„Wir wollen Fantasie hörbar machen“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Autor und Komponist Frank Stieper aus Schneverdingen gründet mit Tina Zehetmaier eigenes Label für Audio-Books

„Wir wollen Fantasie hörbar machen“

„Talent ist keine Glückssache, sondern der starke Wille, seine wahren Leidenschaften zu entdecken, an sie zu glauben und konsequent zu entwickeln“ – ein Zitat des deutschen Portraitkarikaturisten Andreas Otto. Es lässt sich hervorragend auf einen Schneverdinger beziehen, der nicht nur mit einem Talent gesegnet ist: Frank Stieper. Der gebürtige Lübecker ist gelernter Buchhändler sowie Komponist und Schriftsteller und kennt sich bestens mit Computern und Software aus. Seit 1987 schreibt er Kinderlieder, Kinder- und Jugendbücher und hat zudem diverse Computerfachliteratur veröffentlicht. Seit mehr als zehn Jahren ist er hauptberuflich bei der „hagebau“ in Soltau tätig, zunächst als Softwareentwickler und inzwischen im Bereich Marketing. Neben dem Engagement im Job, der Ehefrau und den beiden erwachsenen Söhnen widmet sich der Wahl-Heidjer mit großer Leidenschaft dem kreativen Schaffen. In seinem Home-studio in der Heideblütenstadt produziert er Liedergeschichten und Musik und hat gemeinsam mit der Sprecherin und Sängerin Tina Zehetmaier, mit der er auch das Musikprojekt „Liedwerk“ ins Leben gerufen hat, ein eigenes Label namens „two ears records“ gegründet. „Gemeinsam möchten wir besondere Geschichten und Ideen als Hörbücher umsetzen und Fantasie hörbar machen“, sagt Stieper. Der Heide-Kurier hat das Multitalent in seinem Studio in Schneverdingen besucht und bei der „Arbeit“ über die Schulter geschaut. Exklusiv präsentierte Stieper dort die Neuauflage seines „Klassikers“, der Liedergeschichte „Balthasar“, die bereits im Jahr 1988 im Coppenrath Verlag erschienen ist – damals als Kombination aus Bilderbuch und Kassette. Nun gibt es die von ihm getextete und komponierte Geschichte über den Hahn Balthasar und das Thema Freundschaft als CD und zum „Downloaden“ – neu vertont und neu eingesprochen.

Kräht da kein Hahn mehr nach?

Wer glaubt, dieser Liedergeschichte für Kinder ab fünf Jahren kräht mehr als dreieinhalb Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung kein Hahn nach, der irrt sich. „Gebrauchte Exemplare werden heute für bis zu 30 Euro im Internet gehandelt“, berichtet Stieper. Die Produktion erfreue sich weiterhin großer Beliebtheit. „Es gibt immer wieder mal Anfragen von Fans, die die Geschichte von früher kennen und jetzt selbst Eltern oder Großeltern sind“, so der 62-Jährige.

Stift, Bandsalat und moderne Datenträger

In Zeiten, in denen kein Stift mehr benötigt wird, um den Bandsalat einer defekten Hörspielkassette wieder „auf Spur“ zu bringen, wird Stieper des Öfteren gefragt, ob es das Hörspiel über wahre Freundschaft, die nicht von Äußerlichkeiten abhängig ist, auch als CD oder zum Herunterladen gibt. „Der Coppenrath Verlag selbst veröffentlicht keine Tonträger mehr. Also habe ich mit Tina Zehetmaier ein Label für Audio-Books gegründet, um Balthasar auf moderneren Datenträgern wiederzuveröffentlichen“, erklärt das Multitalent. Und so ist die alte Geschichte über den Hahn Balthasar die erste Produktion aus dem Hause „two ears records“ – und damit zugleich eine Neuheit.

„Diese Geschichte ist mehr als zehn Jahre Standardwerk in deutschsprachigen Buchhandlungen gewesen“, sagt Stieper: „Gemeinsam mit einem Streichquartett habe ich sie 1989 in den Sonntagskonzerten der Bühnen der Hansestadt Lübeck für Kinder aufgeführt. Die Geschichte selbst wurde in vielen Grundschulen nachgespielt und aufgeführt, selbst in einer deutschsprachigen Grundschule in Swakopmund in Afrika.“

Affinität zu Streichern

„Ich habe damals in Lübeck viel mit einem Theater zusammengearbeitet und auch Musik für Streichquartette geschrieben“, so Stieper: „Die Affinität zu Streichern habe ich bis heute.“ Bei der „Modernisierung“ der Liedergeschichte „Balthasar“ wurden Geigen, Bratsche und Cello, anders als bei der ursprünglichen Version, aber nicht mit dem Bogen eingespielt, sondern über eine mit dem Computer verbundene Klaviertastatur. Die „Instrumente“, die der Komponist bei der Produktion in seinem Studio verwendet hat, stammen allesamt aus dem Rechner. Zum Einspielen und Aufnehmen nutzt Stieper überwiegend die Musikproduktionssoftware „Cubase“. Damit hat er die Lieder wie „Balthasar“, „Zauberding“ und „Festwalzer“ zum Mit- und Nachsingen neu zum Leben erweckt.

