Fast zwei Monate nach dem Vorfall leiden die vier Pferde immer noch an den Folgen. Zwei von ihnen hatte Franziska Wellner bereits vor rund sieben Wochen zur Tierärztlichen Hochschule Hannover gebracht, das älteste Tier musste nun am heutigen Donnerstag in die Klinik. Der Grund: „Meine Pferde wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November über das Wasser nachweislich vergiftet“, ist sich die Soltauerin sicher. Der Schock sitzt tief, und auch wenn die Tiere überlebt haben, so macht sich die Halterin dennoch weiterhin große Sorgen – besonders um ihre tragende Stute: „Hoffentlich kommt das Fohlen im Frühjahr nicht mit Beeinträchtigungen zur Welt.“ Nach der hinterlistigen Attacke auf der Koppel am Soltauer Weidedamm konnte ein Labor in Göttingen Rückstände gleich mehrerer Gifte nachweisen. Eine Probe für solch eine Analyse hätte auch eine andere Pferdehalterin aus Soltau gern eingeschickt: Eines ihrer Tiere auf einer Weide ganz in der Nähe hatte am 11. November so sehr gekrampft und „geschrien“, dass es eingeschläfert werden musste. Besitzerin Annika von Deylen dachte damals noch nicht an eine Vergiftung, denn: „Die Stute war bereits 27 Jahre alt und hat so gelitten, dass wir sie schließlich erlöst haben.“ Erst nachdem der Kadaver bereits beim Abdecker war, erfuhr die Halterin von der Gift-Attacke auf dem Areal nur einige Hundert Meter weiter. So fragt sich von Deylen heute: „Hängen die Fälle zusammen?“
„Leider werden wir es nie genau wissen, ob Gift im Spiel war“, bedauert von Deylen. „Ich wusste damals nicht, dass es ganz in der Nähe einen ähnlichen Vorfall gegeben hatte, sonst hätte ich anders gehandelt. Doch später war es dann für eine Autopsie bereits zu spät.“ Im Nachhinein bereue die Besitzerin, keine Blutprobe zurückbehalten zu haben: „So kann ich nichts beweisen.“
Wellner hingegen stieß schnell auf Beweise, fand am Morgen des 10. Novembers im Trog der Tiere seltsame Rückstände: „Da ist jemand auf meinen Hof gegangen und hat in die große Trinkwanne mehrere Gifte hineingegeben. Die Pferde hatten alles ausgetrunken.“ Eine Probe aus dem Trog brachte bei der toxikologischen Untersuchung ein eindeutiges Ergebnis: „Das Labor in Göttingen konnte verschiedene giftige Substanzen nachweisen“, so Wellner, die den Fall dann bei der Polizei zur Anzeige brachte.
Was trotz des übereinstimmenden Zeitraums beider Fälle jedoch gegen einen Zusammenhang spricht: Aus von Deylens Herde wurde nur ein Tier auffällig krank, auf Wellners Koppel zeigten hingegen alle ihrer vier Pferde nach und nach Symptome. Diese waren sich allerdings so ähnlich, dass hier der Verdacht paralleler Gift-Attacken durchaus in den Fokus rückt: „Kira“ habe am Abend des 11. Novembers wahre „Todeskrämpfe“ erlebt, berichtet von Deylen, die bei ihrer Stute zuvor außerdem deutliche Darmgeräusche wahrgenommen habe. „Die hatten meine Pferde auch“, bestätigt Wellner einen ähnlichen Verlauf. Ihre Tiere zeigten neben heftigen Darmgeräuschen aber noch weitere Auffälligkeiten: „Die Schleimhäute sahen bei allen nicht gut aus, ein Tier hatte Untertemperatur, zwei der Pferde hatten Fieber, eines fast 41 Grad.“ Auf Empfehlung des Tierarztes fuhr die 33-Jährige das Pferd mit dem höchsten Fieber und die tragende Stute noch in der Nacht in die Klinik. „Dort entwickelte ‚der Große‘ auch noch eine Dickdarmentzündung, brauchte spezielle Medikamente“, so die Soltauerin. Damit nicht genug: „Auch die beiden Pferde zu Hause hatten Kotwasser und teilweise Durchfall.“ Wellners Sorgen drehten sich natürlich auch um den Zustand des ungeborenen Fohlens: „Es schien in Gefahr und unterversorgt zu sein, drohte möglicherweise nach und nach abzusterben. Am nächsten Tag brachte eine größere Untersuchung dann vorerst Entwarnung: „Es sah wieder besser aus. Ich hoffe, dass wir im März ein gesundes Fohlen zur Welt bringen können.“
Die tragende Stute ist mittlerweile wieder auf ihrer Koppel, aber noch nicht wieder gesund: „Seit der Vergiftung hat sie Rückenschmerzen und eine schlechte Kondition“, erklärt die Besitzerin. Letzteres betreffe auch den Rest der Herde: „Bis heute sind meine Pferde immer noch nicht voll belastbar und einsetzbar.“ Besonders „der Senior“ der Gruppe, immerhin schon 29 Jahre alt, habe trotz der vielen Medikamente noch immer mit der Kotwasser und Durchfall hart zu kämpfen. „Es gab immer wieder gesundheitliche Rückschläge. Wir hoffen alle, dass er es schafft.“
Weiterhin muss die Halterin regelmäßig das Blut ihrer Pferde auf Gerinnungsparameter und andere Werte testen lassen. Die Kosten für Tierärzte und -klinik sowie Medikation und weitere Behandlungen summieren sich schon jetzt auf eine stolze Summe: „Die aktuellen Rechnungen belaufen sich bereits auf insgesamt mehr als 5.700 Euro. Allein die Klinikkosten summieren sich auf rund 4.800 Euro. Weitere Kosten stehen noch aus“, sorgt sich Wellner, alles bezahlen zu können.
Ihre Pferde sind dabei keineswegs ein „Hobby“, sondern Existenzgrundlage für die Heilerziehungspflegerin. Denn die Soltauerin hat sich nach einer Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Intervention vor knapp vier Jahren mit einem eigenen Reitstall selbstständig gemacht. Auf ihrem „Tinkerhof-Weidedamm“ bietet sie seitdem Reitunterricht und Erlebnispädagogik „Rund ums Pferd“ – und dazu noch mit Hund.
Um die hohen Kosten nach der Gift-Attacke stemmen zu können, hat Wellner über die soziale Crowdfunding-Plattform „GoFundMe“ eine Spendenkampagne gestartet und hofft auf finanzielle Hilfe (der Link hierzu: https://gf.me/v/c/5ft6/meine-pferde-wurden-vergiftet). Weitere Informationen finden Interessierte auch über die Internet- und Facebookseite des „Tinkerhof-Weidedamm“.
Beide Pferdehalterinnen möchten andere Besitzer vor möglichen Gift-Attacken warnen: „Man denkt erst, so etwas macht doch keiner. Aber es könnte wieder passieren“, mahnt Wellner zur Vorsicht: „Meinen Pferden hat man es erst gar nicht richtig angesehen, dass sie krank sind.“