Zwitschernde Vögel und im Sonnenlicht leuchtende Mohnblumen, naturbelassene Ecken und eine Totholzhecke, die Insekten und Kleintieren als Rückzugsort dient – ruhig und idyllisch geht es zu im Obstgarten hinter der früheren Tischlerei Meyer in der Oststraße in Schneverdingen. In dieser grünen Oase, nicht weit vom Stadtzentrum entfernt, sitzen am vergangenen Mittwoch Annette Jacob, Wolfgang Schubert und Werner Riebesehl von der Wohnungsbaugenossenschaft „Meyer’s Hof“ unter einem Baum, der bei sommerlichen Temperaturen Schatten spendet. Das Idyll könnte nach Realisierung des Wohnprojektes, das auf dem Grundstück geplant ist, von allen Bewohnerinnen und Bewohnern als Gemeinschaftsgarten genutzt werden. Angedacht ist, auf dem insgesamt rund 2.000 Quadratmeter großen Grundstück eine Wohnanlage zu errichten, in der ältere und auch hochaltrige noch mobile Menschen in einer verbindlichen Hausgemeinschaft selbstständig und bezahlbar wohnen können. Aufgrund verschiedener Umstände hakt es allerdings derzeit. Und so hoffen die Verantwortlichen, dass sich weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden, damit das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden kann. Und genau deshalb haben sie zum Pressegespräch im Grünen eingeladen.
Angefangen hat alles im Jahr 2015. Damals entwickelten vier Initiatorinnen und Initiatoren, darunter Annette Jacob, Tochter des Betreibers der früheren Tischlerei, im Zuge des Stadtmarketings erste Projektideen. Das Ganze nahm nach und nach Formen an, Anfang März 2019 gründeten Christian Heinze, Christa Cordes, Evelyn Taresch, Werner Mader, Sabine Weber, Wolfgang Schubert und Annette Jacob die Wohnungsbaugenossenschaft „Meyer’s Hof eG“. Die Eintragung ins Genossenschaftsregister dauerte ein Dreivierteljahr. Peu à peu gewann die Genossenschaft weitere Mitglieder, aktuell sind es 60.
Im geplanten Wohngebäude sollen 17 Wohneinheiten mit jeweils circa 55 bis 75 Quadratmetern Wohnfläche entstehen. Die sechs großen Wohnungen sind bereits vergeben, von den elf kleineren derzeit noch vier zu haben. Alle Wohnungen sollen einen kleinen eigenen Außenbereich, Balkon oder Terrasse, erhalten. Angestrebt wird unter dem Motto „Gemeinsam statt einsam“ barrierearmes Leben in einer verbindlichen Gemeinschaft, wobei zugleich „bezahlbares Wohnen zentral in Schneverdingen“ ermöglicht werden soll. Es soll eine Gemeinschaft entstehen, die sich selbst organisiert und das Miteinander eigenverantwortlich gestaltet. Die Planung des Architekten aus Lüneburg sieht eine nachhaltige Bauweise vor, einen Bau mit Holz und Stroh sowie Lehmputz von innen. Ebenso wird Wert auf hohe Energieeffizienz gelegt.
Besonders wichtig ist der Initiative der Aspekt des bezahlbaren Wohnraums. Genau dies aber gestaltet sich angesichts der Entwicklungen auf dem Finanzmarkt schwierig. „Als wir angefangen haben, waren wir in einer Null-Prozent-Zinsphase. Da sah alles noch ganz locker machbar aus“, berichtet Annette Jacob, Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft: „Wir haben damals mit 20 Prozent Eigenkapital, das wir aufbringen müssen, gerechnet. Die Banken schlagen jetzt aber zehn Prozent oben drauf.“
Hinzu komme, dass es bei den Förderungen durch Zuschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) quasi von heute auf morgen Kürzungen gegeben habe. Auch dies bleibe in der Kalkulation nicht ohne Folgen. War der Genossenschaftsvorstand zuletzt von Gesamtkosten in Höhe von 3,4 Millionen Euro ausgegangen, so rechnet er nun mit einer Summe in Höhe von rund vier Millionen Euro.
