Ob er denn zwecks Altersüberprüfung seinen Personalausweis dabei habe, wird Graf Dracula am vergangenen Montagabend im großen Garten in der Lüneburger Straße 152a in Solau gefragt. „Der ist schon seit 300 Jahren abgelaufen“, antwortet das blutsaugende Bleichgesicht und hat damit die Lacher auf seiner Seite. Der Vampir heißt im richtigen Leben Michael, ist 57 Jahre alt und arbeitet im öffentlichen Dienst. In Graf Dracula hat er sich in seiner Freizeit aus Spaß an der Freude verwandelt, denn der Soltauer ist einer der Laiendarsteller, die sich im „Garten des Schreckens 2.0“ in der Böhmestadt auf die Fahne geschrieben haben, Kinder, Jugendliche und Erwachsene für ganz kleines Geld das Fürchten zu lehren. Eben noch geisterte er aus seiner hölzernen Schlafstätte heraus, um die Besucher der privaten Halloween-Veranstaltung in der Böhmestadt gepflegt zu gruseln, jetzt aber macht der weiß geschminkte Spitzzahn mit den schwarz umrandeten Augen im Partyzelt Pause und genießt gemeinsam mit dem Stephen-King-Horrorclown Pennywise, einer furchteinflößenden Vogelscheuche, Zombie-Frauen und vielen weiteren liebevoll kostümierten Gänsehaut-Garanten ein alkoholfreies Heißgetränk auf Milchbasis. Es regnet nämlich in Strömen, was dazu geführt hat, dass der Besucherandrang von jetzt auf gleich abgeebbt ist.
Für den gruseligen Auftritt im Privatgarten hatte der Fürst der Finsternis auf dem freien Markt eine aufklappbare „Behausung“ gesucht, bei den hiesigen Bestattern mit seinem Anliegen jedoch nicht gerade offene Türen eingerannt. „Selbst ist der Mann“ hieß es deshalb, wie der 57-Jährige nach einem Schluck aus seiner Kakaotasse berichtet: „Den Sarg habe ich selbst gebaut, das hat mich rund 100 Euro gekostet.“ Das i-Tüpfelchen am „Tiny House“ des gruseligen Grafen sind leuchtende LED-Leisten, die die Holzkonstruktion ins rechte Licht rücken und bei den Auftritten des schwarz gekleideten Nachtschwärmers Farbe ins Spiel bringen.
Sie haben keine Kosten und Mühen gescheut, die insgesamt rund 20 Frauen, Männer und Kinder um das Ehepaar Jörg und Maren Behrensen. Mit Hilfe von Verwandten, Bekannten, Freunden und Nachbarn hat die Familie ihren Garten an der Lüneburger Straße einmal mehr mit Hilfe von Bauzaun-Elementen, Tarnnetzen, Tüchern und jeder Menge Technik sowie Halloween-Deko en masse in einen Hort des Horrors verwandelt.
Nebel wabert durch das Grün, Spinnen, Skelette, Totenschädel, Kürbismonster und Geister in verschiedenen Größenordnungen setzen ängstigende Akzente. Rund 2.500 Quadratmeter Garten haben die Veranstalter in Privatinitiative mit viel Liebe zum Detail in einen Parcours des Grauens verwandelt. Besucherinnen und Besucher sollen sich in dieser Atmosphäre altersgerecht ängstigen. Für Kinder gibt es zunächst zu früherer Stunde eine etwas „harmlosere“ Version, für Erwachsene wird dann im Dunkeln noch mal eine Schippe Schrecken draufgelegt.
„Das habt ihr echt toll gemacht“, schwärmt eine ältere Besucherin. „Richtig gut“ findet das Ganze auch ein Zehnjähriger, der sich als Sensenmann verkleidet hat und im Parcours völlig furchtlos den Großeltern den Vortritt lässt. Sichtlich Spaß hat auch eine Gruppe der Kinder-, Jugend- und Familienhilfeeinrichtung Takoda GbR aus Schneverdingen, die von den Soltauern eingeladen worden ist. Und genau das ist das Ziel der Initiatoren: Jung und Alt eine Freude zu machen, eine Pause vom Alltag zu bieten, die sich jeder leisten kann. Nur einen Euro Eintritt nehmen die Grusel-Gönner, finanzieren damit unter anderem den Toilettenwagen, der am Hofeingang steht.
Erleichtert sollen die Besucherinnen und Besucher allerdings erst sein, wenn sie den Ausgang erreicht haben. Dazu legen sich alle Beteiligten mächtig ins Zeug. Eine der Zombie-Frauen zum Beispiel stand nicht weniger als zwei Stunden vor dem Spiegel, um sich zur Angstmacherin umzufunktionieren. Mit Hilfe von entsprechenden Kontaktlinsen und jeder Menge Make-up und Geduld hat sie sich in eine Untote verwandelt, die in der Fernsehserie „The Walking Dead“ eine richtig gute Figur machen würde. Hollywood läßt grüßen. Bei soviel Aufwand ist es mehr schade, dass plötzlich Regen einsetzt. Die Gänsehaut-Garanten tragen es mit Fassung und machen sich augenblicklich daran, Teile der Deko vor den dicken Tropfen in Sicherheit zu bringen. Aus der Hüpfburg für die Kleinen wird die Luft rausgelassen, den Hobby-Erschreckern indes geht nicht die Puste aus. „Das ist eben so mit dem Wetter. Da kann man nichts machen“, sagt Jörg Behrensen.
In den Nachtstunden allerdings geht der Horror weiter, denn Wind und Wetter wirbeln den „Garten des Schreckens 2.0“ kräftig durcheinander. „Wir haben einige Sturmschäden, die wir reparieren müssen“, sagt Jörg Behrensen am folgenden Tag am Telefon: „Es sind einige Folien weggerissen und die Gänge zum Teil verwüstet.“ Es ist also noch einiges zu tun, um die Gäste auch am zweiten Abend das Fürchten lehren zu können. Aber von Wetterkapriolen lassen sich erfahrene Halloweenfreunde selbstverständlich nicht abschrecken. Und einige Ideen für die Fortsetzung im kommenden Jahr spuken ihnen auch schon im Kopf herum.
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