Bürgermeister Klang: „Ihr seid hier sicher“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Zehn Frauen sowie 29 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in der Villa Heidenhof

Bürgermeister Klang: „Ihr seid hier sicher“

Ein bisschen Deutsch können sie schon, die zehn Frauen und 29 Kinder, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen sind und jetzt in der Villa Heidenhof der Renate-Szlovak-Stiftung bei Soltau leben: Beim Besuch des in den vergangenen beiden Jahren aufwendig umgebauten und sanierten Hauses grüßten die Kinder und Erwachsenen aus der Ukraine bei einem Rundgang allesamt mit einem freundlichen „Hallo“. Seit März sind die Geflüchteten, die aus der rund 80 Kilometer südwestlich von Kiew gelegenen Stadt Bila Zerkwa sowie aus der Tschernobyl-Region stammen, in der Villa untergebracht. Für den vergangenen Donnerstag hatten Andor Szlovak, Soltaus früherer Bürgermeister Wilhelm Ruhkopf und Joachim Schulten vom Vorstand der Renate-Szlovak-Stiftung zum Termin in die Villa eingeladen. Bürgermeister Olaf Klang und seine Stellvertreter Klaus Grimkowski-Seiler und Dr. Andreas von Felde erhielten eine Führung durch die runderneuerten Räumlichkeiten und begrüßten die Geflüchteten.

„Ich weiß, dass Ihr hier sicher seid und möchte, dass Ihr Euch hier wohlfühlt“, sagte Klang zu den Frauen und Kindern. Lena Riedel, zusammen mit Ehemann Matthias Riedel die „Gute Seele“ des Hauses, fungierte als Dolmetscherin. Die Soltauer seien hilfsbereit und freundlich, betonte Klang und versicherte den Kindern und Jugendlichen, dass ihnen die Böhmestädter beim Besuch der Schule und der Sportvereine hilfreich zur Seite stünden: „Da bin ich mir sicher“, unterstrich der Bürgermeister. Stellvertretend für die Gruppe bedankte sich Ukrainerin Swetlana, Chefin einer Stiftung, die sich um Kinder aus der Tschernobyl-Region kümmert, für die Gastfreundschaft. Es sei gut, die Kinder hier in Sicherheit zu wissen. In ihrer Heimat seien im Krieg bereits viele Kinder getötet worden, sagte sie mit Tränen in den Augen, während Dolmetscherin Riedel mit stockender Stimme und ebenfalls sichtlich bewegt übersetzte. Für einen Moment hatten viele im Raum Tränen in den Augen. Die Beklemmung sangen die Frauen und Kinder dann ganz einfach weg. Spontan stimmten sie lautstark ein Lied an, das die Ukrainer als ihre „inoffizielle Hymne“ bezeichneten. Auch ohne entsprechende Sprachkenntnisse war zu spüren, dass diese Gesangsdarbietung Trauer und Verzweiflung sowie auch Stolz und Zuversicht vereinte.

Swetlana berichtete, dass die Frauen über Telefon und Internet mit den Daheimgebliebenen in der Ukraine in Kontakt stünden und sich große Sorgen machten. Ihr Sohn befinde sich im Bereich Kiew, um dort alte und körperlich und psychisch beeinträchtigte Menschen zu unterstützen. „Diejenigen, die nicht flüchten konnten, brauchen Hilfe“, so die besorgte Mutter. In der Ukraine seien alle sehr dankbar, dass Deutschland viele Geflüchtete aus dem zerbombten Land aufnehme. „Wenn unsere Heimat wieder aufgebaut ist, sind alle bei uns herzlich willkommen“, so die Ukrainerin.

Niemand kann vorhersagen, wie sich die Lage im Kriegsgebiet entwickeln wird. „Unser Bestreben ist, dass sich die Frauen und Kinder hier erholen können von den Schrecken des Krieges. Wir alle wissen nicht, wie lange sie hier leben werden. Das kann auch ein Jahr oder länger dauern. Fest steht, dass ihnen das Haus so lange zur Verfügung steht, wie es benötigt wird. Da wird kein Limit gesetzt“, unterstrich Ruhkopf. Fest stehe auch, dass die Kinder nach Ostern Soltauer Schulen besuchen könnten. Darüber habe es bereits Gespräche mit der Freudenthalschule und der Oberschule gegeben, so der frühere Bürgermeister. Und weiter: „Die Schulen müssen so ausgestattet werden, dass die Kinder und Jugendlichen vernünftig betreut werden können. Das wird natürlich eine Weile dauern, das geht nicht von heute auf morgen.“ Aber auch darüber hinaus gebe es viel zu tun. „Es müssen zum Beispiel Konten eingerichtet werden, viele bürokratische Dinge müssen erledigt werden“, betonte Ruhkopf. Hier unterstütze Barbara Koll aus Schneverdingen vom Beirat des Stiftungsvorstandes, die sich ebenso wie das Ehepaar Riedel im Hause großartig engagiere. Der Stiftungsvorstand hoffe, über kurz oder lang Ehrenamtliche für die Mitarbeit begeistern zu können. Das könnten Handwerker sein, aber auch ehemalige Lehrer, Musiklehrer oder Köche. „Alle sind willkommen“, sagte Ruhkopf. Interessierte könnten sich unter Ruf 0178-7720659 beim Verwalter Matthias Riedel melden.

