„Wer soll das bezahlen?“ heißt es im gleichnamigen Karnevalslied aus dem Jahr 1949 von Jupp Schmitz und Kurt Feltz. 74 Jahre später stellen sich diese Frage immer mehr Bürgerinnen und Bürger angesichts der Fülle von Gesetzespaketen, mit deren Hilfe die Bundesregierung die Energiewende schaffen will und dabei mächtig auf die Tube drückt. Hausbesitzer und Mieter haben Sorgenfalten auf der Stirn, nicht wenige Menschen fürchten um ihre Altersvorsorge. Aber auch Verwaltungsspitzen und -mitarbeiter machen sich zunehmend Gedanken, werden den Kommunen vom Bund doch einmal mehr zusätzliche Aufgaben aufgebürdet. Weil sich die Bundesregierung auf die Fahne geschrieben hat, die Treibhausgasemissionen in der Bundesrepublik bis 2045 zu neutralisieren, müssen sich die Kommunen Gedanken über die zukünftige Wärmeversorgung machen. Die Stadt Schneverdingen geht das Ganze nun als bislang wohl einzige Kommune im nördlichen Teil des Heidekreises mit der Erarbeitung eines integrierten energetischen Quartierskonzeptes an.
Im Bundesland mit dem Pferd auf dem Wappen wird das Ziel Klimaneutralität besonders ambitioniert angesteuert, soll diese in Niedersachsen doch bereits im Jahr 2040 erreicht werden. Ein wichtiges Instrument ist dabei die in der entsprechenden Gesetzesänderung verankerte „Kommunale Wärmeplanung“. Mittel- und Oberzentren sind verpflichtet, eine solche bereits bis zum Jahr 2026 zu erstellen. Die Stadt Schneverdingen ist zwar Grundzentrum, möchte sich nichtsdestotrotz rechtzeitig auf den Weg machen, um die Weichen in Richtung Wärmewende und langfristige Versorgungssicherheit zu stellen. Das insbesondere auch, weil sie ihre kommunale Wärmeplanung mit Fördergeldern, die sie beantragt hat, in Angriff nehmen kann, nämlich 100.000 Euro. 75 Prozent trägt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), 20 Prozent das Land und fünf Prozent die Stadt Schneverdingen. Das Geld fließt nun in die Erarbeitung des Quartierskonzeptes. Dazu ist im Zentrum der Stadt eine 54 Hektar große Fläche definiert worden. In diesem Bereich befinden sich unter anderem das Heidjers Wohl, die Kooperative Gesamtschule (KGS) und die Grundschule am Osterwald sowie natürlich zahlreiche Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser. Innerhalb des Quartiers erfolgt eine äußere Begutachtung der Gebäude, zudem geht es darum, sich einen Überblick über etwaige Baualtersklassen und Sanierungsstände zu verschaffen.
Die Stadtverwaltung hat die Heidjers Stadtwerke und den Landkreis als Träger der KGS ins Boot geholt und die deutschlandweit tätige Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (DSK) mit der Erarbeitung des Konzepts beauftragt. Besonders wichtig sei es, so Bürgermeisterin Meike Moog-Steffens, „die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen.“ In der Heideblütenstadt gebe es seit mehr als zehn Jahren einen gut funktionierenden Bürgerbeteiligungsprozess. Und dieser solle sich nun auch bei der Erarbeitung des Quartierkonzeptes bewähren.
Die DSK hat bereits mit der Datenerhebungsphase begonnen, wobei die Daten, über die die Stadt verfügt, in die Bestandsaufnahme einfließen. Ein großer Vorteil ist, dass die Heidjers Stadtwerke mit von der Partie sind. „Wir können auf unsere Netz- und Versorgungsdaten zurückgreifen“, sagte deren Geschäftsführer Martin Hack. Der Wärmewende-Prozess stelle Verwaltung und Stadtwerke vor enorme Herausforderungen, machte Hack deutlich. Er sprach von einer „long- term activity“, also einer langfristigen Aktivität, wobei es in Zeiten des Fachkräftemangels auch um die Verfügbarkeit von Unternehmen gehen werde. Hack erklärte, dass die Stadtwerke mit Blick auf die Wärmewende bereits jetzt bei der Erneuerung von Leitungen darauf achteten, diese für künftige Maßnahmen vorzubereiten.
Zur Datenerhebung hat das Team der DSK auch Begehungen vor Ort vorgesehen. Die Stadt Schneverdingen hat die betroffenen Haushalte angeschrieben, damit sich niemand wundert, wenn jemand am Gartenzaun steht und sich Notizen macht. „Wir sehen uns die Häuser und Gebäude an und überlegen individuell, welche Maßnahmen sinnvoll wären. Danach werden Prioritäten gesetzt“, erklärte Saskia Bouyahia von der DSK: „Fakt ist: Wir müssen das Klima schonen. Das ist nicht nur ein Wunsch, sondern klare Vorgabe.“
Bei der Bestandsaufnahme geht es unter anderem auch darum, zu ermitteln, wie viele Menschen innerhalb des Quartiers leben und wie diese mit Energie versorgt werden, ob sich dort denkmalgeschützte Gebäude und Gewerbetreibende befinden und wie viele Grünflächen vorhanden sind.
Ziel ist es, den Istzustand zu erfassen, um daraus Potenziale für Maßnahmen abzuleiten. Im Fokus der Stadt stehen dabei Maßnahmen, die ohne oder mit geringen Mitteln realisiert werden können und trotzdem einen hohen Effekt haben. Generell soll dabei auch geprüft werden, ob ein Nah- oder Fernwärmenetz initiiert werden kann. Die Grünflächen werden erfasst, weil sie Einfluss auf das spezifische Mikroklima haben.
Nach der Bestandsaufnahme sieht die DSK die Bewertung der energetischen Lage vor, die Erstellung des Konzepts, die Entwicklung von Maßnahmen und eine konzeptionelle Zusammenführung des Ganzen. Die Ergebnisse werden in einem Abschlussbericht präsentiert.
„Viele Bürgerinnen und Bürger, egal ob Mieter oder Vermieter, machen sich Sorgen. Sie wollen wissen, wie sie in Zukunft mit Energie versorgt werden und was das kostet – auch in den zehn Ortschaften“, sagte Moog-Steffens. Gerade deshalb sei es wichtig, die Bürger rechtzeitig mit ins Boot zu holen. Wie Laura Glock und Saskia Bouyahia von der DSK erklärten, werde es Ende Juni eine öffentliche Informationsveranstaltung mit Workshop-Teil geben, eine weitere Veranstaltung dann voraussichtlich im September dieses Jahres.
Begleiten wird den Prozess eine Lenkungsgruppe, in der laut Moog-Steffens neben Vertretern der Verwaltung und der Stadtwerke auch Vermieter, Besitzer von Einfamilienhäusern und ein Vertreter der Interessengemeinschaft Handel und Gewerbe (IHG) vertreten seien.
Wer Fragen zum Thema hat, kann sich an die Klimaschutzmanagerin der Stadt Schneverdingen wenden. Lara-Esther Backeberg ist unter der Telefonnummer (05193) 93618 sowie per E-Mail an die Adresse lara-esther.backeberg@schneverdingen.de.