Mitglieder von Genossenschaften sind Mit-Eigentümer, deshalb mieten sie eine Wohnung nicht, sondern nutzen sie, wofür ein Entgelt zu entrichten ist. Der Nutzungsvertrag regelt sämtliche Rechte und Pflichten der Nutzer und der Genossenschaft. Habe die Genossenschaft zunächst mit einem Nutzungsentgelt von sieben bis neun Euro pro Quadratmeter kalkuliert, so komme man nun aufgrund der jüngsten Entwicklungen auf dem Baufinanzierungsmarkt und wegen der eingedampften Förderung bereits auf ein Nutzungsentgelt von zwölf Euro pro Quadratmeter. „Und das hat in Schneverdingen nichts mehr mit bezahlbarem Wohnraum zu tun“, so Jacob. Wegen dieser Problematik ruhe das Projekt derzeit. Auf die Baugenehmigung werde noch gewartet, die Planungen des Architekten und die Verhandlungen mit potenziellen Baufirmen indes liefen weiter.
Wer eine der 55 Quadratmeter großen Wohnungen nutzen möchte, muss neben den beiden mitgliedschaftsbegründenden Mindestanteilen in Höhe von je 500 Euro 44 Pflichtanteile in Höhe von insgesamt 22.000 Euro zeichnen. Wer das Projekt darüber hinaus fördern möchte, kann sich mit weiteren Anteilen beteiligen. Auch Nicht-Bewohner haben diese Möglichkeit.
Weil die Genossenschaft Schwierigkeiten hat, das von den Banken geforderte Eigenkapital aufzubringen, sucht die Initiative nun Unterstützer, damit das Projekt nicht kippt. „Wir brauchen jetzt Menschen, die zehn bis 20 Jahre vorausschauen, die jetzt Anteile erwerben, aber erst später hier wohnen wollen. Man kauft sich ein lebenslanges Wohnrecht. Die Anteile verschwinden ja nicht im Nirwana, sondern werden so vererbt, wie auch das Geld auf der Bank vererbt wird. Und Erben, die die Wohnung nicht nutzen möchten, bekommen ihre Anteile ausgezahlt. Deshalb haben wir die Form der Genossenschaft gewählt“, erklärt Jacob: „Eine andere Möglichkeit ist, dass uns Mitglieder Darlehn geben.“ Darüber hinaus hoffe die Genossenschaft auf neue Förderprogramme der Bundesregierung. Und weil es sich bei dem Bauvorhaben in Sachen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz um ein „Vorzeigeprojekt“ handele, sei durchaus denkbar, dass beauftragte Firmen der Genossenschaft in Sachen Kosten entgegenkämen.
„Wenn die ganzen Unwägbarkeiten nicht wären, dann würde das Haus längst stehen“, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Werner Riebesehl. Der frühere Kommunalpolitiker hat das Projekt von Beginn an interessiert verfolgt und ist inzwischen als Aufsichtsratsvorsitzender in der Genossenschaft engagiert. „Gegenseitige Unterstützung in einer verbindlichen Hausgemeinschaft – das ist eine tolle Geschichte“, so Riebesehl: „Wir alle sind mit großem Engagement dabei, keiner möchte, dass dieses Projekt scheitert.“
Wie es weitergehen wird, soll am 27. Juni bei der Mitgliederversammlung der Genossenschaft diskutiert und entschieden werden. Wer sich für das Projekt interessiert und es gegebenenfalls unterstützen möchte, findet im Internet unter der Adresse https://www.meyershof-wohnungsbaugenossenschaft.de weitere Informationen. Auch wer sich anderweitig einbringen möchte, ist willkommen: Immer dienstags ab 15 Uhr kümmert sich Wolfgang Schubert vom Vorstand mit Helfern um die Pflege des Obstgartens.