„Ich bin heute zum ersten Mal hier – und ganz sicher nicht zum letzten Mal“, sagt Christel Jodjohn am Freitag vergangener Woche im Gemeindehaus der katholischen St.-Marien-Kirche in Soltau. Sie hat einen defekten Wasserkocher und eine kaputte Stimmungsleuchte mit ins Repair-Café gebracht, in dem Ehrenamtliche einmal im Monat damit beschäftigt sind, Haushaltsgeräte und andere Dinge, die den Geist aufgegeben haben, wieder auf Vordermann zu bringen. „Es ist einfach zu schade, die Sachen wegzuwerfen“, so die Soltauerin. Ihr sitzt der gelernte Maschinenbaumeister und frühere Berufsschullehrer Manfred Hirschmüller gegenüber und werkelt am Elektrogerät.
Gibt es die „geplante Obsoleszenz“, also vom Hersteller eingebaute „Sollbruchstellen“, damit die Produkte nur eine begrenzte Haltbarkeit haben und Verbraucher zum Neukauf animieren? „Das kann man schlecht nachweisen“, so Hirschmüller. Allerdings seien nicht selten die günstigsten Teile verbaut. „Ganz oft sind es Kondensatoren, die kaputtgehen“, erklärt der Ehrenamtliche. Was ihn und seine „Kollegen“ im Repair-Café ärgert, ist, dass die Hersteller oft Schrauben verwenden, für die Otto Normalverbraucher nicht das passende Werkzeug hat. „Da kann man schon unterstellen, dass das Absicht ist“, meint Hirschmüller, während er dem Wasserkocher neues Leben einhaucht: „Wir haben uns deshalb einen Spezialsatz gekauft, mit dem wir auch Schrauben mit ungewöhnlichen Köpfen lösen können. So etwas hat natürlich nicht jeder zu Hause.“
Elfmal haben die rund 15 Ehrenamtlichen des Repair-Cafés in Soltau bereits ihre Dienste angeboten. „Es kommen jedes Mal zwischen 20 und 50 Gäste“, berichtet Michael Weiß, Mitinitiator und Sprecher der Gruppe. Im vergangenen Jahr hatte Dr. Ursula Heimann im Rahmen des Pilotprojekts „Haus der Möglichkeiten“ über Nachhaltigkeit referiert. Weiß regte damals die Gründung eines Repair-Cafés an, ein Projekt, das auch Heimann auf dem Zettel hatte. „Sie hat uns damals Starthilfe gegeben und bei den Besprechungen und Planungen begleitet. Wir sind mit ihr auch jetzt noch telefonisch und über WhatsApp in Kontakt – und hin und wieder schaut sie auch bei uns vorbei“, berichtet Weiß. Nach den ersten Terminen im „Haus der Möglichkeiten“ zog das Repair-Café in die „Kantine“ um. Seit Februar dieses Jahres ist es im Gemeindehaus der St.-Marien-Kirche in der Wiesenstraße 5 zu finden.
„Wir sind sehr dankbar, dass uns die Gemeinde die Räume kostenlos zur Verfügung stellt. Hier haben wir viel Platz, die Küche ist groß und sehr gut ausgestattet“, so Weiß: „Weil wir ja Wasser und Strom verbrauchen, werden wir der Kirche zum Jahresende etwas spenden.“
Die Frauen des Teams bringen zu den Terminen, die außer im Juli und Dezember jeweils am letzten Freitag des Monats von 14 bis 17 Uhr auf dem Plan stehen, fünf bis sechs selbst gebackene Kuchen mit. Eine der fleißigen „Bäckerinnen“ ist Rosi Behrmann. „Ich bin zum vierten Mal dabei“, so die Ehrenamtliche. Sie hatte in der Zeitung gelesen, dass es in Schneverdingen ein Repair-Café gibt und wollte ihren kaputten Toaster reparieren lassen. „Damals habe ich gedacht, dass es toll wäre, wenn wir so etwas auch in Soltau hätten. Als es dann so weit war, sagte ich mir ‚Nichts wie hin‘“, so Behrmann: „Ich fand es gemütlich und bin gleich mit allen ins Gespräch gekommen. Und die Begeisterung war jedes Mal groß, wenn wieder etwas repariert worden ist.“ So sei sie schließlich mit an Bord gegangen.
Die Frauen versorgen die Gäste mit Kaffee und Kuchen, außerdem gibt es zwei Näherinnen, die Kleidung reparieren. Die Männer kümmern sich derweil um die technischen „Problemfälle“ und am Empfang sitzen Andrea Rademacher und mit dem 16-jährigen Fynn Antonczik der Jüngste des Teams. Er hatte sich bereits im „Haus der Möglichkeiten“ engagiert und sich dort entschieden in das Projekt Repair-Café einzusteigen. Ehrenamtliches Engagement findet er wichtig. „Und es macht sich sicherlich auch gut im Lebenslauf“, lacht der 16-Jährige.
Am Empfang werden die Gäste begrüßt und es wird notiert, welche Gegenstände sie zum Reparieren mitbringen. Neben „Klassikern“ wie Toastern, Kaffeemaschinen und Staubsaugern bringen Besucher auch Kleinmöbel, Plattenspieler, Radiorekorder und Rasenmäher mit. „Beim letzten Mal hatte jemand einen defekten Poolreiniger dabei. Manchmal sind auch Schmuckstücke zu löten“, erklärt Weiß.
Manches ist im Handumdrehen erledigt, manches dauert länger. So wie der Staubsauger von Uta Dierking, den Schrauber Ulli Hübner gerade Stück für Stück auseinandernimmt. „Ulli ist echt clever bei der Fehlersuche“, sagt Dierking, die sich ebenfalls im Repair-Café engagiert.
Nach gut 20 Jahren hat sich der Staubsauger von Uta Dierking zur Arbeitsverweigerung entschlossen, doch aus dem Ruhestand wird nichts, denn Ulli Hübner hat den Fehler schließlich gefunden. Beim Blick auf das Messgerät hat er Gewissheit: „Da ist ein Kabelbruch in der Zuleitung. Das lässt sich reparieren“, erklärt der Tüftler. Sein „Kollege“ neben ihm nimmt derweil eine Heißluftfritteuse unter die Lupe, die zwei Gäste soeben ins Haus gebracht haben. „Wir haben eine Erfolgsquote zwischen 50 und 80 Prozent. Das ist schon gut“, lobt Michael Weiß die Fähigkeiten der Ehrenamtlichen. Er selbst greift nicht zum Schraubenzieher oder Lötkolben. Er lacht: „Ich kümmere mich hier um alles – außer Reparaturen.“ Im Dienste der Nachhaltigkeit freut er sich über die große Resonanz auf das Angebot der Ehrenamtlichen. „Unsere Gäste sind sehr zufrieden – und manche auch sehr großzügig“, so Weiß. Auf den Tischen stehen kleine Boxen für Spenden, die von den Gästen nach erfolgter Reparatur mit Münzen und Scheinen gefüllt werden. „Jeder, der von unserem Angebot hört, sagt, dass das eine gute Sache ist“, unterstreicht der Sprecher der Gruppe. Das Team freue sich stets über weitere Ehrenamtliche. „Unser ältester Mitstreiter ist über 70 Jahre alt, die meisten sind 50 plus. Gern hätten wir noch ein paar junge Leute, die sich mit Handys und Computern auskennen. Aber die sind schwer zu finden“, so der Sprecher der Gruppe.
Interessierte können sich per E-Mail unter RC Soltau@web.de melden oder einfach beim nächsten Termin am 27. Juni im Gemeindehaus vorbeischauen.