Während Windräder und Solaranlagen längst zum Landschaftsbild gehören, was bekanntlich nicht nur Zustimmung findet, steht die sogenannte Energiewende vor ihrer nächsten großen Herausforderung: der Speicherung. Große Batteriesysteme sollen Schwankungen im Stromnetz ausgleichen und die Versorgung auch dann sichern, wenn weder Wind weht noch die Sonne scheint. Große Batteriespeicher erleben seit einigen Monaten einen Boom. Ein Projekt „mit Spannung“ wird jetzt auch in Soltau realisiert, haben doch die Firma „be.storaged“, ein Tochterunternehmen des Oldenburger Energiekonzerns EWE, und das Unternehmen „terralayr“, ein integrierter Energieflexibilitätsanbieter, mit dem Bau eines modernen Großbatteriespeichers begonnen. „Die Anlage wird überschüssigen Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen aufnehmen und bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen – ein entscheidender Beitrag für Versorgungssicherheit und Netzstabilität“, heißt es in einer Mitteilung der Projektverantwortlichen. Die Inbetriebnahme sei für Ende des ersten Quartals 2026 geplant.
Der Speicher in der Böhmestadt werde über eine Leistung von 20,16 Megawatt (MW) und eine Kapazität von 40,12 Megawattstunden (MWh) verfügen und könne damit rechnerisch den Tagesstrombedarf von rund 3.600 Haushalten decken. Das Projekt werde auf einer Fläche von rund 3.000 Quadratmetern an der Harburger Straße in Soltau realisiert, wobei die Unternehmen acht Batteriespeichercontainer mit vier Trafoeinheiten errichteten.
Großbatteriespeicher bestünden in der Regel aus mehreren verbauten Containern. Ein Container könne rund 50 Module mit mehr als 2.000 Lithium-Ionen-Zellen haben. Die Lebensdauer moderner Großbatterien liege im Bereich von zehn bis 20 Jahren. Die jüngste Generation von Lithium-Ionen-Großspeichern zeichne sich durch „verbesserte Packdichte und Leistungskennlinien“ aus: „Damit lassen sich größere Energiemengen auf kleinerem Raum zuverlässig speichern und bereitstellen. Deutschlandweit gibt es rund 300 Großbatteriespeicher“, teilen die beiden Unternehmen mit.
Wind- und Photovoltaikanlagen in Niedersachsen erzeugten häufig mehr Strom, als aktuell gebraucht werde – insbesondere bei starkem Wind oder intensiver Sonneneinstrahlung. Ohne Speicher ginge dieser Überschuss oft verloren. Der neue Batteriespeicher in Soltau werde es ermöglichen, diese Energie zwischenzuspeichern und später – etwa abends oder bei Flaute – wieder ins Netz einzuspeisen. In Fachkreisen werden Batteriespeicher immer wieder gern als „Schweizer Taschenmesser für die Energiewende“ bezeichnet. Nicht in die Tasche passt das bislang größten Batterie-Speicherprojekt in Deutschland mit einer Kapazität von 239 Megawattstunden, das von einem anderen Unternehmen in Bollingstedt in Schleswig-Holstein in Betrieb genommen wurde. Dieses könnte laut Betreibern rund 30.000 Haushalte einen Tag mit Strom versorgen. Weitaus mehr Kapazität, stolze 1.600 Kilowattstunden, soll die Anlage haben, die in den kommenden Jahren am Standort des ehemaligen Atomkraftwerks in Brokdorf im Kreis Steinburg entstehen soll.
