Mit Nervenstärke, Konzentration und einer geschlossenen Mannschaftsleistung haben sich die Faustballerinnen vom TV Jahn Schneverdingen in der vergangenen Woche in Brasilien den Weltpokal-Titel gesichert.
Vergangener Sonntag, 22. Oktober, 16.36 Uhr Ortszeit im brasilianischen Curitiba: Sie ist zum Greifen nahe, die Chance für die Faustballerinnen des TV Jahn Schneverdingen. Im Endspiel der World-Tour-Finals, der Weltmeisterschaft für Vereinsteams, steht es für die „Heidschnucken“ im fünften Satz 10:6 gegen das brasilianische Team von Clube Duque de Caxias, als Angreiferin Aniko Müller bei der Angabe steht. Ein Punkt ist der TV Jahn noch vom größten Erfolg der Vereinsgeschichte entfernt. Müller prellt den Ball, blickt auf die gegnerische Defensive. „Duque, Duque“-Rufe der brasilianischen Fans schallen über den Platz. Müller atmet tief durch. Mit vier Schritten nimmt sie Anlauf, wirft den Ball hoch und schlägt ihn in Richtung Grundlinie. Mit vereinten Kräften können die Brasilianerinnen ihn abwehren. Doch das Zuspiel ist zu weit, Duque-Angreiferin Cristiane Husaka kann nur noch in die Leine greifen. Das ist die Entscheidung! Der TV Jahn ist das beste Faustball-Team der Frauen weltweit.
75 Minuten zuvor: Alles war angerichtet und für die meisten der rund 1.200 Zuschauerinnen und Zuschauer stand der Sieger bereits fest. Für Clube Duque de Caxias, das Heimteam, gibt es auf eigener Anlage nur ein Ziel: Titelgewinn. Es war so etwas wie die Höhle des Löwen, in die sich die Faustballerinnen des TV Jahn an diesem Nachmittag begeben. Zum ersten Mal seit 2007 haben die Heidschnucken die Chance, sich zum besten Vereinsteam der Welt zu krönen. Die Ausgangslage konnte dabei kaum besser sein. Zwei Siege holte das Team von Trainerin Christine Seitz aus den drei Vorrundenspielen geholt. Gegen Clube Mercês (11:6, 11:8, 11:6) aus Brasilien und ASKÖ Seekirchen (11:6, 11:9, 11:7) aus Österreich gewann der amtierende deutsche Meister seine beiden Spiele ohne einen Satzverlust. „Gegen Mercês haben wir uns noch schwer getan, waren nicht sicher genug“, sagt Spielführerin Laura Kauk: „Gegen Seekirchen haben wir über weite Strecken richtig guten Faustball gespielt.“ Im Turnierverlauf stand nur eine Niederlage zu Buche: Das 0:3 (8:11, 5:11, 10:12) aus dem letzten Vorrundenspiel gegen Duque de Caxias.
Dem TV Jahn war der Halbfinaleinzug zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr zu nehmen, Duque hatte nur mit einem Sieg die Chance auf das Weiterkommen. „Wir haben eigentlich erst im dritten Satz zu unserem Spiel gefunden“, berichtete Jahn-Angreiferin Helle Großmann. Dabei hatte ihr Team sogar einen Satzball.
Als Gruppenzweiter stand im Halbfinale das „ewige Duell“ gegen den TSV Dennach auf dem Programm. In Brasilien präsentierte sich der TV Jahn abgezockter, holte Rückstände auf und bewies bei taktischen Neuformationen ein glückliches Händchen. Mit 3:1 (11:9, 8:11, 13:11, 11:7) feierte Schneverdingen den Finaleinzug. „Entscheidend war sicherlich, dass wir den dritten Satz nach 3:9-Rückstand noch gedreht haben“, sagte Zuspielerin Hinrike Seitz, die mit ihrer mehr als überzeugenden Leistung in einem Voting von den gegnerischen Trainern ins Allstar-Team berufen wurde.
Der starke Halbfinalsieg gegen Dennach gab Sicherheit für das erneute Aufeinandertreffen mit den Gastgeberinnen. „Uns war allen bewusst, dass wir uns keine Fehler erlauben dürfen und die gesamte Spielzeit über hoch konzentriert bleiben müssen“, berichtete Abwehrspielerin Luca von Loh, die ebenfalls mit herausragenden Aktionen überzeugte und zur besten Spielerin hinten rechts geehrt wurde.
Gegenwind vom Publikum
„Das war schon etwas Besonderes“, gestand Trainerin Seitz: „Diese Lautstärke während eines gesamten Spiels gegen uns kennen wir so nicht.“ Doch davon ließen sich die Schneverdingerinnen nicht beeindrucken. In einem Duell auf Augenhöhe lieferten sich beide Teams einen offenen Schlagabtausch. Duque verkürzte dabei einen 0:2-Rückstand auf 1:2, hatte sogar die Chance auf den 2:2-Ausgleich. Doch in der entscheidenden Phase behielt Schneverdingen die Oberhand und feierte so den Triumph als beste Vereinsmannschaft der Welt (11:7, 11:9, 9:11, 13:11, 11:6) – zum ersten Mal seit 2002 (Windhuk/Namibia).
„Das war ein so unbeschreibliches Gefühl“, blickte Müller auf den Moment der Entscheidung zurück. Ebenso stolz zeigte sich Neuenfeld: „Wir haben uns mit diesem Erfolg einfach für die harte Arbeit in den vergangenen Monaten und Jahren belohnt.“
Dieser Titelgewinn ist nicht nur für die Geschichte des TV Jahn etwas ganz Besonderes, sondern auch für jede einzelne Spielerin persönlich. Trotz der vielen Erfolge der Jahnlerinnen stand noch nie zuvor eine der Spielerinnen in einem Weltpokalfinale. Einzig Neuenfeld gelang es 1997, damals noch als Spieler, den höchstmöglichen Meistertitel auf Vereinsebene zu gewinnen. Die Bronzemedaille gewann Union Nussbach (Österreich) vor dem TSV Dennach.
TV Jahn Schneverdingen: Helle Großmann, Aniko Müller, Hinrike Seitz, Luca von Loh, Lena Meyer, Kimberly Groß, Laura Kauk.