Wer seine TV-Fernbedienung ob der nicht enden wollenden schlechten Nachrichten noch nicht in den Wohnzimmerschrank verbannt hat, der ist kaum um sie herumgekommen, die furchtbaren Bilder aus der Ukraine. Immer wieder zu sehen: Aufnahmen von beschossenen und zerbombten Gebäuden, in denen riesige Löcher klaffen, deren Fassaden eingestürzt sind und aus denen Flammen und Rauchschwaden aufsteigen. In vielen dieser TV-Beiträge tauchen Feuerwehrleute auf, die - nicht selten unter Einsatz ihres Lebens - versuchen zu retten, was zu retten ist. In Deutschland sind die Feuerwehren in der Regel sehr gut ausgerüstet, verfügen über modernstes Equipment und Fahrzeuge, um die sie Brandbekämpfer aus anderen Ländern beneiden. Hier kommt die Deutsche Feuerwehrhilfe ins Spiel. Der eingetragene Verein wurde im Jahr 2009 als gemeinnützige Hilfsorganisation gegründet und hat sich auf die Fahnen geschrieben, Feuerwehren in Ländern, in denen es an Ausrüstung und Know-how mangelt, mit seinem „Konzept Upcycling & Training“ zu unterstützen. „Manche Kameraden im Ausland haben Hightech, manche gar nichts“, weiß Dennis Weber aus Soltau.
Der 30-Jährige gehört der Deutschen Feuerwehrhilfe an und hat im Zuge dieser ehrenamtlichen Tätigkeit nicht nur Fahrzeuge in die Ukraine und nach Kroatien überführt, sondern war auch bei Löscheinsätzen und Hilfskonvois dabei. Ihm liegt es am Herzen, die Arbeit der gemeinnützigen Hilfsorganisation bekannter zu machen. Darüber hinaus hofft er, dass Wehren aus dem Heidekreis, die etwas Ausgemustertes abzugeben haben, den Verein mit entsprechenden Spenden unterstützen. „Ob Handschuhe, Jacken oder Stiefel - es wird alles genommen, was nicht zerfleddert ist“, so Weber. Auch Leitern, Funkgeräte, Generatoren, Erste-Hilfe-Ausrüstung, Scheren, Spreizer, Rucksäcke und natürlich auch Fahrzeuge nehme die Organisation gern entgegen, „eigentlich alles, was mit Feuerwehr, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz zu tun hat.“
Weber ist beruflich als Servicetechniker im Außendienst tätig und hat sich, wie er berichtet, schon immer gern ehrenamtlich und sozial engagiert. Der gebürtige Celler war früher bei den Pfadfindern aktiv. Nach seiner Ausbildung hat er in die Soltauer Feuerwehr hineingeschnuppert und ist in dieser, wie er lächelnd sagt, „auch gleich hängengeblieben.“ Als ausgebildeter Maschinist darf er Fahrzeuge steuern, ist Truppführer, Atemschutzgeräteträger und gehört der Strahlenschutzgruppe an. Bereits seit 2012 ist er dabei. „Die Feuerwehr Soltau hat eine Top-Führung, die Ausrüstung ist super, wir werden von der Stadt gut unterstützt und der Zusammenhalt ist großartig. Natürlich sind die Einsätze nicht immer schön, aber es ist gut, wenn man helfen kann“, so der 30-Jährige. Der Kontakt zur Deutschen Feuerwehrhilfe sei im Jahr 2020 über eine Facebook-Feuerwehrgruppe zustande gekommen. „Damals wurde jemand gesucht, der Lust und Zeit hatte, für die Organisation ein Löschfahrzeug, das nach Paraguay verschifft werden sollte, von Hannover zum Hamburger Hafen zu fahren. Ich habe mir dann einen Tag Urlaub genommen und das Fahrzeug zusammen mit einem Vorstandsmitglied überführt“, berichtet Weber.
Unterwegs erzählte ihm das Vorstandsmitglied von der ehrenamtlichen Arbeit der Deutschen Feuerwehrhilfe, von den vielen Projekten zur Unterstützung der Kameradinnen und Kameraden in anderen Ländern. Weber war Feuer und Flamme und im gleichen Jahr bei der Überführung eines Sanitäts-Lastkraftwagens für Retter in Thailand erneut mit an Bord: „Wir haben das Fahrzeug mit allem Pipapo bestückt und versandfertig gemacht.“ Der Lkw ging auf die Reise, Weber blieb - und zwar in den Reihen der Feuerwehrhilfe. „Im Mai 2020 bin ich Mitglied geworden“, so der Soltauer.
Die Hilfsorganisation „von Feuerwehrleuten für Feuerwehrleute aller Welt“ bietet alljährlich ein zweiwöchiges Waldbrandausbildungscamp im kroatischen Novi Vinodolski an, in dem die Teilnehmer in der Vegetationsbrandbekämpfung geschult werden. Vor zwei Jahren war Weber erstmals mit dabei. „Die Kroaten haben sehr viel Erfahrung auf diesem Gebiet, da es dort leider sehr oft brennt“, erklärt der Ehrenamtliche: „Dort spenden wir dann auch immer Ausrüstung, Bekleidung und auch Fahrzeuge für Feuerwehren in ganz Kroatien.“ Die Ausstattung der dortigen Kameradinnen und Kameraden lasse vielerorts zu wünschen übrig. „Viele der Fahrzeuge stammen noch aus den 60er Jahren, manche Feuerwehrleute tragen Jacken aus den 80ern“, so Weber: „Wir spenden bedarfsorientiert und haben ein gutes Netzwerk. Es geht uns darum, dafür zu sorgen, dass die Feuerwehren gut mit diesem Material arbeiten können.“ Beim „Fire-Camp“ in Kroatien in diesem Jahr war Weber erneut vor Ort, diesmal ging es unvorhergesehenerweise von der Ausbildung direkt in die Praxis, wurde es in Kroatien doch brenzlig. Es brachen gleich zwei große Waldbrände aus, bei denen die Deutschen ihre Kameraden aus dem Gastgeberland beim Löschen unterstützten.
