Soltauer Gespräche: „Es wird weitergehen“ | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Gottfried Berndt hört nach fast 15 Jahren als Sprecher auf

Soltauer Gespräche: „Es wird weitergehen“

Was haben der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Ulrich de Maizière, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, Astronaut Dr. Thomas Reiter, Fernsehmoderator und Journalist Ingo Antonio Zamperoni, Theologin Margot Käßmann und Unternehmer Dirk Rossmann gemeinsam? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel, doch sie alle waren bereits in Soltau zu Gast – und zwar auf Einladung des Arbeitskreises Soltauer Gespräche. Den engagierten Ehrenamtlichen der Runde gelingt es immer wieder, prominente Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur in die Böhmestadt einzuladen, die dann in der Bibliothek Waldmühle interessante Vorträge zu aktuellen Themen halten und anschließend mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Seit fast 15 Jahren ist Gottfried Bernd „Motor“ des Arbeitskreises, möchte nun aber einen Gang zurückschalten. Am vergangenen Dienstag begleitete er seine letzte Veranstaltung in dieser Funktion und übergibt nun an Hubertus Greiner, der diese Aufgabe bis zum Ende des Jahres kommissarisch übernehmen wird.

Zwar hatte Berndt schon vor rund eineinhalb Jahren angekündigt, die Sprecherrolle abgeben zu wollen, aber wie das so ist, wenn ein Motor reibungslos läuft und zuverlässig die gewünschte Leistung bringt: Er wurde von seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Arbeitskreis bislang zum Weitermachen „überredet“. Jetzt aber hört Berndt tatsächlich auf, bei der Veranstaltung mit der Politologin Dr. Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik zum Thema „Russlands Krieg – Die Militarisierung der Außen- und Innenpolitik Moskaus“ übernahm er am vergangenen Dienstag letztmalig die wichtige Aufgabe, die ihm in den vergangenen knapp eineinhalb Jahrzenten, wie er betont, „sehr große Freude gemacht hat.“

Die Soltauer Gespräche, unterstreicht der scheidende Sprecher, seien „eine ganz tolle Sache“, denn: „In den vergangenen Jahren bin ich mit vielen beeindruckenden Menschen in Berührung gekommen.“

Die Übergabe des Staffelstabes nutzt der ehemalige Pastor der Lutherkirche zu einem Rückblick und erinnert dabei an die Anfänge der Veranstaltungsreihe. Begonnen habe alles mit einem Vortrag zum 50. Jahrestag des „20. Juli 1944“ durch den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Ulrich de Maizière . Dr. Hans Lucas, damals Ratsherr und der erste „Motor“ der Soltauer Gespräche, habe einen Wunsch der ersten Kulturkonferenz im Jahr 1993 aufgegriffen, Veranstaltungen zu planen, die zu Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur „zur geistigen Auseinandersetzung mit Fragen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beitragen.“

„Dazu bildete sich eine Arbeitsgruppe aus Ratsherren aller Fraktionen, die die Planung und Organisation der Veranstaltungen übernahmen. Zwar zogen sich die Ratsherren immer mehr aus dieser Arbeitsgruppe zurück, aber an ihre Stelle traten interessierte Soltauer Bürger, die die begonnene Vortragsreihe erfolgreich fortführten“, so Berndt. Nach wie vor engagierten sich die Ehrenamtlichen im Arbeitskreis „ohne Satzung und ohne Vorstand.“

„Bislang gab es 245 Veranstaltungen, etwa zehn bis elf pro Jahr“, betont Berndt: „Dankenswerterweise stellt die Stadt Soltau seit Beginn die Bibliothek Waldmühle kostenlos als Veranstaltungsort zur Verfügung.“ Die Referentinnen und Referenten, oft aus den Metropolen, zeigten sich stets begeistert von der Atmosphäre, von der Möglichkeit, sich quasi „auf kurze Distanz“ mit dem gestaffelt sitzenden Zuhörerinnen und Zuhörern austauschen zu können. Gerade die prominenten Gäste wüssten dieses familiäre Ambiente zu schätzen, sei es doch ein Gegenpol zum zumeist hektischen Alltag in den Großstädten und Machtzentren. Etwas „luftiger“ ging es lediglich in der Corona-Zeit zu: Als es wieder möglich war, lud der Arbeitskreis zu den Vorträgen vorübergehend in die Alte Reithalle ein, da dort die Abstandsvorschriften eingehalten werden konnten.

