„Alle waren mit großer Euphorie dabei“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Britische Telefonzelle in neuem Glanz: Büchertauschbörse wieder da

„Alle waren mit großer Euphorie dabei“

„Deine Zukunft ist bunt“ steht auf dem hellgrünen T-Shirt des Malermeisters Terence Otto. Das ist angesichts der aktuellen Weltlage zwar eine gewagte These, paßt am gestrigen Mittwoch am Soltauer Georges-Lemoine-Platz aber durchaus in Sachen optischer Eindrücke: Otto steht mit dem auffälligen Shirt nämlich neben der neu lackierten roten Telefonzelle, hinter der leuchtend gelbe, lilafarbene und orangene Blumen um die Wette blühen. Die Telefonzelle aus Großbritannien, in der sich schon seit Jahren kein Hörer mehr befindet, ist von vielen Bürgerinnen und Bürgern in den vergangenen Monaten schmerzlich vermisst worden, handelt es sich bei dem Hingucker doch um eine beliebte „Außenstelle“ der Bibliothek Waldmühle. Die Büchertauschbörse in der schmucken „phone box“ war zwischenzeitlich verschwunden, befindet sich nun aber nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wieder an Ort und Stelle.

Seit 2014 steht das Objekt aus Holz und Metall neben einer Sitzbank am Georges-Lemoine-Platz. Wer ein Buch lesen möchte, braucht keinen Büchereiausweis, sollte sich aber unter dem Motto „Gib eins - nimm eins!“ an die Spielregeln halten: Wer sich ein Exemplar greifen möchte, muss dafür ein anderes aus dem eigenen Fundus in eines der 14 Regale stellen.

Ursprünglich stand die Telefonzelle in einer Kaserne der britischen Streitkräfte, die das gute Stück vor ihrem Abschied der Stadt Soltau als Geschenk überreichten. Eine Weile wurde sie im Gymnasium Soltau tatsächlich noch zur Kommunikation genutzt, doch nach der Verbreitung der Mobiltelefone gab es für die „Britin“ an der Lehranstalt keine Verwendung mehr. Und so wurde sie schließlich nach einer aufwendigen Sanierung in eine Büchertauschbörse verwandelt. Im Laufe der Jahre haben Wind und Wetter dieser allerdings ordentlich zugesetzt, im wahrsten Sinne des Wortes war der Lack ab. „Außerdem waren die Kunststoffscheiben zerkratzt und zum Teil durch UV-Strahlung gelb geworden“, berichtet Malermeister Otto bei der „Wiedereröffnung“ durch Bürgermeister Olaf Klang und Bibliotheksleiterin Annika Lüdemann.

Otto, früherer Berliner, ist Ausbilder bei den Technischen Ausbildungsstätten (TAS). Die TAS GmbH ist eine anerkannte, seit 1983 bestehende berufsbildende Einrichtung in Celle sowie in der Böhmestadt und übernimmt des öfteren Aufträge der Stadt Soltau. So haben junge Frauen und Männer, die in der Einrichtung für Weiterbildung, Umschulung und Ausbildung betreut wurden, zum Beispiel den großen Adventskalender und den Lichterbogen, die zur Weihnachtszeit in der Markstraße stehen, wieder zu neuem Glanz verholfen, die Weihnachtsmarkt-Buden auf Vordermann gebracht und die in der Burg hängenden Till-Eulenspiegel-Schuhe aufgehübscht. Nun kümmerten sich vier 18- bis 20-Jährige im Rahmen einer von der Agentur für Arbeit geförderten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB) um das antiquierte Kommunikationsmittel aus „Great Britain“.

Und das war keine leichte Sache: Vor Weihnachten vergangenen Jahres rückten zunächst Arbeiter der Stadt Soltau mit einem Kran und einem Lkw an, um die rund 700 Kilogramm schwere Telefonzelle zu den Räumlichkeiten der TAS GmbH zu transportieren. Dort begannen dann unter Federführung von Terence Otto junge Männer und Frauen mit der Sanierung. Zunächst wurden die Scheiben entfernt, danach ging es der „box“ an den Lack. „Das hat viel Arbeit gemacht. Rund acht Wochen wurde nur geschliffen“, sagt Otto. Dabei gab es eine besondere Herausforderung zu meistern, denn: „Das Silikon ging nicht vom Metall ab. Einer unserer Metaller hat uns dazu extra ein Werkzeug angefertigt.“ Er selbst hat die Arbeiten überwiegend beaufsichtigt und nur bei der Grundierung mitgeholfen. Das Gros erledigten die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, darunter Jennifer Messerschmidt, die bei der kleinen Wiedereröffnungszeremonie ebenfalls mit von der Partie ist. Otto lobt sie und die anderen Beteiligten in höchsten Tönen: „Die jungen Leute haben sehr gut durchgehalten und waren mit großer Euphorie dabei. Ich ziehe meinen Hut vor ihnen.“

Schließlich seien die jungen Frauen und Männer allesamt weder Maler noch Lackierer. In der Maßnahme gehe es vorrangig darum, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausprobieren könnten, was ihnen in puncto beruflicher Tätigkeit Spaß mache und liege. Bei Jennifer Messerschmidt hat das prima funktioniert. „Mir macht das Gestalten ziemlich viel Spaß“, betont die 20-Jährige. Das Talent dazu habe sie, bescheinigt ihr Otto: „Sie hat eine künstlerische Ader“, so der Malermeister und lobt ihre Fähigkeiten, zum Beispiel beim Imitieren von Holz oder Marmorierungen. Bei der Überarbeitung der Telefonzelle habe sie auch an den Details wie den Kronen über den „Telephone“-Schildern gearbeitet. „Vorher haben wir dazu im Internet recherchiert“, berichtet der TAS-Ausbilder. Von Erfolg gekrönt war die Teilnahme von Jennifer Messerschmidt an der Maßnahme, denn sie hat sich nun für den Malerberuf entschieden und macht eine entsprechende Ausbildung über die Volkshochschule in Walsrode.

Bürgermeister Olaf Klang zeigt sich von der in neuem Glanz erstrahlenden Büchertauschbörse begeistert. „Sehr schön geworden“, lobt er die Arbeit der jungen „Restauratoren“. Im Zuge der Zusammenarbeit mit den Technischen Ausbildungsstätten seien in den vergangenen Jahren diverse Projekte realisiert worden - „und das ist toll.“

„Die Büchertauschbörse wird sehr gut angenommen. Viele haben uns in den vergangenen Monaten gefragt, wo sie ist und wann sie wiederkommt“, so Annika Lüdemann. Sie hat die Telefonzelle gleich nach dem Aufstellen mit 250 Büchern bestückt und ist froh, dass es in den vergangenen Jahren keine großen Schäden durch Vandalismus gegeben hat. „Anfangs gab es ‚Öffnungszeiten‘ von 9 bis 18 Uhr. Weil wir gemerkt haben, dass nichts passiert, war das nicht mehr notwendig“, berichtet die Bibliotheksleiterin. Seitdem ist die „Außenstelle“ am Georges-Lemoine-Platz für Leseratten und Bücherwürmer, die etwas zum Tauschen mitbringen, rund um die Uhr geöffnet.