„Pünktlichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“: Wenn Politikerinnen oder Politiker aus Berlin oder Hannover in die Heide reisen, um in der „Provinz“ Termine wahrzunehmen, dann sollten die Gastgeber gemeinhin ein wenig Wartezeit einplanen. Schließlich machen auch die gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter auf dem Weg in die Region immer wieder die Erfahrung, dass die Autobahn 7 in Sachen Verkehrsfluss ihre ganz eigenen Gesetze hat. Gut, dass „Navis“ nicht nur Parteivertretern anzeigen, wo es langzugehen hat, sondern auch, wann das Ziel voraussichtlich erreicht wird. Und so können Wiebke Osigus, niedersächsische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, und ihre Begleiterinnen und Begleiter aus dem Ministerium in Hannover am vergangenen Mittwoch schon mal aus der Ferne durchgeben, dass sie rund 20 Minuten später als geplant in Soltau eintreffen werden. Ziel von Osigus ist es, quasi als „Kontrolleurin“ zu „überprüfen“, wie die Stadt Soltau mit Unterstützung „ihres“ Ministeriums zu einer Stadt voller Rätsel geworden ist. Sie wird nämlich, so ist es vorgesehen, die „Homo Ludens GeoTour“, einen neuen digitalen Rätsel- und Erkundungsspaß für die ganze Familie, testen.
Als der Fahrer der Sozialdemokratin noch einige „Kilometer machen“ muss, warten Bürgermeister Olaf Klang, ein halbes Dutzend Verwaltungsvertreterinnen und -vertreter und Gäste sowie eine Handvoll Kinder und Jugendliche bei bestem Sommerwetter unter den schattenspendenden Bäumen auf dem Georges-Lemoine Platz – es gibt sicherlich „Wartebereiche“, die einen weitaus geringenen Wohlfühlfaktor zu bieten haben. Pünktlich ist die kleine „Abordnung“ des Ministeriums dann, was die Verspätung angeht: Das Fahrzeug mit großem „H“ auf dem Kennzeichen rollt um 14.50 statt – wie angedacht – um 14.30 Uhr auf die eigens freigehaltene Stellfläche am Georges-Lemoine-Platz. Dicke Luft ob der verkehrsbedingten Verzögerung? Mitnichten: Bei Wiebke Osigus hat sich ganz offensichtlich nichts „aufgestaut“, bestens gelaunt steigt sie aus dem schwarzen Van eines deutschen Herstellers, begrüßt alle Wartenden mit Handschlag und versprüht, lockere Freizeitkleidung tragend, gute Laune.
„Ich freue mich sehr, dass Sie da sind“, sagt Klang und übergibt kurz darauf an Innenstadtkoordinatorin Anne-Marie Niemeyer. Diese serviert der Ministerin den neuen digital-analogen Spielspass der Marke „Soltau“ sogleich auf dem Silber-Tablet. Zwar funktioniert das Ganze eigentlich über Apps auf dem Smartphone, aber aus Gründen der Übersichtlichkeit ist ein flacher Rechner mit großem Display beim Besuch der „Geldgeberin“ wohl die bessere Wahl. Als Mutter kann Osigus mit der Maxime „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ sicherlich etwas anfangen. Als Politikerin indes zeigt sich die 42-Jährige Rechtsanwältin und Mediatorin begeistert, dass sie im Rahmen ihrer Sommertour beim Zwischenstopp in der Böhmestadt beides verbinden kann – und zwar ganz ohne Straßenverkehr, bequem und umweltschonend per pedes. Neugierig nimmt sie, das silberfarbene Tablet fest in den Händen, die neue „GeoTour“ namens „Homo Ludens – der spielende Mensch“ in der Stadt in Angriff.
Dabei handelt es sich um eine Art „Schatzsuche“ mit digitaler Unterstützung. Die moderne Form der Schnitzeljagd richtet sich insbesondere an Familien. Per Anwendungen auf dem Smartphone werden Erkunder und Rätselfüchse durch die Innenstadt sowie in die Museen geführt, lösen dabei verschiedene Aufgaben und lernen die Stadt Soltau und zum Teil auch ihre Geschichte auf spielerische Art und Weise kennen. Das neue Angebot für Jung und Alt wurde, wie weitere Maßnahmen, zum Beispiel die E-Bike-Ladestation und die mobilen Sitzmöbel, mit finanziellen Mitteln aus dem Förderprogramm „Perspektive Innenstadt!“ realisiert. Das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung hat dieses Sofortprogramm federführend zusammen mit dem Ministerium für Wirtschaft und dem Ministerium für Bauen und Umwelt für alle niedersächsischen Städte und alle Samt- oder Einheitsgemeinden ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ins Leben gerufen, in denen mindestens ein Grundzentrum festgelegt ist und die, so heißt es, „in ihren Innenstädten von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sind.“ Die Stadt Soltau hat die verschiedenen Projekte mit Fördergeldern aus den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit einem Budget von 345.000 Euro umgesetzt (HK berichtete).
