Erst Corona, dann Inflation, nun rückläufige Spendeneinnahmen – all dem stehen gleichzeitig immer höhere Ausgaben gegenüber. Der Tierschutzverein für den Altkreis Soltau 1968 e. V. hat mit mehreren Problemen zu kämpfen, die in der Summe an der Substanz der Institution „nagen“. Leidtragende sind die zahlreichen Vierbeiner, die im Tierheim Tiegen auf eine neue Chance hoffen. Denn die Einrichtung des Vereins gerät unter dem Kostendruck allmählich in Gefahr: „Wenn das so weitergeht, ist hier in ein paar Monaten Schluss“, fasst die erste Vorsitzende Dr. Jana Korzekwa die düsteren Aussichten zusammen. Mit einem Appell an Spender, Sponsoren und ehrenamtliche Helfer versucht der Soltauer Tierschutzverein, aus der finanziellen Schieflage wieder herauszukommen.
Aktuell warten im Tierheim Tiegen vier Hunde und rund 25 Katzen auf neue Halter – unter ihnen diese zwei: „Hund ‚Bommel‘ und Kater ‚Casper‘ suchen ein neues Zuhause“, so Rebekka Borchert. Doch die stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins weiß: „Das kann etwas dauern, bis es so richtig gut passt, und so sind die beiden froh über eine optimale Versorgung.“ Doch der schon ältere Rüde und der verwaiste Kater müssen um ihren Platz im Tierheim Tiegen bangen: „Die Inflation der vergangenen Jahre hat die Preise explodieren lassen, die Spendenbereitschaft ist verhaltener geworden, und vor allem gestiegene Tierarztkosten belasten den Tierschutzverein für den Altkreis Soltau als Betreiber der Einrichtung“, so der Vorstand.
Diesem Gremium gehört neben Korzekwa und Borchert auch Sabine Murray als zweite stellvertretende Vorsitzende an – und alle sind sich einig: „Das Aus der Einrichtung wäre fatal.“ Zwar erfülle die Stadt ihre Pflichtaufgabe, in Kooperation mit dem Verein Wildtierhilfe Lüneburger Heide, Fundtiere zu versorgen. „Doch viele Tiere in Not können dort nicht aufgenommen werden“, weiß das Führungstrio. Dann kümmert sich das Team in Tiegen um die Vierbeiner, die von Herrchen und Frauchen aufgegeben werden – „manchmal aufgeben müssen“, ergänzt Murray: „Altersgründe können eine Rolle spielen, Tod, Krankheiten, ein Jobwechsel, Geldnot oder auch die Erkenntnis, die Haltung nicht in den Griff zu bekommen.“
So sei es auch bei „Casper“ gewesen, den der Tod seiner Halterin zum Waisen gemacht habe: „In seinem Übergangszuhause konnte er auch nicht bleiben, da er den Zweibeinern zu verschmust und anhänglich war und sich auch nicht mit den bereits vorhandenen Katzen verstand“, schildert Borchert die Umstände, die den vierjährigen Kater schließlich ins Tierheim gebracht hätten. Dort landete auch „Bommel“: „Der inzwischen etwa zehn Jahre alte Rüde ist ein Puli, ein ungarischer Hütehund, und steht kastriert, gechippt, geimpft und entwurmt zur Vermittlung bereit. ‚Bommel‘ wartet bereits seit Mai 2021 auf ein passendes, neues Zuhause“, so Borchert.
Die stellvertretende Vorsitzende sucht für „Bommel“ daher hundeerfahrene Zweibeiner, „die dem wuscheligen Sturkopf eine konsequent-liebevolle Erziehung angedeihen lassen mit klarer Führung durch den Menschen.“ Die Beispiele sollen zeigen, dass die Vermittlung in ein entsprechendes Zuhause etwas dauern kann – „bis es eben passt“, so Borchert.
