Soltau-Therme: Künstliche Intelligenz verleiht „Superkräfte“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Bad in der Böhmestadt setzt künftig digitale Schwimmbeckenüberwachung ein

Soltau-Therme: Künstliche Intelligenz verleiht „Superkräfte“

„Vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz (KI) kann viele Vorteile mit sich bringen, etwa eine bessere Gesundheitsversorgung, sicherere und umweltfreundlichere Verkehrsmittel, eine effizientere Fertigung und kostengünstigere und nachhaltigere Energie. Das Konzept der Europäischen Union wird den Bürgerinnen und Bürgern das nötige Vertrauen geben, diese Technologie zu nutzen, und Unternehmen dazu anspornen, sie zu entwickeln“ – das ist auf der Internetseite der Europäischen Kommission zu einem Thema zu lesen, zu dem sie hoffentlich Recht behält und das längst in aller Munde ist. Erste Smartphonehersteller haben bereits angekündigt, Künstliche Intelligenz nun auch in ihren Verkaufsschlagern einsetzen zu wollen. Doch auch in ganz anderen Bereichen hält KI, ein Teilgebiet der Informatik, Einzug. Die Stadtwerke Soltau zum Beispiel investieren einen niedrigen sechsstelligen Betrag in neue Sicherheitstechnik, die auf Künstlicher Intelligenz basiert, von der israelischen Firma Lynxight stammt und künftig in der Soltau-Therme als digitale Beckenaufsicht zum Einsatz kommen wird, um die Sicherheit zu erhöhen. Dabei geht es nicht darum, Personal einzusparen, sondern vielmehr um eine Entlastung der Aufsichten.

„Wir sind glücklich und auch ein wenig stolz darauf, dass wir eines der ersten Bäder in der Bundesrepublik sind, die ein solches KI-gestütztes System für die Schwimmbeckenüberwachung einsetzen. Dadurch steigern wir die Sicherheit für unsere Badegäste spürbar und unser Aufsichtspersonal erhält eine tolle Unterstützung im Arbeitsalltag“, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Daniel Töpfer.

Das Aufsichtspersonal in Schwimmbädern kann ein hervorragend geschultes Auge und feine Antennen haben, doch wenn es besonders voll im Hause ist und in den verschiedenen Becken das Leben tobt, dann ist es für die Rettungsschwimmerinnen und -schwimmer alles andere als ein Zuckerschlecken, im Getümmel die Übersicht zu behalten. Nicht selten erschweren dies tote Winkel, zudem gibt es Situationen, in denen Spiegelungen, Blasen und Schatten dazu führen, dass der nötige „Durchblick“ fehlt.

Hier setzt die Lösung der Firma Lynxight an, die eine Überwachung durch Kameras mit einer speziellen Software unter Einsatz von KI kombiniert und mit Hilfe „intelligenter“ Algorithmen auch eine Art „Frühwarnsystem“ entwickelt hat. Das Ganze, so verspricht der Hersteller auf seiner Internetseite, verleihe der Schwimmaufsicht „Superkräfte in Sachen Sicherheit.“ Mit Hilfe des Systems erhalte das verantwortliche Personal „eine noch nie dagewesene Übersicht, die die Reaktionszeit um das Sechsfache erhöht.“

Möglich macht dies die Kombination aus Hard- und Software, denn die Technik erkennt im Zusammenspiel die Bewegungsmuster der Gäste beim Freizeitspaß im Schwimmbad-Nass. Sollte sich eine Besucherin oder ein Besucher unter Wasser nicht mehr bewegen, dann schlägt das System sofort Alarm, ebenso bei ungewöhnlichen Auf- und Abbewegungen im nassen Element oder in Fällen, in denen ein unbeaufsichtigtes Kind ins Becken fällt. Brenzlige Situationen wie diese sollen in Nullkommanichts erkannt werden, zumal in solchen Fällen jede Sekunde zählt. Ohne Retter aus Fleisch und Blut ist das Bemerken dramatischer Situationen natürlich nutzlos. Deshalb trägt die sich „im Dienst“ befindende Badeaufsicht eine Smartwatch am Handgelenk und wird per Signal in Echtzeit über ungewöhnliche Vorkommnisse im Becken informiert, wobei sinnvollerweise auf dem Display angezeigt wird, an welcher Position im Bad Hilfe benötigt wird. Das spart im Falle eines Falles wertvolle Zeit.