Natürlich möchte sich das Ministerium ein Bild davon machen, wo und wie das Fördergeld in den bedachten Kommunen verwendet worden ist. Auch deshalb besucht Osigus im Zuge ihrer Sommertour 14 Städte, Gemeinden und Samtgemeinden – und das innerhalb einer Woche. Nach Soltau ist sie von ihrer Stippvisite in Bremervörde über einen weiteren Termin in Jork gelangt.
Nach der kurzen Begrüßung am Georges-Lemoine-Platz macht sich die Ministerin sogleich an des Rätsels Lösung. Erste Station ist das „Grüne Sofa“, an dem eine „Augen auf!“-Aufgabe zu meistern ist. Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen geht es hinauf aufs überdimensionale Sitzmöbel, wobei Lokalmatador Olaf Klang hier ganz klar einen Größenvorteil hat und von der Politikerin beim „Aufstieg“ mit dem Kompliment „ein Stück weit sportlicher als ich“ bedacht wird. Die erste Herausforderung wird mit vereinten Kräften recht schnell gemeistert. „Jetzt hat mich der Ehrgeiz gepackt“, lacht Osigus. Niemeyer wirft sogleich den Köder aus, lädt die Politikerin zum Wiederkommen ein, denn: „Sie werden hier heute nur einen Bruchteil der Tour machen.“ Ein „Comeback“ zum Lösen aller Aufgaben kann sich die Politikerin tatsächlich sehr gut vorstellen, wie sie unterwegs erzählt, wohne sie doch gar nicht allzu weit weg.
Auf dem Weg zur nächsten Station stoppt die Gruppe kurz am „ChargerCube“, der Ladestation für Fahrräder mit Elektromotor am Georges-Lemoine-Platz sowie an einer der ebenfalls neuen hölzernen Bänke und Liegen mit Pflanztrog im Rückenteil. Das kurze Probeliegen erfolgt nur auf Wunsch der Fotografen, Ausruhen ist im straffen Zeitplan der Ministerin nicht vorgesehen.
Die nächste Station hat mit Wasser zu tun und die als Unterstützer „angeheuerten“ ortskundigen Kinder und Jugendlichen ahnen schnell, wo es hingehen wird und übernehmen nur allzu gern die Führung. Gute Augen sind gefragt an diesem Punkt der Entdeckungsreise. Nach dem Fund des verborgenen Schatzes geht es weiter. Es folgt ein kurzer Ausflug in die Geschichte Soltaus, dann hält die Gruppe in der Burg an. Dort rollen Bürgermeister Klang und Daniel Gebelein, Leiter der Fachgruppe „Regional- und städtebauliche Entwicklungsplanung, Recht“, einen großen Plan aus. Sie erläutern die mit Fördermitteln angeschobene städtebauliche Machbarkeitsstudie zur Neugestaltung dieses Soltauer Bereiches als „neues Eingangstor der Innenstadt“. Gebelein sagt, dass es darum geht, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern kreative Ideen zur Neugestaltung und Attraktivitätssteigerung der Burg zu erarbeiten.
Am nächsten Punkt der „GeoTour“ ist Teamwork gefragt, an dieser nämlich geht es um Kommunikation. Die Kinder und Jugendlichen aus Soltau sind redselig und ganz Ohr zugleich, sodass Osigus die Lösung in den Rechner eintippen kann.
Bei einem kurzen Abstecher in die Filzwelt Felto steht, wie sollte es anders sein, das Thema Filz im Mittelpunkt. Klang berichtet, dass die Experten der Soltauer Firma Röders gefragter Ansprechpartner in Sachen Kanalsanierung ohne Erdarbeiten mithilfe von sogenannten Nadelfilz-Linern seien – und damit weltweit Erfolg hätten. Auch in der Filzwelt ist ein Rätsel zu lösen, danach folgen, wieder im Freien, zwei weitere Aufgaben, die mit Hilfe der Kinder und Jugendlichen wie dem zehnjährigen Fiete ebenfalls schnell gemeistert sind.