Profis, „die einfach so mitmachen“

Fehlten noch die Sprecherinnen und Sprecher, die die Texte von Stieper unter Regie von Tina Zehetmaier neu aufnehmen sollten. Dem Schneverdinger und der 36-Jährigen gelang es, Profis für die Produktion zu begeistern. So wirken zum Beispiel Christian Kock, Ingo Rotkowsky und Kai-Peter Boysen mit, die als „Die 3 Herren“ unter anderem auch für live präsentierte Hörspiele bekannt sind. Die Bäuerin wird gesprochen von Bettina Göschl, der Frau des deutschen Schriftstellers, Hörbuchsprechers und Drehbuchautoren Klaus-Peter Wolf, der als Erfinder der Ostfrieslandkrimis gilt. Sie schreibt selbst erfolgreich Kinderbücher und -Lieder und tourt mit ihrer Gitarre als freie Liedermacherin und „Geschichtenerfinderin“ kreuz und quer durch die Lande. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie die sehr erfolgreiche Kinder- und Hörbuchreihe „Die Nordseedetektive“ auf den Markt gebracht. Mehr als 300.000 Bücher und Hörbücher hat das Autorenpaar im deutschsprachigen Raum seither bereits verkauft. „Ich habe sie gefragt und sie hat sofort zugesagt“, freut sich Stieper. Man kennt, schätzt und unterstützt sich. „Ich habe viele tolle Kinder- und Jugendbuchautorinnen und -autoren, darunter auch sehr bekannte, kennengelernt, zu denen ich auch heute noch Kontakt habe. Das ist natürlich ein großes Glück, wenn erfahrene und etablierte Profis einfach so mitmachen“, betont der Schneverdinger.

Neben den Profis hat Stieper für die Neuveröffentlichung der „Balthasar“-Geschichte aber auch Laien ins Boot geholt. So sind auch drei Kinder aus Schneverdingen zu hören, deren Stimmen er in seinem Homestudio aufgenommen hat. „Das ist das Schöne: Diese Mischung und dieses Potenzial, das man vor Ort hat“, so Stieper: „Es gibt viele Kreative hier, ein tolles Netzwerk aus Kulturschaffenden in der Region.“

Illustrationen von Werner Erich Grossmann

Die Aufnahmen der professionellen Sprecherinnen und Sprecher hat er auf digitalem Wege erhalten und letztlich alles am Computer zusammengefügt. „Das waren insgesamt 50 bis 60 Spuren für die gesamte Produktion. Es hat mehrere Monate gedauert, bis ich fertig war“, berichtet das Multitalent. Die akustischen Bestandteile sind zwar das wesentliche Element, rund wird das Ganze aber erst durch die Illustrationen, die von Werner Erich Grossmann stammen, der bereits die Originalversion mit seinen fantastischen Zeichnungen bebildert hatte. „Er lebt jetzt in Norwegen. Als ich ihn telefonisch erreicht habe, war er gerade mit seinem Sohn am Nordpol unterwegs und hat mir sofort die Erlaubnis gegeben, die Illustrationen für die neue Produktion verwenden zu dürfen“, so der Schneverdinger. Das wichtigste war „eingetütet“, die Arbeit damit jedoch nicht getan. „Layout und Design mache ich selbst, aber auch darüber hinaus gibt es viel zu klären“, sagt Stieper: „Marktrecherche, GEMA, Labelcode, Download-Version und Streamingdienste – all dies gehört dazu und muss geklärt werden.“

Es ist also eine Fülle von Aufgaben zu erledigen, aber das nimmt der Schneverdinger gern in Kauf: „Das Komponieren und Veröffentlichen macht mir einfach viel Spaß.“ Und er denkt schon ein wenig weiter, nämlich an die Rente: „Ich habe keine Lust, im Ruhestand vor dem Fernseher zu sitzen. Auch das war ein Grund, ein Label zu gründen.“

Neben der leicht modernisierten „Balthasar“-Geschichte, die in der Kulturstellmacherei und bei der Buchhandlung Vielseitig in Schneverdingen sowie über https://twoearsrecords.de und bekannte Streaming-Plattformen erhältlich ist, hat Stieper beim Coppenrath Verlag bereits weitere Hörbücher und Liedergeschichten veröffentlicht, zum Beispiel „Der kleine Stern“, „Gute Nacht und träume schön!“, außerdem „Schwein gehabt, Pepe“ mit Illustrationen von Tina Schulte sowie „Möhrchen, Öhrchen, Gummibörchen“ mit Illustrationen von Angela Weinhold.

Zudem stammt reichlich Lesestoff aus seiner Feder. Insgesamt kann Stieper auf rund 40 Veröffentlichungen zurückblicken. „Ich wollte schon als Kind Autor werden“, so der 62-Jährige: „Als kleiner Junge habe ich bei der Redaktion einer Kinderseite gefragt, wie man das wird.“ Den ersten Schritt machte er mit seiner Ausbildung zum Buchhändler, sein erstes Kinderbuch schrieb er im Alter von 26 Jahren. In den Folgejahren erschienen weitere Kinderliederbücher und Liedergeschichten mit Kassetten und CDs.

Computervirus

In den 80er Jahren infizierte er sich mit dem Computer-Virus, erlernte das Programmieren und veröffentlichte Anfang der 90er Jahre neben Kinder- und Jugendbüchern auch Computer-Fachbücher, die alle im Verlag „Markt & Technik“ erschienen. Im Jahr 1995 wurde der erste Band seiner Kinderbuchreihe „Computerdetektei Klops & Lücke“ im österreichischen Kerle Verlag veröffentlicht, der erstmalig Originalsoftware beilag. Es folgten Abenteuer-Spiel-Bücher wie die Kinderbuchreihen „Tom Traveller“ und „Der Lan-Clan“. Im Arena-Verlag erschienen Jugendromane wie „Sleepy Simon“ und „Cybernet City“, die auch als Hörbücher auf den Markt kamen. Von seinen Taschenbüchern, die bei Ravensburger erschienen sind, wurden um die 150.000 Exemplare verkauft.

Aktuell arbeitet Stieper an einer weiteren Kindergeschichte, für die er bereits fleißig komponiert und produziert. Er wird also auch künftig viel Zeit in seinem Studio verbringen, um „Fantasie hörbar zu machen.“