„Medizinische Versorgung im ländlichen Raum“ - das ist ein mehr als abendfüllendes Thema. Insofern war eigentlich schon von vornherein klar, daß so manche Fage unbeantwortet bleiben mußte, als der hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete jetzt zur Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Reihe „Fraktion vor Ort“ ins Soltauer Hotel Meyn geladen hatte. Gemeinsam mit Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, konnte sich Klingbeil über ein volles Haus freuen: Der große Saal war gut gefüllt - vor allem auch mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Gesundheitsberufe.
„Das ist ein kritisches Thema, für das es nicht viel Beifall und Schulterklopfen gibt. Aber wir müssen für eine gute medizinische Versorgung der Menschen im ländlichen Raum kämpfen“, meinte Klingbeil und spannte dabei den Bogen von den Pflegediensten über die ambulante und stationäre ärztliche Versorgung bis hin zu Physiotherapie, Hebammen und Apotheken.
Wie es um diese Versorgung steht, weiß Dittmar aus eigener Erfahrung: Als gelernte Kinderpflegerin und studierte Medizinierin arbeitete sie in ihrer Hausarztpraxis im kleinen unterfränkischen Maßbach, bis sie hauptberuflich in die Politik ging. So sei es bekanntermaßen schwer, Nachfolger für Hausärzte im ländlichen Bereich zu finden. Die Schritte, die dagegen eingeleitet worden seien, zeigten aber bereits Wirkung. Die Rahmenbedingungen seien verbessert und erheblich in Weiterbildung mit Anbindung an Kompetenzzentren investiert worden. Es gebe Möglichkeiten für teamorientiertes Arbeiten mit verläßlichen Arbeitszeiten, etwa im Angestelltenverhältnis beispielsweise in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Zudem sei vieles zur Entbürokratisierung getan worden.
„Was wir jetzt vor uns haben, ist der Masterplan Medizinstudium 2020“, so Dittmar. Dazu würden beispielsweise die Zulassungskriterien verändert und die Zahl der Studienplätze in den Ländern erhöht. Die Politik müsse den Rahmen für all dies schaffen. Von der umstrittenen Landarztquote, „halte ich allerdings nichts.“ Wer sich verpflichte, sich als Landarzt niederzulassen, und es am Ende doch nicht tue, dem sei nur schwer beizukommen, auch nicht mit finanziellen Sanktionen. Aber, so Dittmar, „ich lasse mich gern eines Besseren belehren.“
Was die Pflege betrifft, so betonte die Gesundheitsexpertin, in der laufenden Legislaturperiode seien zwar wichtige Grundsteine zur Attraktivierung dieses Berufes gelegt worden, „aber es gibt noch viel zu beackern.“ Hier verwies Dittmar auch auf die Möglichkeit, Pflegekräften auf dem medizinischen Sektor mehr Kompetenzen einzuräumen, „denn sie können mehr, als sie tun dürfen.“ Auch im Bereich der Heilmittelerbringer, also etwa der Physiotherpeuten, „sind schon wichtige Schritte gemacht worden, aber wir sind noch nicht am Ende.“
Zum Thema Medikamentenversorgung und Kritik an Online-Apotheken verwies die Sozialdemokratin auf das „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“, das inzwischen im Kabinett beschlossen worden ist. Damit gilt beispielsweise, daß in Zukunft gesetzlich Versicherte bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln überall den gleichen Preis zahlen - egal ob bei einer Versandapotheke oder bei einer Apotheke um die Ecke. Zudem gibt es mehr Geld für Notdienste und neue Dienstleistungen. Damit, so Dittmar, „stärken wir die Apotheke, ohne ausländische Versender zu verbieten.“ Letztere verkauften in Deutschland schon seit Jahren nur etwa ein Prozent der verschreibungspflichtigen Medikamente. Dittmar selbst sei Anhängerin der örtlichen Apotheke. Wenn die Pobleme bekomme, dann könne dies aber auch daran liegen, daß es möglicherweise zu viele Apotheken im Umkreis gebe oder Arztpraxen in der Nähe geschlossen worden seien, wodurch dann weniger Rezepte eingelöst würden.
Last but not least ging es auch um die stationäre Versorgung - ein Komplex, der gerade im Heidekreis lange Zeit Reizthema war und zum Teil noch ist. Speziell zur Situation im Heidekreis konnte die Gesundheitsexpertin zwar nichts sagen, wohl aber zur jüngst erschienenen Bertelsmann-Studie. Die sagt unter anderem, daß mehr als jedes zweite Krankenhaus geschlossen werden müßte, damit qualifiziertes Personal und gute Ausstattung gebündelt werden könnten. Hier räumte Dittmar ein, „daß wir zwar spezialisierte Krankenhäuser brauchen, denn das bringt mehr Qualität. Das heißt aber nicht, daß man mit der Rasenmähermethode jedes zweite Haus zumachen soll. Man muß natürlich immer genau hinsehen, wo die Versorgung in der Fläche beibehalten werden muß.“
In der Diskussion mit dem Publikum ging es insbesondere um spezielle Probleme in den einzelnen Gesundheitsbereichen. So beispielsweise um die Kritik, daß der Versandhandel Arbeitsplätze in hiesigen Apotheken koste oder die Wegepauschale in der ambulanten Pflege auf dem Land viel zu niedrig sei. Auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der U-Untersuchung kam aus dem Publikum, ebenso wie die Klage, daß die Kinderarztversorgung in Soltau inzwischen „grottig“ sei. Ein Besucher forderte die Abschaffung der Fallpauschalen, denn die seien für die finanzielle Misere vieler Krankenhäuser verantwortlich, während ein weiterer die schlechte ambulante Notfallversorgung beklagte, die dazu führe, daß Notfälle etwa aus Bispingen nach Hamburg gebracht würden.
Vieles konnten Dittmar und Klingbeil nur aufnehmen, allerdings nicht ausdiskutieren. Aber Antworten auf alle Fragen hat wohl auch keiner der Besucher erwartet.