Apropos Zeit: „Mit der jährlichen Revisionszeit im Schwimmbad, die Anfang dieses Monats stattfand, hat sich eine ideale Gelegenheit geboten, die neue Technik zu installieren“, berichtet Therme-Betriebsleiterin Heike Ebersbach. So sei kürzlich sowohl das Schwimmer- als auch das Nichtschwimmerbecken damit ausgestattet und die erforderliche Testphase gestartet worden. Nun gehe es in den Pilotbetrieb. Doch was ist mit dem sensiblen Thema Privatsphäre? Wer sich fernab der Welt der Influencer und Selbstdarsteller in Badebekleidung im Wasser bewegt, wird zumeist kein Interesse daran haben, dass davon Foto- oder Filmaufnahmen gemacht werden. Das muss aber auch niemand befürchten, wie Ebersbach unterstreicht: „Es werden weder Echtbilder noch Gesichter einzelner Personen aufgezeichnet“, erklärt die Betriebsleiterin der Soltau-Therme und betont, dass „alle Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.“

Die digitale Beckenaufsicht ist in dieser Hinsicht auf Linie gebracht: Aus den erfassten Bildern werden durch das System Vektordaten generiert – und aus diesen geometrischen Darstellungen letztlich Bewegungsmuster abgeleitet. Eine Speicherung der Aufnahmen erfolgt nicht, die „Superkräfte“ werden ausschließlich zur Unterstützung im Echtzeitbetrieb genutzt. Zu erkennen ist also niemand, wie die Anbieter der Firma Lynxight hervorheben.

Die gewonnenen Bewegungsprofile indes bleiben in „Erinnerung“. Weil das Projekt bereits in zahlreichen Bädern in mehreren Ländern genutzt wird, lernt die Technik dank Künstlicher Intelligenz stetig dazu. Die eingehenden Vektordaten werden kontinuierlich gesammelt und verarbeitet, sodass das System nach und nach „schlauer“ und somit stetig verbessert wird. Die verschiedenen Bewegungsmuster der Schwimmerinnen und Schwimmer werden auf diese Weise immer präziser ausgewertet und interpretiert, um bei möglicher Gefahr zuverlässig Alarm zu schlagen.

Wie Töpfer und Ebersbach noch einmal ausdrücklich betonen, sei diese zusätzliche Sicherheitstechnik in der Therme ausschließlich zur Unterstützung des Aufsichtspersonals da „und ersetzt dieses keinesfalls.“ Dies sei vor allem bei der Aufsichtspflicht für Kinder, „insbesondere bei denen, die noch nicht oder noch nicht sicher schwimmen könnten, von außerordentlicher Wichtigkeit.“ Immer wieder stellt das Therme-Team fest, dass Eltern beziehungsweise Begleitpersonen ignorieren, dass die Aufsichtspflicht nach wie vor bei ihnen liegt. „Daher werden wir nie müde, darauf hinzuweisen, Kindern immer zusätzliche Schwimmhilfen anzulegen und sie im Bad nie unbeaufsichtigt zu lassen. Das ist immer noch der beste und sicherste Schutz“, so Ebersbach.

Jetzt wird also moderne Technik eingesetzt, um die Sicherheit im Bad auf ein neues Level zu heben – und das ist durchaus „smart“. Auf der anderen Seite sorgen Smartphones dafür, dass diejenigen, die ihre Schützlinge eigentlich im Blick haben sollten, nicht ins Becken, sondern in digitale Welten abtauchen. Das Therme-Personal beobachtet immer wieder Erwachsene, die im Bad auf das Handydisplay starren, anstatt den Fokus auf den Nachwuchs zu richten. Ebersbach: „Deshalb appellieren wir an Eltern und Begleitpersonen, ihr Mobiltelefon zu Hause oder im Umkleidespind zu lassen und die Familienzeit in der Soltau-Therme ohne weitere Ablenkung zu genießen.“

Die digitale Schwimmbeckenüberwachung im Soltauer Bad wird sich, wenn alles reibungslos funktioniert, wohl nicht ablenken lassen. Über ihre „Anwesenheit“ werden die Besucher der Therme im Eingangsbereich sowie beim Betreten des Schwimmbades „datenschutzkonform informiert“, so Stadtwerke-Sprecherin Daniela Gebers.