Zum Abschluss wird der Pop-up-Store im Hagen besucht. Bis Ende März dieses Jahres hatten dank der Förderung aus dem Programm „Perspektive Innenstadt!“ neun verschiedene Nutzer die Räumlichkeiten zu extrem günstigen Konditionen gemietet, um sich und ihre Angebote in der Innenstadt zu präsentieren. Inzwischen befindet sich dort ein Spielecafé, betrieben von „Generation Z“ und finanziert mit städtischen Mitteln. „Wir befinden uns noch in der Konzeptionsphase“, berichtete Carina Zottl von „Generation Z“. Das Spielecafé sei derzeit probeweise jeweils zwei Stunden am Tag, nämlich von 16 bis 18 Uhr, geöffnet. Eltern könnten in Ruhe einkaufen gehen oder in den Gastronomiebetrieben entspannt eine Tasse Kaffee trinken, der Nachwuchs sei derweil in guten Händen. „Unser Angebot wird gut angenommen, ganz besonders, wenn die Gastronomie geöffnet hat“, so Zottl. In der Findungsphase werde nun eruiert, was sich Kinder und Eltern wünschten, was für Bedarfe es gebe. Insgesamt sei die Kinderbetreuung mit Spiel und Spaß ein gutes Mittel, „um die Qualität der Innenstadt zu erhöhen.“ Daher werde angestrebt, das Spielecafé, gegebenenfalls mit Mitteln aus der nächsten Förderperiode, weiter zu betreiben.
Ministerin Osigus zeigt sich erfreut, was mit den Landesmitteln in der Böhmestadt auf die Beine gestellt worden ist: „Es gibt hier viele Menschen, die sich vor Ort für die Stadt einsetzen.“ Die Schaffung geschützter Räume zum Zusammenkommen und die Entlastung von Familien fördere den Zusammenhalt. „Es ist schön, dass wir das mit Fördergeldern unterstützen können“, so die Politikerin und fügt, kurz vor der Weiterreise, lachend hinzu: „Da sind wir schon ein bisschen das Sonnenscheinministerium, das Ministerium für ‚Besser leben‘ und ‚Schöner wohnen‘.“
„Der spielende Mensch“
Apps auf das Smartphone laden und einfach loslegen
„Homo Ludens – der spielende Mensch“ heißt die neue Tour in Soltau, die zum Erkunden und Rätseln einlädt. Sie wurde in den vergangenen Monaten im Auftrag der Stadt Soltau von der Firma Geheimpunkt aus Hannover entwickelt.
Die Mischung aus digitaler und interaktiver Schnitzeljagd richtet sich insbesondere an Familien, die mit Hilfe von Anwendungen auf dem Smartphone durch die Innenstadt sowie in die Museen geführt werden. Die Tour besteht aus zwei Elementen: So sind vier sogenannte Geocaches in der Innenstadt versteckt, die über Koordinaten zu finden sind. Dazu wird die Geocaching-App benötigt, die unter https://www.geocaching.com/play aus dem Internet heruntergeladen werden kann. Geocaching ist eine GPS-basierte digitale Schnitzeljagd – ein Hobby, das weltweit ausgeübt wird. Weiterhin gibt es in Soltau vier „Adventure Labs“, nämlich Innenstadt, Spielmuseum, Filzwelt Felto und Heimatmuseum, die mit sechs bis zehn Rätselstationen aufwarten. Für jeden „Adventure Lab“ sollten circa 60 Minuten Spielzeit eingeplant werden. Benötigt wird die entsprechende App, eine interaktive Anwendung, in die Lösungsworte eingegeben werden müssen und die vor allem in den Innenräumen in den Museen genutzt wird. Sie ist unter der Adresse https://www.geocaching.com/sites/adventure-lab/de/ zu finden.
Die Tour kann eigenständig und ohne Führung gespielt werden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Spielerinnen und Spieler können sich dabei so viel Zeit lassen, wie sie möchten und gleichzeitig noch die Museen besichtigen. Die Spieldauer kann bei Abschluss aller Stationen und je nach Erfahrung daher bis zu zwei Tage dauern. Je nach Zeit und Lust können die Stationen unabhängig voneinander und in einer beliebigen Reihenfolge „abgearbeitet“ werden. Wichtig ist nur, sich an den Öffnungszeiten der Museen zu orientieren. Wer den „Bonuscache“ in Angriff nehmen möchte, muss lediglich für diesen vorab über die App einen Termin buchen. Empfohlen wird die Tour für Kinder ab acht Jahren in Begleitung von Erwachsenen sowie für alle Rätselfüchse. Gruppen sollten aus vier bis sechs Personen bestehen.
Weitere Infos zur „GeoTour“ sind unter den Links https://www.soltau-touristik.de/erlebnis/geotour-soltau sowie https://www.geocaching.com/play/geotours/soltau zu finden.
HK-Video zur neuen „GeoTour“ in Soltau: https://fb.watch/lRYNWaXv8z/