Beeindruckt zeigten sich die Referentinnen und Referenten auch vom großen Interesse, da die Soltauer Gespräche zumeist gut besucht seien, so Berndt weiter. Im Januar und Februar dieses Jahres zum Beispiel hätten jeweils 130 Zuhörerinnen und Zuhörer die Waldmühle gefüllt. „An den Kartenreservierungen sehen wir, dass sich auch viele Leute von außerhalb auf den Weg zu den Veranstaltungen machen, zum Beispiel aus Schneverdingen, Walsrode, Munster, Rotenburg und Visselhövede. Das ist schon etwas Besonderes für Soltau“, sagt Berndt und gerät im Zuge seines Rückblickes ein wenig ins Schwärmen.

Was ihm an seiner Rolle als Sprecher künftig fehlen dürfte, ist der persönliche Kontakt mit Koryphäen, die auf den verschiedensten Gebieten über profundes Fachwissen verfügen. So manchen Hochkaräter und so manche Hochkaräterin hat Berndt persönlich vom Flughafen oder Bahnhof abgeholt und in die Böhmestadt chauffiert. Da gab es dann natürlich Gelegenheit, die „Promis“ mal von einer ganz anderen Seite kennenzulernen. Zudem gibt es vor den jeweiligen Veranstaltungen jeweils ein gemeinsames Essen in einem Soltauer Hotel und dabei Gelegenheit für die Mitglieder des Arbeitskreises, sich mit den Gästen einfach mal „ganz privat“ zu unterhalten. „Von daher tut es mir schon ein wenig leid, aufzuhören“, räumt Berndt ein. Seit jeher liege dem Arbeitskreis am Herzen, mit der Themenauswahl und den Gastreferenten am Puls der Zeit zu sein. Ob zeitgeschichtliche Gedenktage, politische Entwicklungen in Europa, Naher Osten, die Welt des Islam, ethische und religiöse Fragen, der europäische Einigungsprozess, medizinische und wissenschaftliche Neuerungen, gesellschaftliche Entwicklungen, Gentechnologie, Umweltfragen, neue Medien, Sport oder auch künstliche Intelligenz – stets geht es um Themen, die auf den Nägeln brennen und oft auch kontrovers diskutiert werden.

Die Liste der Politiker, Wissenschaftler, Professoren und Journalisten, die in der Waldmühle ihre Visitenkarte abgegeben haben, ist nicht nur lang, sondern auch äußerst beeindruckend: Neben den eingangs erwähnten Referenten, wobei Dirk Rossmann schon dreimal zu Gast war, begrüßte der Arbeitskreis unter anderem Regina Hildebrand, Christine Lieberknecht, Matthias Platzek, Franz Müntefering, Dr. Karl-Hinrich Manzke, Holocaustüberlebende Esther Bejarano, die Botschafter Avi Primor und Dr. Marek Prawda sowie Mediziner wie die Professoren Dr. Franzke, Dr. Clarenbach und Dr. Nagel, Klimaforscher Professor Olav Homeyer, Professor Dr. Mojib Latif und Journalisten wie zum Beispiel Rolf-Dieter Krause, Thomas Reichart und Olaf Sundermeyer in der Bibliothek.

