nämlich als „Mini-Mitglied“ der Kindervolkstanzgruppe „Danzmüüs“ aus Hemsen. Wie ihr ihre Eltern später berichteten, sei sie bei den Auftritten auf dem Theeshof und beim Heideblütenfest schon als „kleiner Zwerg“ als Taktgeberin aufgefallen. Und so ging es dann zur musikalischen Früherziehung. „Ich habe damals mit Blockflöte angefangen, aber das bereitete mir Bauchschmerzen, das war absolut nicht meins“, sagt die 23-Jährige. Der Wechsel an das Schlagzeug ließ nicht lange auf sich warten – und nach wie vor ist die Schneverdingerin eine begeisterte Drummerin, also nach wie vor eine Taktgeberin. In der Grundschule am Pietzmoor spielte sie in der 3. oder 4. Klasse erstmals in einem Theaterstück mit. „Da war ich eine trommelnde Ente. Die Verbindung von Musik und Theater hat mir früher schon viel Spaß gemacht“, sagt Heinecker. Und so war es kein Wunder, dass sie sich später an der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Schneverdingen auf dem Weg zum Abitur in der seinerzeit noch „neuen“ Theater-AG engagierte. Dort hatte sie eine Rolle im „Highshool-Musical“ und einen nach ihren Worten „zickigen Charakter“ zu verkörpern. „Das war damals lange Thema an der Schule, denn viele haben gedacht, ich wäre wirklich so“, lacht die Schneverdingerin. „Aber es hat Spaß gemacht, vor ausverkauftem Haus aufzutreten, da habe ich wohl Blut geleckt.“ Dieser Eindruck verstärkte sich bei der Aufführung der Theatergruppe „Die Zeitlosen“ im Jahr 2017 beim Festspiel anlässlich des Heideblütenfestes im Höpen. „Vor tausenden von Leuten zu spielen, das war noch einmal etwas anderes. Ich habe gemerkt, dass die Freude, da auf die Bühne rauszugehen, die Nervosität und das Lampenfieber überwiegt und mir das großen Spaß macht.“

Es folgten weitere Auftritte mit der Band des Kulturvereins Schneverdingen, in Breidings Garten, Theateraufführungen wie „Melo‘s Eck“ oder „Hauptgewinn: Liebe“ sowie mit dem Orchester der Heidekreis-Musikschule. In letzterem hatten Astrid und Andree Maas das Talent aus „Snevern“ unter ihren Fittichen. „Da ist dann mal der Satz gefallen, dass ich eine ‚Rampensau‘ bin“, so Heinecker, „daran muss ich immer mal wieder zurückdenken.“ Bereits vor dem Abitur sei ihr klar gewesen, dass sie versuchen wolle, ihr Glück in der Schauspielbranche zu versuchen. Die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule in Hamburg, die sie im Februar 2021 absolvierte, fand wegen der Corona-Pandemie unter erschwerten Bedingungen statt – mit gutem Ausgang für Heinecker, die somit in die Ausbildung einstieg. Drei Jahre pendelte sie von Schneverdingen in die Hansestadt. Im Schauspiel-Studio Frese gab es Sprech-, Schauspiel- und Szenenunterricht. Auch Körpertraining, Bühnenfechten und Tanztraining standen auf dem „Stundenplan“. Beim darstellenden Spiel zum Beispiel waren Spontanität und Kreativität gefordert. „Einmal mussten wir Obst und eine Emotion in Einklang auf der Bühne darstellen. Da musste man sich schon etwas einfallen lassen. Ich war eine wütende Pflaume“, lacht die blonde Schneverdingerin.

„In meinem Semester waren wir elf Leute, alle mit unterschiedlichen Biografien. Ich war eine der jüngsten, die Älteste war 29. Während der Ausbildung haben wir viel Theater gespielt. Dort muss man ganz anders als vor TV-Kameras agieren. Beim Fernsehen spielt man zurücknehmender und spricht viel leiser“, berichtet die 23-Jährige.

In Kooperationen mit anderen Hochschulen wirkten die Schauspieler dann in verschiedenen Kurzfilmproduktionen mit. Diese Arbeiten, ihr Engagement für die Schauspielerei bei Instagram und die Auftritte im Theater führten letztlich dazu, dass die etwas mehr als 1,75 Meter große Schneverdingerin bei der Gala der Immenhof-Filmpreise im Jahr 2022 für ihr Schaffen in Film, Theater, Musik und sozialen Medien als Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet wurde (HK berichtete). Dort lernte sie Schauspieler Heino Ferch und dessen Agentin kennen, was sich als glückliche Fügung herausstellen sollte.

Nach der Preisverleihung wurde Lil Paulin Heinecker am Galaabend auf ihr musikalisches Talent angesprochen und gefragt, ob sie denn zum Abschluss des offiziellen Teils nicht am Schlagzeug der Band gemeinsam mit den Musikern ein, zwei Lieder spielen wolle. Die Schneverdingerin ließ sich nicht lange bitten und begeisterte gemeinsam mit den Profis das Publikum. Anschließend kam Heinecker mit einer Frau ins Gespräch, die sie bis dato nicht kannte.