Im Vergleich dazu ist das Vorhaben in Böhmestadt zwar weitaus weniger ambitioniert, aber dennoch ein Signal: „Mit dem Baustart in Soltau setzen wir ein klares Zeichen für die Energiewende und zeigen wie sich Klimaschutz, Versorgungssicherheit und regionale Wertschöpfung optimal verbinden lassen“, unterstreicht Magnus Pielke, Geschäftsführer des Unternehmens „be.storaged“. Die Firma verfolge einen „technologieoffenen Ansatz, denn je nach Standort, Netzanforderungen und Projektgröße kämen unterschiedliche Systeme zum Einsatz: „In Soltau werden Komponenten des Systemanbieters Sungrow installiert.“
Betrieben und vermarktet wird der Speicher vom Eigentümer „terralayr“ über eine eigene Softwareplattform. „Über unsere intelligente Steuerungs- und Vermarktungsplattform ‚LAYR‘ stellen wir Energieunternehmen bedarfsgerecht Flexibilität, also flexible Stromreserven, zur Verfügung. Das gewährleistet eine optimale Auslastung der Speicher. Damit demonstrieren wir, wie digitale Lösungen und Batteriespeicher gemeinsam ein modernes Energiesystem ermöglichen“, erläutert Mikko Preuss von „terralayr“. Das Unternehmen ist ein Entwickler und Betreiber von Batteriespeichern mit Sitz in Deutschland. Es bündelt eigene und Partneranlagen über eine digitale Plattform, vermarktet deren Flexibilitäten und soll so erneuerbare Energien effizient und planbar nutzbar machen. Mit mehreren Speichern am Netz, mehr als hundert Megawatt in der Umsetzung sowie einer Projektpipeline von mehreren Gigawatt leistet „terralayr“ nach eigenen Angaben „einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze und zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende.“
Wer in Projekte dieser Art investiert, möchte, wie sollte es anders sein, natürlich auch Geld verdienen. Es ist kein Geheimnis, dass mit Energiespeichern durch das Handeln von Energie an der Börse hohe Gewinne erzielt werden können. Die Unternehmen verweisen jedoch in erster Linie auf eine nachhaltige Energieversorgung, Netzstabilität und die Reduzierung von Emissionen.
Das Oldenburger Unternehmen „be.storaged“ als 100-prozentige Tochter des Energiekonzerns EWE teilt mit, dass es mit dem Ausbau von Batteriespeicherlösungen unmittelbar zur Umsetzung der EWE-Klimastrategie beitragen wolle. EWE investiere bis zum Jahr 2035 mehr als 16 Milliarden Euro in den Umbau der Energieversorgung – unter anderem in erneuerbare Energien, Netzinfrastruktur, Wasserstoff, Großspeicher, Wärmenetze und Elektromobilität – und treibe damit „die Transformation hin zur Klimaneutralität konsequent voran.“ Die installierte Kapazität der Großbatteriespeicher in Deutschland liege im Bereich von mehreren Gigawattstunden. Der Großteil der deutschen Großbatteriespeicher befinde sich in der Nähe von Wind- oder Solarparks zur Netzstützung.
„Mit der Transformation unseres Energiesystems und dem erforderlichen Ausbau der erneuerbaren Energien nehmen Großbatteriespeicher eine immer wichtigere Rolle ein“, machte Ende Juni dieses Jahres die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) deutlich. Durch sinkende Marktpreise für Batteriespeicher, die Förderung von gespeichertem erneuerbarem Strom und die 20-jährige Netzentgeltbefreiung von Anlagen, die bis 2029 errichtet werden, habe sich die Nachfrage nach Netzanschlüssen von Großbatteriespeichern in den vergangenen Monaten vervielfacht. Auf Bundesebene hatte das Ministerium für Wirtschaft und Energie im Zuge der Energiewende eine Stromspeicher-Strategie vorgelegt, die darauf abzielt, „den Hochlauf der Stromspeicher zu unterstützen“ und „eine optimale Integration dieser Anlagen als Kurzzeitspeicher in das Stromsystem zu erreichen.“ Schließlich zeige sich insgesamt, so hieß es seinerzeit vonseiten des Ministeriums, „dass Speicher eine zentrale Rolle bei der kosteneffizienten Integration der erneuerbaren Energien ins Gesamtsystem spielen.“