Es ist schon eine Weile her, dass bei der Wildtierhilfe Lüneburger Heide im Soltauer Ortsteil Hötzingen ein „Notruf“ der außergewöhnlichen Art eingegangen war: Am Donnerstagabend, dem 3. Februar, hatten Polizeibeamte auf der Autobahn 2 in der Nähe von Hannover einen offensichtlich überladenen Transporter angehalten. Bei der Kontrolle machten die Polizisten eine verblüffende Entdeckung: Hinter Kücheneinrichtungen, Pappkartons und Transportboxen fanden sie nicht weniger als 34 Tiere, darunter einen Esel, Stinktiere, Kronenkraniche, exotische Gänse und Enten, Höckerschwäne, Puten, Schneeeulen und Wasserschweine. Da war das Team der Wildtierhilfe von jetzt auf gleich stark gefordert. Der Esel kam noch am selben Abend in einer Pferdepension unter. Die anderen Tiere blieben über Nacht beim Tierschutzverein Hannover und wurden am nächsten Morgen in die Auffangstation nach Soltau gebracht.
Die Wildtierhilfe Lüneburger Heide ist eine vom Land Niedersachsen anerkannte Auffangstation für verletzte und verwaiste heimische Wildtiere. Der Heide-Kurier berichtet regelmäßig über Fundtiere, die in der Einrichtung vorübergehend eine Bleibe gefunden haben beziehungsweise zu vermitteln sind. Die Wildtierhilfe nimmt aber auch Exoten wie zum Beispiel Papageien, Schlangen, Schildkröten und Echsen unter ihre Fittiche. Im Jahr werden rund 2.000 Tiere betreut, aufgezogen und gesund gepflegt. Für Exoten, die häufig aus schlechter Haltung oder Sterbefällen kommen, sucht die Wildtierhilfe dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten in Zoos und zoologischen Einrichtungen.
Die Mannschaft der Soltauer Einrichtung hat so schon so manches erlebt, der illegale Tiertransport indes war eine besondere Herausforderung: „Früh morgens bekam ich Bescheid, um wie viel Uhr die Aktion losgehen würde und mit welchen Tierarten wir ungefähr rechnen sollten. Das war sehr spannend, denn vor allem Wasserschweine und Kronenkraniche hat man nicht jeden Tag in der Station“, berichtet Dorian Engelhardt, Tierpfleger der Wildtierhilfe. Die Tiere waren bereits unterwegs und für die restliche Vorbereitung blieb nur knapp eine Stunde Zeit, während die „eigenen“ Schützlinge auf dem Hof auch noch zu versorgen waren. Nachdem der Tierschutzverein mit den Tieren auf dem Emhof in Hötzingen angekommen war und die Türen des Transporters öffnete, waren alle fassungslos: Ausgewachsene Höckerschwäne hockten eingeengt je zu zweit in einer viel zu kleinen, dreckigen Gitterbox. Einige Tiere wurden nur in Pappkartons transportiert. Die Stinktiere saßen zu viert in einer Geflügelkiste. Die Transportbox der Kronenkraniche fiel halb auseinander.
„Die Transportbehältnisse waren teilweise nicht stabil genug, beschädigt, hatten Stellen mit hoher Verletzungsgefahr und ein paar Tiere hätten während der Fahrt ganz leicht aus den nicht gesicherten Behältern ausbrechen können. Vor allem die Schneeeulen wurden lediglich in Pappkartons transportiert. Die mit dem Schnabel aufgebissenen Löcher waren so groß, dass die Eulen einfach hätten raushüpfen können“, erinnert sich der Tierpfleger.
Die Stationstierärztin machte die erforderliche Gesundheitskontrolle bei den Tieren und untersuchte sie auf mögliche Verletzungen. Einige Tiere hatten sich Verletzungen beim Transport zugezogen, bei anderen wurden alte Wunden und ein schlechter Allgemeinzustand festgestellt, was auf eine bereits vorherige, schlechte Haltung hindeutete. „Einer der Kronenkraniche hatte sich in der Transportkiste die Flügel blutig gescheuert. Entsprechend sah die Kiste von innen aus wie nach einem Massaker. Die Nasenrücken der Wasserschweine waren blutig gescheuert, die Stinktiere stark verwurmt und hatten Läuse“, so Engelhardt.
Nach der Untersuchung kamen die Tiere in ihre vorübergehenden Unterkünfte, mit voller Verpflegung, wo sie sich von den Strapazen erholen konnten. „Sie haben sich sofort auf das Wasser gestürzt und getrunken, als hätten sie ewig nichts bekommen. Das war ein sehr trauriger Anblick“, berichtet Engelhardt. Doch die Tiere erholten sich schnell, gewöhnten sich gut ein und nahmen zuverlässig Wasser und Nahrung zu sich. Neben der Versorgung der Tiere gab es weitere Aufgaben - und so hatten auch die Ämter und das Büro der Wildtierhilfe ordentlich zu tun. Die Herkunft der Tiere musste bei einigen erst noch geklärt werden, bevor sie in eine neue Bleibe durften. Dies nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Laut Wildtierhilfe wäre eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für alle in Gefangenschaft gehaltenen Tiere „ein wichtiger Schritt, um Verantwortliche eines solchen tierschutzwidrigen Transportes, Halter sowie Herkunft der Tiere besser und schneller herausfinden zu können.“
Glücklicherweise hat diese Geschichte ein Happy End: Mit Hilfe der Ämter konnten trotzdem alle beschlagnahmten Tiere aus dem Transporter vermittelt werden und haben nun eine dauerhafte Bleibe in einem Zoo gefunden.