Er lacht fröhlich und leicht errötet, der Paarhufer, der mit seinen vier Beinen auf einem dicken Wälzer steht und das Cover der Chronik ziert, die der Kulturverein Schneverdingen jetzt aus Anlass seines 50-jährigen Bestehens veröffentlicht hat. Den Bock zum „Titel-Star“ gemacht hat kein geringerer als Cartoonist Tetsche, der bekannte Hutträger, der früher im Schneverdinger Dorf Insel gelebt hat, jetzt im Alten Land wohnt und sich der Kultur im Heidekreis nach wie vor verbunden fühlt. Und den dazu passenden Buchtitel hat er, wie auch die Rückseite des Schutzumschlages, ebenfalls beigesteuert: „Bock auf Buch“. Die laut Tetsche „pralle Chronik zum Lesen, lachen, lieben!“ haben Frank Stieper und Lena Lohmann in monatelanger Arbeit erstellt. Autor und Designer Stieper ist selbst seit vielen Jahren im Kulturverein engagiert, Lohmann als Eventmanagerin für die Kulturschaffenden tätig. Am vergangenen Donnerstag stellen die beiden in der Kulturstellmacherei das vor, was sie mit viel Liebe und Kreativität in Buchform gegossen haben. Mit von der Partie: Kulturvereinsvorsitzender Dr. Carsten Bargmann, Geschäftsführerin Dorothee Schröder und Vorstandsmitglied Christian Wildtraut.
Gegründet wurde der Kulturverein Schneverdingen am 1. März 1972. Eine ursprünglich angedachte Feier des Jubiläums wurde pandemiebedingt gestrichen, „aber wir haben uns dazu entschieden, eine Chronik zu machen, schließlich ist das auch ein Stück weit Schneverdinger Geschichte“, berichtet Bargmann. Er freue sich sehr, unterstreicht der Vorsitzende, dass es gelungen sei, Stieper und Lohmann für die anspruchsvolle Arbeit zu gewinnen: „So etwas schreibt man ja nicht mal eben so in zwei bis drei Wochen. Ohne die beiden wäre das Ganze nicht möglich gewesen“.
„Ich mag Chroniken generell nicht“, sagt Stieper in der fröhlichen Runde und lacht. Das heißt jedoch nicht, dass die Verantwortlichen den Bock zum Gärtner gemacht haben. Im Gegenteil: Als sich der Autor im März des vergangenen Jahres erste Gedanken zur Konzeption des Projektes machte, war recht schnell klar, dass es keine Chronik „von der Stange“ geben werde. Textwüsten, schlechte Kopien und eine Fülle von Schwarz-Weiß-Fotos – all dies sollte, so Stieper und Lohmann, tunlichst vermieden werden. Aber auch darüber hinaus haben die „Chronisten“ ausgetretene Pfade verlassen. „Wir wollten unter dem Arbeitstitel ‚Liebeserklärung an den Verein‘ etwas Besonderes machen“, unterstreicht die Eventmanagerin.
Und das fängt schon beim Format an, das mit seinen 24x22 Zentimetern von den Maßen „herkömmlicher“ Bücher abweicht – und das aus gutem Grund. „Die Chronik gehört nicht in ein Bücherregal, sondern auf den Wohnzimmertisch“, erklärt Lohmann. Bewusst sei auch auf ein hartes Cover verzichtet worden. „Dieses Buch soll man durchblättern“, sagt die Schneverdingerin.
„Als wir angefangen haben, gab es schon am ersten Abend Ideen. Außerdem hatten wir eine Liste, was alles in der Chronik enthalten sein sollte. Wir haben ein Konzept erstellt und dem Vorstand präsentiert. Dann begann die eigentliche Arbeit“, berichtet Stieper. Zuvor hatten sich er und Lohmann diverse „Negativbeispiele“ angesehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das fertige Produkt auf gar keinen Fall aussehen sollte. „Wir wollten den aktuellen Lesegewohnheiten Rechnung tragen – modern, ansprechend und unkonventionell“, erläutert Lohmann. Wichtig war den Machern auch, interaktive, multimediale Elemente „einzubauen“. Und so finden sich auf den Seiten auch kleine Gimmicks und immer wieder mal QR-Codes, über die die Leserinnen und Leser nach dem Einscannen mit dem Mobiltelefon unter anderem zu Kurzfilmen, Konzertaufnahmen und Interviews gelangen.
Viel Arbeit war es, das Pressearchiv des Kulturvereins zu durchforsten, Unterlagen und Protokolle zu sichten und mit Zeitzeugen zu sprechen. Einiges an Material fand sich auf Dachböden und in Kellern. Zahlreiche Mitglieder haben Erinnerungen und Anekdoten beigesteuert und eigene Texte verfasst. Natürlich wird die Geschichte der Kultur in Schneverdingen beleuchtet, breiten Raum nimmt die Gegenwart mit einer Fülle von größeren und kleineren Veranstaltungen des Vereins ein. Garniert wird das Ganze mit interessanten Zahlen, Daten und Fakten, zum Beispiel zur Entwicklung der Mitgliederzahlen, zu den „Promis“, die in Schneverdingen auftraten, zu den verschiedenen Veranstaltungsorten und den Veranstaltungen mit den meisten Besuchern. Natürlich dürfen auch Grußworte nicht fehlen.
