Brauereien unter Druck, doch in Soltau sind Hopfen und Malz nicht verloren | Aktuelle Nachrichten und Informationen

In den Kesseln des Brauhauses Johann Albrecht „schläft“ derzeit das fruchtige „Soltauer Sommerbier“

Brauereien unter Druck, doch in Soltau sind Hopfen und Malz nicht verloren

„Handwerk hat goldenen Boden“ – der Spruch, der zum Ausdruck bringen soll, dass das Erlernen eines handwerklichen Berufs die Grundlage für eine gesicherte finanzielle Zukunft sei. Für viele Betriebe indes wird die Luft dünner. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) warnt vor einem Firmensterben. Es fehlen Fachkräfte, es fehlt der Nachwuchs. Eine besorgniserregende Entwicklung, die auch im Heidekreis zu beobachten ist. Ob die traditionsreiche Bäckerei für immer schließt, oder die Fleischerei, die seit Jahrzehnten für ihre Kundinnen und Kunden da war. Mal konnten die Betreiber, die in den wohlverdienten Ruhestand gingen, keinen Nachfolger finden, mal sorgte eine Insolvenz für ein jähes Ende. Mit diesem „stillen Sterben“ von Handwerksbetrieben geht ein Stück Kultur, geht die Vielfalt der Produkte und letztlich auch die Nahversorgung verloren. Betroffen sind auch Brauereien. Insbesondere die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Energiepreiskrise haben der gesamten Branche stark zugesetzt. Wie der Deutsche Brauer-Bund (DBB) berichtet, sei die Zahl der Brauereien hierzulande in den vergangenen fünf Jahren um 93 Betriebe zurückgegangen, was einem Rückgang von sechs Prozent entspreche. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes habe es 2024 bundesweit noch 1.459 Brauereien gegeben. Allein im vergangenen Jahr hätten 52 Betriebe geschlossen. Mit den aktuellen Herausforderungen sieht sich auch das Brauhaus Johann Albrecht in Soltau konfrontiert. Der Heide-Kurier hat mit Betriebsleiterin Josefine Rademacher und Diplom-Braumeister Guntmar „Gunni“ Neugebauer gesprochen und konnte letzterem bei der Arbeit über die Schulter schauen. Um es vorwegzunehmen: Mit den Auswirkungen der Corona-Krise hat zwar auch das Brauhaus in der Böhmestadt zu kämpfen, Hopfen und Malz sind jedoch nicht verloren.

Die wachsende Zahl der Betriebsschließungen in Deutschland führt der Dachverband der deutschen Brauwirtschaft DBB insbesondere auf den hohen Kostendruck zurück. Vor allem kleinere und mittlere Brauereien stünden, wie Christian Weber, Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, jüngst deutlich machte, „immer stärker unter Druck.“ Die meisten der betroffenen Betriebe hätten mehrere ertragsschwache Jahre hinter sich, die Reserven seien aufgezehrt. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Energiepreiskrise hätten der gesamten Branche stark zu schaffen gemacht. Im vergangenen Jahr habe sich die Situation zusätzlich verschärft, weil ähnlich wie in Gastronomie und Handel die hohe Inflation und die schlechte Verbraucherstimmung auch auf das Geschäft der Brauereien durchgeschlagen hätten.

Die Verantwortlichen des Brauhausteams in Soltau kennen die Problematik, ist das Haus doch Brauerei und Gastronomiebetrieb in einem. „Wir müssten unsere Preise eigentlich erhöhen“, berichtet Betriebsleiterin Josefine Rademacher. Die 36-Jährige leitet das Gasthaus in den historischen Gemäuern des ehemaligen Offizierskasinos der kaiserlichen Reitschule an der Winsener Straße seit Februar vergangenen Jahres. Das Problem sei, dass man die Schmerzgrenze der Gäste in Sachen Preise nicht überschreiten könne. Auch die Suche nach Fachpersonal gestalte sich schwierig, zumal viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Corona-Krise in anderen Berufszweigen Fuß gefasst hätten und nicht mehr in die Gastronomiebranche zurückgekehrt seien.

Indes: Wer gern ein frisch Gezaptes genießt, der weiß die traditionelle Braukunst zu schätzen. „Es gibt viele Städte in der Größenordnung Soltaus, die keine Brauerei haben. Die Bürgerinnen und Bürger können stolz sein, dass in ihrer Stadt Brau-Tradition gepflegt wird“, unterstreicht Neugebauer. Er hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. Seine Ausbildung zum Brauer und Mälzer schloss er 1993 ab, die Meisterschule 1997. Seit 2000 zaubert er in Soltau Gerstensaft der verschiedensten Geschmacksrichtungen. Gern öffnet er die Türen zu seinem Reich im Keller des Hauses. Klein, aber fein ist sie, die Wirkungsstätte des 54-jährigen Diplom-Braumeisters. In einem Raum sind Malzsäcke gestapelt, die er seit Jahren von einem Lieferanten seines Vertrauens bezieht. Das Malz ist zuvor aus Gerste gewonnen worden. „Für uns ist wichtig, dass das Malz in Säcken angeliefert wird, was nicht alle Mälzereien anbieten“, berichtet Neugebauer.