„Wir sind beide Male mit rausgefahren und haben mitgelöscht“, erzählt Weber. Dabei habe sich auch im internationalen Brandbekämpfungseinsatz gezeigt, was er bei der Feuerwehr in der Heimat schätzt: Den Zusammenhalt, der Brandbekämpfer aus aller Herren Länder wie ein unsichtbares Band verbindet. „Es ist diese Leidenschaft für die Feuerwehr. Das merkt man total, man spürt diesen gemeinsamen Nenner. Das kann man gar nicht erklären, das muss man selbst erleben“, schwärmt der Soltauer.
Die Löscharbeiten in Kroatien waren dabei für alle Beteiligten kein Zuckerschlecken. „An dem einen Tag habe ich in elf Stunden acht Liter Wasser getrunken - und war nicht einmal auf der Toilette“, erinnert sich Weber an die schweißtreibenden Einsätze. Ebenso erinnert er sich an die Phasen nach der Brandbekämpfung. „Wir haben ein Haus vor den Flammen gerettet. Die Dankbarkeit der Bewohner und Anwohner war der Wahnsinn.“ Zur Stärkung der Rettungskräfte servierten die Kroaten eine Fülle von regionalen Spezialitäten, die sich die Feuerwehrleute nach den anstrengenden Löscharbeiten äußerst gern und begeistert schmecken ließen. Eine ähnliche Erfahrung machte Weber bei der Übergabe eines Löschfahrzeuges an kroatische Kameraden. „Das ganze Dorf, rund 800 Einwohnerinnen und Einwohner, war auf den Beinen. Es gab ein großes Fest mit Spanferkel, Musik und natürlich auch den einen oder anderen Selbstgebrannten.“ Da dürfte am folgenden Tag eine „Brandbekämpfung“ der anderen Art vonnöten gewesen sein. Aber auch die „regulären“ Abende mit den anderen Feuerwehrleuten im Verlauf des Camps sind dem Böhmestädter in bester Erinnerung geblieben. „Wir haben zusammen gegrillt und gemeinsam gegessen. Da entstehen dann auch Freundschaften“, betont der 30-Jährige.
Etwas Besonderes sei es für ihn nach wie vor, Fahrzeuge zu überführen. „Sie kommen dann stets frisch vom TÜV und werden von uns komplett bestückt. Die können sofort losfahren und haben alles, was benötigt wird, an Bord. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass das, was überführt wird, auch einsatzbereit sein muss“, erklärt der Soltauer.
„On the road“ ist er für den Verein Deutsche Feuerwehrhilfe aber nicht nur bei Fahrzeugüberführungen. Ende 2020 zum Beispiel wurde die Region nahe der kroatischen Städte Petrinja, Sisak und Glina von einem schweren Erdbeben erschüttert. Die Ehrenamtlichen der Organisation machten sich damals mit einem Hilfskonvoi auf den Weg, bei dem auch Weber mit von der Partie war.
Auch in die Überführung eines Feuerwehrfahrzeuges in die Ukraine in diesem Jahr war er involviert, das nach Rücksprache mit dem ukrainischen Generalkonsulat in Düsseldorf beschafft und 30 Kilometer vor der ukrainischen Grenze übergeben wurde. „Als Dankeschön haben wir aus der Ukraine Patches und Fotos der Feuerwehrleute vor ihren Fahrzeugen erhalten. Eines der Fahrzeuge, das auf dem Bild zu sehen war, wurde nur eine Woche später im Krieg zerschossen. Da bekommt man schon ein komisches Gefühl“, sagt Weber.
Auch solche Erfahrungen bewegen ihn dazu, sich weiter in der Hilfsorganisation zu engagieren. Unter anderem kümmert er sich mit einem „Kollegen“ um den Internetauftritt und die Facebook-Seite, im kommenden Jahr will er sich in der Leitung des Camps in Kroatien mit einbringen. „Alles wird privat aus eigener Tasche finanziert, Zuschüsse gibt es nicht“, betont Weber und hofft, dass die Wehren aus dem Heidekreis dem Verein ausgemusterte Ausrüstung zur Verfügung stellen können. Infos und Ansprechpartner sind im Internet unter Deutsche Feuerwehrhilfe.de und über die Facebookseite „Deutsche Feuerwehrhilfe e.V.“ zu finden.
Die Feuerwehr lässt Weber übrigens auch in seiner restlichen Freizeit nicht ganz los: Er schraubt gerade an einem ehemaligen Feuerwehrauto aus Berlin, das er zu einem „knallorangenen Wohnmobil“ umbaut. Vielleicht geht es später mal mit dem „runderneuerten“ MAN zum nächsten „Fire-Camp“ in Kroatien.