Meilensteine wie die Eröffnung der Kulturstellmacherei in der Oststraße, das „LichtSpiel“-Kino und das Neubauprojekt Kulturhaus in der Stadtmitte sind ebenfalls Thema, ebenso die schwierige Zeit in der Corona-Pandemie. Und wer wissen möchte, was Kabarettist Dieter Hildebrandt nach seinem Auftritt in der Heideblütenstadt im Gasthaus „Löwenbräu“ gemacht hat, wird ebenfalls eine Antwort auf diese Frage erhalten. So viel sei verraten: Er schob damals keine ruhige Kugel. Das haben auch die Verantwortlichen des Kulturvereins nicht vor. „Wir machen das so lange weiter, wie es uns Spaß macht. Begeisterung und Leidenschaft dafür müssen da sein“, sagt Bargmann. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, als der Kulturverein vor rund 20 Jahren fast am Ende war, nur noch knapp 90 Mitglieder hatte und lediglich vier Veranstaltungen pro Jahr auf die Beine stellte.
„Da war fast nichts mehr“, so Bargmann. Damals hätten Hartmut Fach und er von den Sorgen des Kulturvereins gehört und sich im Rahmen eines Urlaubs in Italien Gedanken darüber gemacht, das Schiff wieder auf Kurs bringen zu wollen. Gemeinsam mit Axel Baumung und weiteren Mitstreitern und Mitstreiterinnen sei dies dann auch gelungen. „Das war eine kontinuierliche Entwicklung. Inzwischen machen wir bis zu 270 Veranstaltungen pro Jahr, haben rund 1.200 Mitglieder und einen Vorstand mit etwa 35 Beiräten. Bei Großveranstaltungen wie der Kulturnacht können wir auf bis zu 120 Helferinnen und Helfer zurückgreifen“, so der Vorsitzende.
Mit der Eröffnung der Kulturstellmacherei im Jahr 2009 und der Einstellung von Dorothee Schröder als hauptamtliche Geschäftsführerin im Jahr 2013 habe der Kulturverein die Weichen richtig gestellt. Und mit dem Bau des Kulturhauses in der Stadtmitte und der Beschäftigung von Lena Lohmann als Eventmanagerin solle die Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden. Dabei helfe die Kontinuität im Vorstand und das vielfältige Fachwissen der Mitglieder.
„Ein Kulturverein dieser Größenordnung ist schon fast eine Firma. Da braucht man die entsprechenden Strukturen - vom Architekten über das Controlling bis hin zur Buchhaltung“, erklärt Bargmann. Zudem gebe es eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt und deren Verwaltung. „Diese Unterstützung hat einen großen Anteil an unserem Erfolg“, hebt er hervor. Nun habe sich der Vorstand auf die Fahnen geschrieben, weitere Mitglieder für die Arbeit im Kulturverein zu gewinnen: „Wir sind immer offen für neue Ideen und alle, die sich engagieren möchten – egal ob 15 oder 95 Jahre alt.“
Neben dem „laufenden Geschäft“ richten die Verantwortlichen des Vereins ihr Augenmerk jetzt ganz besonders auf den Bau des Kulturhauses, das bislang größte Projekt der Kulturschaffenden. Läuft alles nach Plan, so Architekt Christian Wildtraut, „dann soll es im Frühjahr 2024 fertig sein.“
Zunächst aber gilt es, die Chronik an den Mann und die Frau zu bringen, an der neben den genannten Beteiligten auch Corbin John (Illustrationen) und Regisseur Andreas Schütte (Videos) mitgearbeitet haben. Die meisten Stunden indes dürfte Frank Stieper in die Fertigstellung investiert haben. „In den vergangenen Monaten habe ich nach Feierabend, an den Wochenenden und nachts daran gearbeitet“, so der Autor. Ein Engagement, dass der Vorstand mit einem ganz besonderen Präsent zu würdigen wusste. Neben einigen Gutscheinen freute sich Stieper über ein außergewöhnliches „Ticket“: Er darf „lebenslang“ alle Veranstaltungen des Kulturvereins zum Nulltarif besuchen.
Apropos Präsent: Bargmann weist darauf hin, dass sich die Chronik natürlich hervorragend als Geschenk eigne. Das hat auch Tetsche auf der Rückseite des Buches in der für ihn typischen humorvollen Art aufgegriffen: „Dieses Buch kann man sich schenken.“
Erhältlich ist die Chronik in der Kulturstellmacherei, bei der Schneverdingen-Touristik, in der Buchhandlung Vielseitig und über die Internetseite des Kulturvereins unter https://www.kulturverein-schneverdingen.de.