18 der jungen Geflüchteten im Alter von sechs bis 16 Jahren sind unbegleitete Kinder und Waisen. Die zehn Frauen, die sich teils mit eigenen Kindern auf den Weg gemacht haben, kümmern sich um alle. Sie bereiten zudem das Essen in der Küche selbst zu, so dass dort kein zusätzliches Personal benötigt wird. Was die Freizeitgestaltung angeht, so haben die Kinder auf dem großen Areal rund um die Villa tolle Möglichkeiten, gibt es doch Wiesen, Wälder, einen großen Spielplatz und Teiche. Zudem sind Ausflüge in Freizeitparks und zu besonderen Attraktionen geplant, weiterhin gibt es Handarbeits- und Bastelangebote sowie Musikprojekte. Laut Riedel waren einige der Frauen bereits in früheren Zeiten mit Kindern aus der Tschernobyl-Region im Hause: „Das hilft natürlich enorm.“

Die Gruppe in der Villa Heidenhof ist freilich nur ein kleiner Teil der Geflüchteten, die in Soltau Zuflucht gefunden haben. Laut Bürgermeister Klang seien in der Böhmestadt mit Stand vom vergangenen Mittwochabend 264 Personen aufgenommen worden, darunter 24 „zugewiesene“. „Der Rest ist auf Privatinitiative in die Stadt gekommen. Bislang konnten alle untergebracht werden“, so Klang.

„Die Betten in der Schützenhalle sind wieder abgebaut, im Moment gibt es dafür keine Notwendigkeit. Wir könnten die Halle aber sofort als Erstaufnahmemöglichkeit reaktivieren“, berichtete Soltaus Bürgermeister. Zu den Familien, die Geflüchtete privat aufgenommen haben, zählt auch die des stellvertretenden Bürgermeisters Dr. Andreas von Felde. Sie hat auf ihrem Hof zehn Menschen aus der Ukraine untergebracht. „Wir sind in einem Netzwerk, das Ganze läuft mit sehr großer Hilfsbereitschaft“, hob der stellvertretende Bürgermeister hervor. Was die Unterbringung der Gruppe in der Villa Heidenhof angeht, so freut sich der Stiftungsvorstand, dass die zweieinhalbjährige Pandemiezeit dazu genutzt werden konnte, das Haus zu erweitern, umzubauen und zu renovieren. „Wir hatten das Glück, dass wir das Geld aus einer Beteiligung bekommen haben, das wir komplett in diese Maßnahmen investiert haben“, erklärte Andor Szlovak. Rund zwei Millionen Euro seien in den Umbau und die Sanierung gesteckt worden.

Das Ergebnis könne sich sehen lassen, stellten Bürgermeister Klang und seine beiden Stellvertreter bei der Führung durchs Haus fest. Die hellen und freundlichen Räume, moderne WCs und Duschen und ein komplett renovierter Speiseraum für 40 Personen bieten eine hohe Aufenthaltsqualität. Eine Herausforderung bei den Umbaumaßnahmen waren nicht nur die Arbeiten unter Corona-Bedingungen, sondern auch die strengen Brandschutzauflagen. Gegründet wurde die Renate-Szlovak-Stiftung im Jahr 1999, um Kindern in Not einen Ort zum Durchatmen, Ausruhen, Spielen und Krafttanken zu bieten. Bislang waren überwiegend Kinder aus der Ukraine, Belarus und Russland zu Gast, die sich nach der Tschernobyl-Katastrophe in der Heide erholen sollten. Bewegung an der frischen Luft und gesunde Ernährung sollten dabei helfen, das Immunsystem zu stärken.

Inzwischen richtet die Stiftung ihr Augenmerk aber auch auf den Bereich Umweltbildung, was künftig weiter ausgebaut werden soll. Laut Szlovak solle künftig nach Möglichkeit ein Drittel der jährlichen Besuchergruppen aus Deutschland kommen, um diese mit speziellen Angeboten und Projekten in Sachen Umweltschutz und gesunde Ernährung zu schulen. Sollte es künftig wegen der aktuellen Situation in der Ukraine keine Kooperationen mehr mit Russland und Weißrussland geben, ist angedacht, Kinder aus anderen Ländern, möglichst aus Osteuropa, zu Ferien auf den Heidenhof einzuladen. Ruhkopf regte hier eine Zusammenarbeit mit Mysliborz und Zielona Gora an. Ein wichtiges Ziel sei zudem, die Stiftung bekannter zu machen: „Es ist eine Stiftung, die seit fast 25 Jahren gute Dienste leistet, aber die fast keiner kennt. Das muss sich ändern.“