Das Malz wird dann geschrotet, um den inneren Körper des Korns freizulegen und so an die wertvollen Inhaltsstoffe zu gelangen. Dazu nutzt Neugebauer eine Malzmühle. Welchen Charakter ein Bier hat, das wird vom Malz entscheidend geprägt. Denn es bestimmt die Farbe und den Geschmack des Produkts.

Neugebauer hat gerade das „Soltauer Sommerbier“ in der Mache, das er seit vielen Jahren traditionell zur entsprechenden Jahreszeit in die Kessel zaubert. „Es hat einen großen Weizenmalzanteil, um dem Bier eine fruchtige Note zu geben“, so der 54-Jährige. Um die ansprechende Bernsteinfarbe des Bieres zu erreichen, verwendet er zum Beispiel Wiener Malz. Und unter anderem Karamellmalz und Pilsner Malz geben dem Soltauer Sommerbier seinen besonderen Geschmack.

Wasser, Malz, Hopfen und Hefe – das sind seit Jahrhunderten die vier natürlichen Zutaten, die für die Bierherstellung verwendet werden. Das schreibt seit 1516 das Reinheitsgebot vor, das zunächst nur in Bayern galt. Nach der Verkündung wurde es von mehr und mehr Ländern übernommen und ist seit 1906 geltendes Recht in ganz Deutschland. Laut DBB steht es „für die Bewahrung einer althergebrachten Handwerkstechnik und gilt zugleich als älteste, heute noch gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt.“ Das Reinheitsgebot, international quasi ein Qualitätsmerkmal, haben Brauer in Deutschland natürlich verinnerlicht, dennoch ist es eine Kunst, mit den Zutaten zu experimentieren, eigene Bierkreationen zu entwickeln und dem Produkt eine ganz persönliche Note zu geben.

Rund 200 Kilogramm Malz benötigt Neugebauer für einen Sud Bier. In Fachkreisen wird der Sud als Begriff für den gesamten Brauvorgang benutzt. Beim Schroten ist zunächst Körperkraft gefragt. „Der Brauprozess selbst dauert rund neun Stunden“, erklärt der Fachmann. Nach dem Schroten und Maischen sowie anschließend dem sogenannten Läutern, dem Trennen der festen und flüssigen Bestandteile der Maische im Läuterbottich, folgt das Würzekochen, bei dem Hopfen hinzugefügt wird. Nach der Abkühlung kann die Gärung beginnen. Neugebauer hat die Prozesse im offenen Gärbottich über einen Spiegel bestens im Blick. Er sieht wie die Hefe „atmet“ und die Würze zu Alkohol und prickelnder Kohlensäure wird. Im Gärbottich bleibt das Bier rund eine Woche, „dann darf es in den Tanks rund vier bis sechs Wochen schlafen, also reifen“, so der Braumeister. Kein Zweifel: Wer in Sachen „flüssiges Brot“ etwas gebacken bekommen möchte, muss einiges auf der (Sud-)Pfanne haben. Verständnis für technische Zusammenhänge, eine rasche Beobachtungsgabe und Konzentrationsfähigkeit sind gefordert, ebenso Flexibilität, selbstständiges Denken und eigenverantwortliches Handeln sowie die Fähigkeit zur Teamarbeit. Nicht zu vergessen das tatkräftige Anpacken.

Neben den Dauerbrennern „Soltauer Messing“ und „Soltauer Kupfer“ und dem saisonal angebotenen Sommerbier steht im Brauhaus auch Craft-Beer auf der Karte. Bei letzterem ist die Besonderheit, dass während des Brauvorgangs bestimmte Hopfensorten einfließen. Wer sich detailliert über die Kunst des Bierbrauens informieren möchte, kann im Brauhaus an einer Führung teilnehmen. Wenn Neugebauer Interessierten Einblicke in das Handwerk gibt, darf eine Anekdote nicht fehlen, über die der Heide-Kurier bereits vor rund 20 Jahren berichtet hatte. Damals gab es einen Feuerwehreinsatz, als Neugebauer im Verlauf des Brauprozesses „Dampf abgelassen“ hatte und aufmerksame Zeugen einen Brand meldeten. „Danach hatte ich beim Brauen noch des öfteren Anrufe bekommen, ob die Feuerwehr ausrücken muss, oder ob ich gerade wieder bei der Bierherstellung bin“, lacht der 54-Jährige.

Was die „Brandlöscher“ aus eigener Produktion angeht, so wird das „Soltauer Sommerbier“ schon bald aus dem Zapfhahn fließen. Über die Saison braut Neugebauer davon zwei- bis dreimal je 1.000 Liter. Geschäftsführerin Josefine Rademacher verspricht den Gästen schon jetzt „ein schön fruchtiges“ Geschmackserlebnis.