Längst ist die beeindruckende Liste der bisherigen Referentinnen und Referenten ein Türöffner, zumal das Budget des Arbeitskreises begrenzt ist und nach wie vor keine hohen Honorare gezahlt werden. Wer angefragt wird, schaut dann schon Mal auf die Internetseite https://www.soltauer-gespraeche.de, staunt angesichts der großen Namen der bisherigen Gäste, sagt dann zu und verzichtet nicht selten ganz auf das Honorar. Hin und wieder ist jedoch auch das Gegenteil der Fall. Berndt und Greiner nennen da ein Beispiel, wo ein Angefragter auf 7.000 Euro Honorar und einen Privatjet pochte. „Das lassen wird dann ganz einfach“, so der bisherige Sprecher des Arbeitskreises.

Am Herzen liegt den Veranstaltern, die Veranstaltungsreihe mit Lokalkolorit zu würzen. „Uns war und ist es auch wichtig, Soltauer Geschichte oder auch besondere Ereignisse in der Böhmestadt durch Veranstaltungen zu würdigen“, betont Berndt. So habe zum Beispiel der ehemalige Bürgermeister und Chronist Wolfgang Bargmann einen Vortrag zur „Entwicklung der Stadt Soltau“ gehalten, die Chefs der Firma Röders zur „Zukunft der Arbeit – Arbeit der Zukunft“ am Beispiel von Soltauer Unternehmen. Nicht minder interessant sei der Abend mit der Augenzeugin und Historikerin Barbara Meier sowie Volker Wrigge zum Thema „Letzte Kriegstage in Soltau“ gewesen.

„Darüber hinaus bietet unsere Veranstaltungsreihe ein Gesprächsforum für ehemalige Soltauer, die sich in der Wissenschaft, in der Politik oder in der Kultur einen Namen gemacht haben“, so Berndt weiter. So seien zum Beispiel Musikwissenschaftler Tom Zelle aus Chicago, der Mediziner Professor Dr. Hermann Wrigge aus Leipzig und der Ozeanograph Professor Dr. Martin Visbeck aus Kiel in der Waldmühle zu Gast gewesen, ebenso Physikerin Professor Dr. Ulrike Jordan aus Kassel sowie der Physiker und Molekularimmunologe Professor Dr. Christian Eggeling.

Berndt vergisst aber auch nicht diejenigen zu würdigen, die hinter den Kulissen zum Gelingen der Vorstragsabende beitragen: „Die Soltauer Gespräche können nur durchgeführt werden, weil das Team der Bibliothek Waldmühle beim Kartenvorverkauf behilflich ist, der Hausmeister Herr Grüber wie selbstverständlich die Vorbereitung des Raumes übernimmt und das Ehepaar Schulz-Buttgereit seit 14 Jahren für die Abendkasse verantwortlich ist.“

Berndt habe sich in den vergangenen fast 15 Jahren „sehr engagiert“ für die Soltauer Gespräche eingesetzt und für den „sehr guten Ruf der Marke“ gesorgt, so Greiner. Der bisherige Sprecher hinterlasse große Fußstapfen: „Das ist jetzt eine Riesenherausforderung für unseren Arbeitskreis. Aber wir wollen die Tradition fortsetzen. Es muss weitergehen – da sind wir uns alle einig.“

Knapp zehn Mitglieder gehören dem Arbeitskreis an. Hinzu kommen zwei Schüler, die über ein Kulturpraktikum mitarbeiten. „Es ist toll, wie sie sich einbringen. Sie sind voll integriert und bei den Vorbereitungen und den Veranstaltungen mit dabei. So erfahren wir auch, welche Themen die Jugend interessieren. Und vielleicht wirken sie ja auch als Multiplikatoren in ihren Klassen. Das ist für uns eine große Freude“, so Greiner. Unter seiner kommissarischen Leitung will sich der Arbeitskreis nun bis zum Ende des Jahres neu aufstellen: „So lange haben wir Zeit, die Aufgaben neu zu verteilen.“