Im Tierheim Tiegen, das auch Anlaufstelle ist für Hunde und Katzen, die das Veterinäramt beschlagnahmt hat, bleiben manche Vierbeiner also nicht selten sehr lang – und das kostet: In Tiegen kümmern sich vier festangestellte Mitarbeiterinnen in Teilzeit und viele ehrenamtliche Helfer auch um solche „Langzeitinsassen“. „Die Tiere“, erläutert die stellvertretende Vorsitzende, „haben manchmal die abenteuerlichsten Vorgeschichten hinter sich. Weil in der Corona-Zeit viele Zweibeiner aus Langeweile auf tierische Gesellschaft gesetzt haben, liefen die Tierheime über, als sich alles wieder normalisierte. Durch die älter werdende Gesellschaft rechnen Experten mit immer mehr Abgabe-Tieren von Seniorinnen und Senioren, die ihre Hausgenossen nicht mehr versorgen können. Bundesweit melden die Tierheime Überfüllung, teilt der Deutsche Tierschutzbund mit. Besonders hilflose Katzen und Hunde ohne Fundtierstatus stehen vor einer unsicheren Zukunft.“
Für einige Neuzugänge wäre in der Einrichtung in Tiegen sogar noch Raum: Das dortige Tierheim hat Platz für insgesamt 42 Katzen und sieben Hunde. Um die Versorgung der Vierbeiner kümmert sich das Team gemeinschaftlich: Die Vorsitzende und ihre Stellvertreterinnen sowie weitere Mitstreiter arbeiten ehrenamtlich, erledigen die Verwaltungsarbeit somit kostenneutral. „Das Tierheim Tiegen entstand 1980 mit dem Bau des Hundehauses, vier Jahre später wurde ein separates Katzenhaus errichtet. Öffentliche Mittel bekommt der Verein nicht, vor allem Spenden, Beiträge der rund 430 Mitglieder und Erlöse aus eigenen Aktionen wie der traditionelle Stand auf dem Weihnachtsmarkt müssen die Finanzierung sichern“, blickt der Vorstand auf die Geschichte der Einrichtung und deren Unterhaltung.
Doch trotz reichlich Aufwand und viel Engagement „wackelt das Konstrukt“, so der Vorstand. Vor allem die gestiegenen Personalkosten und die medizinische Betreuung der Vierbeiner seien die größten Belastungen für die Kasse: „Tierärzte müssen auch leben“, hat Borchert Verständnis. „Doch die neue Gebührenordnung seit 2022 rüttelt am finanziellen Gleichgewicht. Und den Vierbeinern, so das gemeinsame Ziel, soll es gut gehen.“
Ein weiterer Kostenfaktor: „Futter ist zudem teurer geworden“, so der Vorstand des Soltauer Tierschutzvereins, der außerdem immer mehr Geld für Energie, Löhne für die Mitarbeiterinnen in Teilzeit und Ausrüstung aller Art in die Hand nehmen müsse. „Zu allem Überfluss muss das Dach des vereinseigenen Tierheimgebäudes dringend saniert werden. Geschätzte Kosten: rund 40.000 Euro.“ Schon das vergangene Geschäftsjahr ließe sich nur mit einem tiefen Griff in die Reserven bewältigen, die mittlerweile rasant schrumpften. „Lange geht das nicht mehr gut“, fürchtet der Vorstand.
Doch weil die Teuerungsrate auch die Geldbörsen der Tierliebhaber belaste, sinke gleichzeitig das Spendenaufkommen: „Unser Ziel ist es, wieder finanzielle Stabilität zu erreichen“, bleiben die stellvertretende Vorsitzende und alle anderen optimistisch, nachhaltige Lösungen zu finden. Jetzt wolle der Verein aktiv auf Unternehmen und Organisationen zugehen, um Unterstützung einzuwerben: „Letztlich“, so das Team, „gehe es ums Tierwohl ebenso wie um Arbeitsplätze und sinnstiftende Tätigkeit für Haupt- und Ehrenamtliche. Beim Tierheim handele es sich um eine systemrelevante Einrichtung“, sind die Betreiber überzeugt.
Der Vorstand hofft, weitere Unterstützer zu finden und lädt ein: „Unter www.tierschutzverein-soltau.de informiert der Verein aktuell über Tiere, die ein Zuhause suchen, über Aktivitäten, Hintergründe, die eigene Geschichte, Möglichkeiten der Mithilfe im Tierheim, Tierpatenschaften und vieles mehr. Auch das Spendenkonto findet sich auf der Internetseite.“ Der Vorstand halte außerdem für mögliche Sponsoren alle Informationen bereit, hebt das Führungstrio hervor.
„Bommel“ und „Casper“ sowie all die anderen „Gäste auf Zeit“ werden von den dunklen Wolken am Tierheim-Himmel vorerst nichts mitbekommen. „Sie werden gefüttert, versorgt, gekuschelt und umsorgt, bis ein neues Zuhause real wird“, so Borchert. „Die Frage ist nur, wie lange für ‚Bommel‘ und ‚Caspers‘ sowie alle anderen diese Betreuung noch möglich ist.“