Wie sich später herausstellte, war dies die Agentin von Heino Ferch. „Wir haben abends noch mit ihr zusammengesessen und da habe ich sie vorsichtig gefragt, ob ich mich in zwei Jahren nach der Beendigung meiner Schauspielausbildung bei ihr melden dürfte. Sie fragte mich, warum ich so lange warten wolle, ich möge dies doch bitte sofort tun und ihr ein sogenanntes ‚about me‘-Präsentationsvideo zur Agentur schicken. Das habe ich am nächsten Tag gemacht. Dann bekam ich einen Anruf von ihr, dass sie mich in ihrer Agentur aufnehmen wird. Ich war gerade erst ins dritte Semester gekommen. Dann schon einen Preis zu erhalten und in eine so renommierte Agentur aufgenommen zu werden – das war wie in einem Traum“, erinnert sich die Schauspielerin und strahlt dabei über das ganze Gesicht. „Ich bin seitdem in dieser Agentur und habe schon viele interessante Anfragen bekommen, unter anderem für die Netflix-Produktion ‚Die Kaiserin‘ und die Serie ‚Maxton Hall‘ auf Amazon Prime“ berichtet Heinecker, die in ihrer Agentur Management Goldschmidt Berlin als Lil Paulin geführt wird.

Wie läuft so etwas ab? Ein klassisches Vorsprechen, Live-Castings, gibt es seit Corona in der Branche eher selten, was die junge Mimin sehr bedauert. Inzwischen reichen die Schauspielerinnen und Schauspieler überwiegend bei sogenannten E-Castings selbst gedrehte Videos ein. „Das frisst sehr viel Zeit und oft braucht man jemandem, der den Part einer anderen Rolle übernimmt und die Stichwörter gibt“, so die Schneverdingerin: „Wenn man sein Video eingereicht hat, dann kann es sein, dass sich jemand meldet. Oft ist es aber so, dass man nie wieder etwas hört.“ Bei den beiden genannten Produktionen der Streaming-Anbieter hat es nicht geklappt, es kam nicht zur Besetzung. Auch vonseiten der Macher der ZDF-Krimireihe „Nord Nord Mord“ hatte es eine Anfrage gegeben, doch auch daraus wurde nichts. „Man erfährt nicht, woran es gelegen hat. Das muss man dann erstmal verarbeiten können. Natürlich spielen, Größe, Alter und Aussehen bei der Besetzung eine wichtige Rolle“, berichtet die 23-Jährige.

Die Caster suchen auf speziellen Internetseiten nach passenden Gesichtern, zum Beispiel auf www.filmmakers.eu, auf der auch Heinecker vertreten ist. Dort sind neben sämtlichen Daten über Aussehen, Figur und bisher gespielte Rollen auch sogenannte Showreels zu finden, kurze Videos, über die sich die Suchenden schnell ein Bild von den Schauspielerinnen und Schauspielern machen können. „Wenn man länger vergeblich E-Castings macht und keine Resonanz bekommt, dann kommt man schon mal ins Grübeln, ob es überhaupt richtig war, diesen Weg einzuschlagen“, sagt Lil Paulin.

Sie konnte sich allerdings über, wie sie sagt, „Lichtblicke freuen.“ Nach ihrer Mitwirkung in Kurzfilmen wie „Safe Space“, der auf einem Filmfestival ausgezeichnet worden ist, ergatterte sie eine Nebenrolle in der ZDF-Krimiserie Helen Dorn. Die Namensgeberin wird verkörpert von Anna Loos. „Ich habe ein kurzes Foto mit ihr gemacht, auch Ralf Bauer war dort. Beide waren sehr nett und herzlich“, so die Schauspielerin mit den grünen Augen und strahlt einmal mehr. Zwar hatte sie früher bereits als Komparsin in Produktionen wie „Rote Rosen“ mitgewirkt, um TV-Luft zu schnuppern. Krimireihen wie Helen Dorn sind allerdings ein anderes Kaliber. „Ich war zum ersten Mal auf einem derart riesigen Set. Das war beeindruckend und ich habe sehr viel gelernt“, schwärmt Heinecker. Doch das ist nicht alles: Eine weitere Nebenrolle spielt die Schneverdingerin in der Produktion „Reisen mit Muddi“, in der Andrea Sawatzki die Hauptrolle spielt.

„Das Schöne war, dass ich ohne Casting sofort besetzt wurde. Gedreht haben wir in Wismar. Ich hatte sogar einen eigenen Fahrer, der mich vom Bahnhof abgeholt hat. Gedreht haben wir direkt vor meiner Abschlussaufführung in den Hamburger Kammerspielen. Ich kam abends zurück und stand am nächsten Abend schon wieder auf der Bühne“, so Lil Paulin. Und dann wurde sie auch noch für eine Episoden-Hauptrolle in der Kinder-Krimi-Serie „Die Pfefferkörner“ verpflichtet. „Reisen“ mit Muddi“ wird voraussichtlich in diesem Jahr zur Weihnachtszeit ausgestrahlt, die „Pfefferkörner“-Folge Nummer 270 wird wohl im Frühling kommenden Jahres im TV laufen.

„Ich bin bei null gestartet – und eigentlich geht in der Branche ohne gute Kontakte fast nichts“, freut sich die Schauspielerin, dass es für sie derzeit gut läuft. Dankbar ist sie vor allem ihren Eltern, „die mich immer unterstützt haben. Nie hieß es ‚Du musst!‘ Ich konnte alles aus freien Stücken machen.“