Anderthalb Meter sind – ganz subjektiv gesehen – ein sehr variables Maß: Manchem Autofahrer mögen 150 Zentimeter vielleicht als unnötig großer Sicherheitsabstand erscheinen, wenn er möglicherweise sogar ein Stück auf die Gegenspur ausweichen muss, um vorschriftsmäßig einen Fahrradfahrer zu überholen. Für eben diesen Verkehrsteilnehmer machen die rund zwei Armlängen aber einen gewaltigen Unterschied aus – nämlich jenen, ob er sich auf der Straße sicher fühlen kann, oder eben nicht, wenn Pkw und Lkw nur wenige Zentimeter entfernt vorbeirauschen. Um in diesen Bereich für mehr Sicherheit auf Soltaus Straßen zu werben, haben der ADFC Heidekreis und die Initiative „Soltau fährt Rad“ jetzt eine erste gemeinsame Aktion gestartet: Plakate an den wichtigsten Hauptverkehrswegen in der Böhmestadt weisen Autofahrer darauf hin, dass Radfahrer mindestens mit eben diesen vorgeschriebenen 1,50 Metern Distanz passiert werden müssen.
„Sie fahren mit Abstand am besten“ – das kann man als Kompliment verstehen, die Botschaft auf den blau-weißen Plakaten ist aber eher eine Erinnerung an jene Autofahrer, die es entweder verdrängen oder vielleicht gar nicht wissen: „Seit 2020 regelt die Straßenverkehrsordnung in Paragraf 5 eindeutig, dass der Überholabstand mindestens 1,50 Meter betragen muss, um Radfahrern eine sichere Fahrt zu ermöglichen. Außerorts sind es sogar zwei Meter. Und dieser Abstand gilt auch bei mit gestrichelten Linien markierten Schutzstreifen“, ruft Doris Blume-Winkler vom ADFC Heidekreis die Regelung ins Gedächtnis. Da müssten Pkw und Lkw gegebenenfalls auch schon mal bremsen: „Denn wenn der Gegenverkehr das sichere Überholen nicht zulässt, ist mit dem Überholvorgang zu warten, bis sich eine geeignete Gelegenheit ergibt.“ Seit vier Jahren ist die Vorschrift also eindeutig definiert. Doch noch zu viele hielten sich nicht daran: „Es kommt immer wieder vor, dass wir als Fahrradfahrer zu dicht überholt werden“, gibt Blume-Winkler ihre und die Erfahrungen ihrer Mitstreiter wieder.
„Würden alle Autofahrer diese Vorgabe beachten, würde das Radfahren auf der Straße sicherer sein und auch so wahrgenommen werden“, meint Lena Großholz von „Soltau fährt Rad“. Doch bis heute gebe es viele, die die inzwischen vier Jahre alte Regelung der Straßenverkehrsordnung nicht kennen und mit einem zu geringen Abstand beim Überholen Radfahrer verunsicherten und gefährdeten.
Leider, ergänzt Blume-Winkler, komme es sogar regelmäßig vor, dass Autofahrer die Radfahrer hupend an den Straßenrand drängten: „Das ist sehr unangenehm, manches grenzt schon an Nötigung.“ Neben Gefährdung und Verängstigung erlebten manche Fahrradfahrer auch noch eine unnötige Belehrung, nämlich den Hinweis des Autofahrers durch Zuruf oder Geste, doch gefälligst den Rad- oder Gehweg zu benutzen. Schlicht falsch: „Radfahrer in Soltau dürfen immer auf der Fahrbahn fahren. Benutzungspflichtige Radwege gibt es in Soltau nicht mehr“, erläutert die 2. Vorsitzende des ADFC Heidekreis. „Man kann als Radler die Radwege nutzen, muss es aber nicht.“
Doch warum sich mit dem Drahtesel auf die Spur zwischen Pkw/Lkw und Bordstein begeben, wenn es doch direkt daneben einen Radweg gibt? Darauf hat Hannah Lahmann, aktiv im ADFC Heidekreis und in der Initiative „Soltau fährt Rad“, eine Antwort: „Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, möchte ich auch zügig vorankommen. Bei im Schnitt rund 23 km/h auf dem Radweg ist das wegen der vielen abgesenkten Bordsteine eine echte Berg- und Talfahrt, zudem in vielen Abschnitten ein Slalom herum um Mülltonnen und andere Hindernisse.“ Hannah Lahmann gehe es nicht darum, Autofahrer anzuprangern, sondern an deren Verständnis für Radler zu appellieren, ihnen das Stückchen mehr Platz auf der Straße zu lassen, das ihnen zustehe. Ihre Mutter Ortrud Lahmann sieht da bereits einige Erfolge: „Die früher über die Straße gespannten Banner als Hinweis für mehr Abstand haben offenbar Wirkung gezeigt. Wir haben seitdem jedenfalls eine Verbesserung festgestellt.“
Aber eine kleine „Gedächtnisstütze“ kann ja nicht schaden – und die ist im wahrsten Sinne deutlich kleiner als die großen Transparente über der Fahrbahn, dafür zahlreicher: Insgesamt 30 Plakate mit dem Aufdruck „Sie fahren mit Abstand am besten“ befestigten die Aktiven aus den Reihen von ADFC Heidekreis und „Soltau fährt Rad“ in den vergangenen Tagen entlang der Hauptstraßen. Die Schilder hängen dort für rund zwei Wochen – übrigens nicht allein als Hinweis für Autofahrer, sondern auch als „kleiner Wink“ an die Stadtverwaltung. Denn von der erhoffen sich die beiden Initiativen durchaus mehr Unterstützung und mehr Augenmerk auf den Radverkehr selbst: „Wir möchten mit dieser Aktion auch zeigen, dass mit relativ wenig Aufwand ein Beitrag für mehr Sicherheit von Radfahrern geleistet werden kann. Kommunen können sich so mit einfachen Mitteln für die Förderung des Radverkehrs einsetzen“, erklärt Doris Blume-Winkler.
In anderen Regionen bewege sich da schon etwas mehr, meint die 2. Vorsitzende des ADFC Heidekreis: „Buchholz in der Nordheide beispielsweise macht es vor, wirbt mit Kandelaber-Plakaten für den sicheren Überholabstand und informiert Autofahrer, dass Radfahrer auf der Straße fahren dürfen oder weist auf das Park- und Halteverbot auf Schutzstreifen hin.“